Auf Gut Rotter ticken die Uhren wesentlich langsamer

<p>Ein eigener Hof sei seit Kindheitstagen ihr Traum gewesen, sagen Max und Anke Küchenberg. „Die Tiere machen den Bauernhof jetzt erst richtig real“, so die Eupenerin.</p>
Ein eigener Hof sei seit Kindheitstagen ihr Traum gewesen, sagen Max und Anke Küchenberg. „Die Tiere machen den Bauernhof jetzt erst richtig real“, so die Eupenerin. | Fotos: David Hagemann

An der Monschauer Straße in Eupen, kurz hinter dem Kreisverkehr in Richtung Ternell, liegt, vor malerischer Kulisse, das Gut Rotter – ein charmanter Hof mit weiß getünchten Stallungen, umgeben von 70 Hektar Land. Im Frühjahr haben Max und Anke Küchenberg den Hof übernommen und den ersten Sommer als frischgebackene Landwirte mit der Heuernte zugebracht. Das Prinzip der extensiven, man könnte auch sagen ökologischen Bewirtschaftung, zieht sich wie ein roter Faden durch den Alltag auf Gut Rotter: Pestizide kommen ebenso wenig zum Einsatz wie Kunstdünger oder andere ertragssteigernde Chemikalien. Die Nachfrage nach dem Heu aus biologischem Anbau sei „wahnsinnig hoch“ gewesen, erzählt der 40-jährige Forstingenieur, wenn auch die Ernte aufgrund langanhaltender Dürre nur 60 Prozent des erhofften Ertrags – der naturgemäß geringer ausfällt als in der intensiven Bewirtschaftung – gebracht habe. „Wir sind bis auf den letzten Ballen ausverkauft“, freut er sich. Das bestätige ihn darin, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

Während die Heusaison inzwischen vorbei ist, hat am Wochenende, pünktlich zum ersten Advent, auf Gut Rotter der Verkauf von frisch geschlagenen, pestizidfreien Nordmanntannen begonnen. „Das ist der Rest vom Schützenfest“, lacht Anke Küchenberg und zeigt auf drei kleine Bäumchen mit sattgrünen Nadeln. Eines davon, etwas krumm gewachsen und nicht ganz so dicht beastet, lehnt einsam an der Stallmauer. „Daraus werde ich wahrscheinlich Schmuckreisig machen, wenn sich niemand erbarmt“, sagt Max Küchenberg. Die schönsten und prächtigsten Exemplare seien schnell vergriffen gewesen. „Obwohl die Geschmäcker sehr verschieden sind. Die einen wollen einen großen schlanken Baum, die anderen einen kleinen breiten“, weiß er.

Tannen aus regionalem und pestizidfreiem Anbau

Weihnachtsbäume gibt es derzeit an jeder Ecke, allerdings nicht unbedingt solche, die mit einer guten Ökobilanz glänzen. Die Tannen von Gut Rotter haben keine Fernreise hinter sich: Küchenberg bezieht sie von einer ökologisch bewirtschafteten Plantage in Neundorf (St.Vith). Jeden einzelnen Baum haben Max und Anke Küchenberg selbst ausgesucht und geschlagen. „Das besondere ist, dass auf der Plantage nicht gerodet, sondern nach Bedarf gefällt wird. Wo eine Lücke entsteht, wird ein neuer Baum gepflanzt, sodass auf der Plantage sowohl ganz junge als auch ältere Bäume wachsen“, erklärt er. Im Fachjargon spricht man von „Dauerwald“.

<p>Im Sommer wuchsen auf Gut Rotter Naturblumen in den schönsten Farben. Ein Straßenstand mit bunten Bauernsträußen schwebt Max und Anke Küchenberg für die Zukunft vor.</p>
Im Sommer wuchsen auf Gut Rotter Naturblumen in den schönsten Farben. Ein Straßenstand mit bunten Bauernsträußen schwebt Max und Anke Küchenberg für die Zukunft vor.

Heute Nachmittag geht der Verkauf der Weihnachtsbäume im kopfsteingepflasterten Innenhof auf Gut Rotter mit frischem Nachschub in die nächste Runde. Geplant war ursprünglich auch ein kleiner, feiner Weihnachtsmarkt, was sich in Zeiten von Corona jedoch von alleine erledigt hat. Max Küchenberg ist darüber gar nicht traurig, auch so sei auf dem Gut „mehr als genug zu tun“. Das Bauernhaus muss renoviert werden, damit die kleine Familie schon bald dort einziehen kann. Außerdem sind vergangene Woche fünfzehn Ochsen auf Gut Rotter eingetroffen, die momentan seine volle Aufmerksamkeit und Zuneigung genießen. Für den Familienvater ist das alles hier Neuland: der Hof, der Verkauf von Weihnachtsbäumen und jetzt noch das Vieh.

Die acht Monate alten Tiere mit dem cognacfarbenen Zottelfell – eine Kreuzung aus den Rassen Salers und Charolais, was besonders gute Gene verspricht – sollen ohne Kraftfutter großgezogen werden und möglichst viel Zeit auf der Weide verbringen, ehe sie in zwei bis drei Jahren geschlachtet werden. Ihr Fleisch, das als besonders zart und schmackhaft gilt, soll nicht im Supermarkt-Kühlregal oder beim Metzger landen, sondern portionsweise im hofeigenen Lädchen verkauft werden, so der Plan. Damit ticken die Uhren auf Gut Rotter wesentlich langsamer als in der Industrie, wo die Tiere dieses Schicksal sehr viel früher, mit spätestens 16 Monaten, ereilt. „Das entspricht überhaupt nicht unserer Philosophie, wir wollen dem ganzen Zeit geben“, betont Max Küchenberg. „Slow Food“, nennt er das. Sollte die Weideschlachtung, also das Erlegen in der gewohnten Umgebung, bis dahin erlaubt sein – und das hofft der erfahrene Jäger sehr – wäre das, aus Achtung vor den Tieren, sein Mittel erster Wahl. „Sie sacken einfach zusammen ohne zu leiden“, weiß er. Das erspare den Tieren Stress und wirke sich zudem auf den Geschmack des Fleisches aus.

Ein Bio-Markt mit regionalen Köstlichkeiten soll einmal im Monat auf Gut Rotter stattfinden.

Irgendwann mal, wenn der Betrieb auf dem Hof rund läuft, „könnten wir das ohnehin schon hochwertige Fleisch durch Trockenreifen, besser bekannt als ‚Dry Aging‘, weiter veredeln“, spinnt Küchenberg seine Ideen weiter. Die Möglichkeiten, die ihm der Hof eröffnet, sind gefühlt unendlich. „Aber eins nach dem anderen, wir wollen uns nicht übernehmen. Alles muss gut durchdacht sein“, nimmt der Eupener seinem Tatendrang etwas Wind aus den Segeln.

<p>Die Tannen suchen Anke und Max Küchenberg selbst aus – somit schaffen es nur die schönsten Exemplare auf den Hof. Regelmäßig sorgt das Paar für frischen Nachschub.</p>
Die Tannen suchen Anke und Max Küchenberg selbst aus – somit schaffen es nur die schönsten Exemplare auf den Hof. Regelmäßig sorgt das Paar für frischen Nachschub. | Foto: privat

An Ideen mangelt es den Quereinsteigern jedenfalls nicht. „Unsere Vision ist ein Bio-Markt, der einmal im Monat auf Gut Rotter stattfindet, mit Kartoffeln, Gemüse, Geflügel, Honig, Wein und vielem mehr aus der Region“, erzählt Max Küchenberg. Dazu möchte das Paar mit ausgewählten Produzenten kooperieren. Je mehr sich die Menschen Gedanken darüber machen, woher das, was abends auf ihrem Teller landet, kommt, umso höher steht Gutes aus der Region im Kurs.

Wo Regionalität endet, hat Max Küchenberg übrigens für sich selbst definiert: „Irgendwo muss man ja eine Grenze ziehen. Für mich ist alles im Umkreis von 93 Kilometern regional“, lacht er. 93, wie die Hausnummer von Gut Rotter.

Der Weihnachtsbaumverkauf auf Gut Rotter findet an den verbleibenden Adventswochenenden (freitags, samstags und sonntags) von 15 bis 19 Uhr statt. Die Nordmanntannen kosten je nach Größe 27 (bis 1,50 Meter Höhe), 37 (bis 2,50 Meter Höhe) bzw. 47 Euro (ab einer Höhe von 2,50 Meter).

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