Vom uniformen Denken zur uniformierten Gesellschaft?

<p>Das war die Demo in Berlin zu sehr weiten Teilen: ein buntes friedliches Treiben. Das Bild, das in zahlreichen Medien herüberkam, ein ganz anderes.</p>
Das war die Demo in Berlin zu sehr weiten Teilen: ein buntes friedliches Treiben. Das Bild, das in zahlreichen Medien herüberkam, ein ganz anderes. | Foto: dpa

Als Journalist kann man viele Perspektiven einnehmen. Es ist die primäre Aufgabe der Medien, die Fakten wiederzugeben. Doch auch Fakten haben Facetten. In einer konkurrierenden Medienlandschaft werden auf diese Weise verschiedene Blicke auf ein gleiches Ereignis geworfen. Hinzu kommen Kommentare, die die persönliche Sicht eines Journalisten und seine Analyse der Fakten und Hintergründe spiegeln: als Orientierungshilfe für den Leser.

So sollte es sein. Leider ist es nicht mehr so. Und zwar nicht erst seit der sogenannten Coronakrise. Schon seit Jahren findet eine bedauernswerte und gefährliche Gleichschaltung der Medien statt. An die Stelle einer kritischen und möglichst objektiven – die lupenreine Objektivität gibt es nicht – Darstellung der Fakten werden diese immer stärker ideologisch gefärbt, Teile der Realität werden ausgeblendet und bleiben dem Leser vorenthalten.

„Schreiben, was ist“, hatte Rudolf Augstein, der Gründervater des Spiegel einst als Maxime vorgegeben. Man nannte ihn bald „Sturmgeschütz der Demokratie“. Und man las ihn. Auch wenn man nicht mit ihm einverstanden war, respektierte man doch seine Meinung.

Leider sind die Zeiten eines Rudolf Augstein und eines Journalismus vorbei, der in alle Richtungen kritisch ist, der hinterfragt und nicht nur nachplappert, der nicht nur die Themen und Sichtweisen aufgreift, die Mainstream sind und Applaus garantieren. Journalismus ist nicht da, um zu gefallen, Journalismus ist da, um anzuecken, aufzurütteln, eine bunte Wirklichkeit wiederzugeben. Wenn der Pluralismus verschwindet, verschwinden bald auch der politische Diskurs und die Toleranz. Eine Gesellschaft, die uniform denkt – die Geschichte hat das schon mehrfach gezeigt – kann schnell zu einer Gesellschaft von Uniformierten mutieren.

Es wäre ein Armutszeugnis, sollte 250 Jahre nach Hegels Geburt der politische Diskurs, gegensätzliche und unbequeme Meinungen keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft haben.

Kommentare

  • Alles richtig, werter Oswald Schröder!

    Aber Orientierungshilfe sollte - zumal in diesen von Unsicherheit geprägten Zeiten - mit Verantwortungsbewusstsein und dem Wissen um die Macht des Wortes verbunden sein.

    Statt eines Statements in eigener Sache hätte man sich einen Schulterschluss mit den auch in Berlin erneut diffamierten KollegInnen gewünscht.

    Und... vermeintliche Orientierungshilfe führt zur Desinformation, wenn sie sich auf nachweislich falsche Fakten stützt, wenn sie polarisiert und spaltet.

    Da hilft auch ausgefeilte Rhetorik und intellektuelle Nabelschau nicht weiter.

    Und wenn der Satz des Kommunikationstheoretikers Norbert Bolz stimmt, wonach "Immer mehr Journalisten in Wirklichkeit Parteipolitiker sind, die so tun, als seien sie Journalisten", betrifft dies nicht nur die anderen.

    Aber auch darunter gibt es dann solche und solche...

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