Wettlauf gegen die Inflation - US-Notenbank als Maßstab für EZB?

<p>Der Chef der Federal Reserve, Jerome Powell, macht deutlich, dass mit großen Zinsschritten noch lange nicht Schluss sei: „Ohne Preisstabilität funktioniert die Wirtschaft für niemanden.“</p>
Der Chef der Federal Reserve, Jerome Powell, macht deutlich, dass mit großen Zinsschritten noch lange nicht Schluss sei: „Ohne Preisstabilität funktioniert die Wirtschaft für niemanden.“ | Foto: epa

Die US-Notenbank Fed stemmt sich mit der dritten kräftigen Zinserhöhung in Folge gegen die extrem hohe Teuerungsrate. Und auch die Euro-Währungshüter bekräftigen ihre Entschlossenheit zu weiteren Zinsanhebungen. „Die Menschen können sich auf die EZB verlassen, die Inflation wird wieder sinken“, versicherte Isabel Schnabel, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. „Die Menschen können uns vertrauen. Wir werden unsere Aufgabe erfüllen und für stabile Preise sorgen.“

In den USA liegt der Leitzins nach der erneuten Anhebung um 0,75 Prozentpunkte nun in einer Spanne von 3 bis 3,25 Prozent. Das ist der höchste Stand seit 14 Jahren. Doch der Chef der Federal Reserve (Fed), Jerome Powell, machte nach der Entscheidung vom Mittwoch deutlich, dass mit großen Zinsschritten noch lange nicht Schluss sei: „Ohne Preisstabilität funktioniert die Wirtschaft für niemanden.“

Die Fed hat beginnend im März bereits fünf Mal im laufenden Jahr die Zinsen erhöht. Erhöhungen des Leitzinses verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft, die Inflationsrate zu senken, kann aber auch das Wirtschaftswachstum bremsen, da sich zum Beispiel Kredite verteuern. Mit der Straffung der Geldpolitik wächst das Risiko, dass die Wirtschaft so stark ausgebremst wird, dass Arbeitsmarkt und Konjunktur abgewürgt werden. „Ich wünschte, es gebe einen schmerzlosen Weg“, sagte Fed-Chef Powell. „Den gibt es nicht.“ Auch unter den Euro-Währungshütern war lange die Sorge groß, mit einer zu schnellen Normalisierung der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik die Konjunktur abzuwürgen. Viele Unternehmen haben sich noch nicht völlig von den Folgen der Corona-Pandemie erholt und müssen seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs nun auch noch extrem gestiegene Energiepreise finanzieren.

Die EZB hatte nach langem Zögern im Juli die Wende hin zu höheren Zinsen eingeleitet. Nach einer weiteren Zinsanhebung im September liegt der Leitzins im Euroraum nun bei 1,25 Prozent. „Ich gehe davon aus, dass der EZB-Rat in seiner nächsten Sitzung die Zinsen weiter anheben wird“, bekräftigte EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel im Interview mit dem Nachrichtenportal „t-online“. Die nächste reguläre Sitzung des EZB-Rates ist für den 27. Oktober angesetzt. „Angesichts eines nicht geringeren Inflationsdrucks in Europa zeigen die Fed-Entscheidungen, wo auch bei der EZB die Reise hingeht“, kommentierte Friedrich Heinemann vom ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim.

Steigende Energie- und Lebensmittelpreise haben die Inflation im Euroraum im August auf das Rekordhoch von 9,1 Prozent getrieben. „Ein großer Teil der Inflation geht (...) auf Faktoren zurück, die wir nicht direkt beeinflussen können“, erklärte Schnabel. „Kurzfristig könnte es sein, dass die Inflation trotz der jüngsten Zinsanhebungen noch weiter steigt.“ Die EZB strebt mittelfristig für den Euroraum stabile Preise bei zwei Prozent Inflation an. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich dann für einen Euro weniger leisten können.

Für Europas größte Volkswirtschaft Deutschland kommt die Zinswende zur Unzeit. „Deutschland ist aufgrund der starken Abhängigkeit von russischem Gas besonders hart getroffen. Hier lässt sich eine Rezession möglicherweise nicht vermeiden“, sagte Schnabel.

Dazu kommt: Während der Dollar von der straffen Geldpolitik der Fed profitiert, gerät der Euro weiter unter Druck. In der Nacht auf Donnerstag fiel die europäische Gemeinschaftswährung bis auf 0,9809 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit etwa 20 Jahren. Da Rohöl und andere Rohstoffe weltweit in der US-Währung abgerechnet werden, verteuert das Energieimporte zum Beispiel nach Deutschland zusätzlich und heizt die Inflation an.

Auch andere Notenbanken stemmen sich gegen die gestiegene Inflation. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hob am Donnerstag ihren Leitzins erneut an - und zwar um 0,75 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent. Damit beendete die SNB nach fast acht Jahren ihre Phase der Negativzinsen. Es sei nicht auszuschließen, dass weitere Zinserhöhungen nötig seien, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten, betonten die Währungshüter. (dpa/sc)

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