Deutschland vor dem Auftaktspiel: „Es liegt etwas Besonderes in der Luft“

<p>Im letzten Test gegen Frankreich tankten Johannes Golla (beim Wurf) und Co. ordentlich Selbstvertrauen.</p>
Im letzten Test gegen Frankreich tankten Johannes Golla (beim Wurf) und Co. ordentlich Selbstvertrauen. | Foto: dpa

Alfred Gislason verzog keine Miene, mit verschränkten Armen verfolgte der Bundestrainer das Abschlusstraining. Seine Vorgabe für den Turnierstart? „Gewinnen“, sagte der Isländer enorm fokussiert und voller Tatendrang. Vor dem EM-Auftakt gegen Belarus am Freitag (18 Uhr/ARD) scharren die deutschen Handballer mit den Hufen, das DHB-Team ist wild entschlossen.

„Es fühlt sich ein bisschen anders als in den vorherigen Jahren“, sagte Rückraumspieler Julius Kühn, einer von vier verbliebenen EM-Helden von 2016, am Donnerstag im eisig kalten Bratislava: „Es liegt etwas Besonderes in der Luft bei uns.“ Und selbst der schlachtenerprobte Gislason meinte: „Auch für mich ist spannend, was nun kommt. Jetzt ist die Realität, jetzt können wir anfangen.“ Tatsächlich weiß nach der intensiven Vorbereitung keiner so recht, wo das Team steht. Spielmacher Philipp Weber nannte die DHB-Auswahl angesichts der erfolgreichen Generalprobe gegen Olympiasieger Frankreich gar eine „Wundertüte“.

Und so sprach Gislason vor dem Start gegen den wohl stärksten deutschen Vorrundengegner von einer „wegweisenden“ Partie und bezifferte die Chancen auf „50:50“. Es sei zwar „kein Endspiel, aber mit einem positiven Erlebnis in das Turnier zu kommen, wäre extrem wichtig für den weiteren Verlauf“. Weitere deutsche Vorrundengegner sind am Sonntag (18 Uhr/ARD) Österreich und am Dienstag (18 Uhr/ZDF) Polen.

Nach Jahren der Tristesse mit lauter Turnier-Enttäuschungen seit dem Titelgewinn 2016 will das runderneuerte Team um Kapitän Johannes Golla eine neue Handball-Euphorie in Deutschland entfachen. Eine Verbandsvorgabe gibt es diesmal nicht, die Unbekümmertheit der international unerfahrenen Mannschaft soll zum großen Trumpf werden. Gleich acht Spieler feiern in der Slowakei schließlich ihr Turnier-Debüt. „Die Anspannung ist nicht zu groß, weil ich ein gutes Gefühl habe“, sagte der neue Anführer Golla, der das Kapitänsamt des zurückgetretenen Uwe Gensheimer übernommen hat.

Sorgen bereitet der deutschen Delegation einzig die prekäre Corona-Situation. Am Donnerstag meldeten nun auch die Polen, die im selben Hotel wie das bislang verschont gebliebene deutsche Team untergebracht sind, fünf neue Fälle. „Wir müssen nur gesund bleiben, dann kommen wir relativ weit“, sagte Kühn mit einem Augenzwinkern – wohlwissend, dass die Einschläge immer dichter kommen. Personell kann Gislason am Freitag wohl aus dem Vollen schöpfen. Die geprellte Schulter von Weber zwickte zwar noch, doch Gislason geht „davon aus, dass er bereit sein wird für das Spiel – so wie alle anderen auch“. Bei Weber, der am Donnerstagnachmittag in Bratislava mit dem Team trainierte, sei es „extrem wichtig, dass er voll bei Kräften ist“.

„Wenn die Mannschaft in einen Flow kommt, ist sogar das Halbfinale drin.“

Gislasons Team kann befreit aufspielen. Die Misserfolge in den vergangenen Jahren mit dem negativen Höhepunkt der schlechtesten WM-Platzierung in der Geschichte vor Jahresfrist in Ägypten haben nicht nur bei der Verbandsspitze ihre Spuren hinterlassen. Auch in der Heimat ist die Erwartungshaltung überschaubar.

„Alfred hat einen Umbruch eingeleitet und hat viele junge Leute dabei“, sagte etwa der langjährige Nationalspieler Pascal Hens. Deswegen sei die „Enttäuschung gar nicht so groß“, wenn es nicht so funktionieren sollte. Die deutsche Mannschaft hätte allerdings auch „die Möglichkeit, positiv zu überraschen“. Noch forscher formuliert es der frühere Meistertrainer Martin Schwalb. „Wenn die Mannschaft in einen Flow kommt, ist mit der nötigen Portion Glück sogar das Halbfinale drin“, sagte er der Hamburger Morgenpost. (sid/tf)

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