Ryoyu Kobayashi könnte am Neujahrstag mit Sieg Nummer sechs Geschichte schreiben

<p>Ryoyu Kobayashi könnte am Neujahrstag mit Sieg Nummer sechs Geschichte schreiben</p>

Frage um Frage prasselte auf Ryoyu Kobayashi ein, doch der derzeit beste Skispringer der Welt blieb ein lächelnder Eisschrank. Was sein Geheimnis sei? Ob er sich den doppelten Grand Slam bei der Vierschanzentournee zutraue? Wie er sich am Ruhetag ablenke? „Vielen Dank“, ließ der Japaner jeweils in leichten Variationen über seinen Dolmetscher ausrichten: „Ich bin sehr glücklich über meine Sprünge und denke immer nur an den nächsten Wettkampf.“ Durchdringen lässt sich zum wortkargen Superflieger kaum.

„Wenn ihm der Absprung optimal gelingt, ist er nach nur zwei Metern schon in der idealen Flugposition.“

Nach Kobayashis souveränem Auftaktsieg in Oberstdorf ist die Hackordnung wieder die alte, der in vier Springen ungeschlagene Sieger des Vorjahres auch die Nummer eins der laufenden Tournee. Fünf Tageserfolge in Serie hatten beim Schanzenspektakel zuvor nur Helmut Recknagel (1958/59), Sven Hannawald (2001/02) und Kamil Stoch (2017/18) geschafft, am Neujahrstag in Garmisch könnte Kobayashi mit Sieg Nummer sechs Geschichte schreiben. Er lässt auch für diesen Hinweis danken, aber: „Ich denke daran nicht, sondern immer nur an die nächsten Sprünge.“ Na gut. Der durchaus extravagante Mode- und Bling-Bling-Fan Kobayashi, der die Weihnachtstage shoppend in Paris verbracht hatte, redet wenig über sich, umso mehr reden andere über ihn. „Er springt beeindruckend, hat brutalstes Niveau“, sagte Karl Geiger, in Oberstdorf mit reichlich Abstand Zweiter. Für schlagbar hält Geiger den Japaner dennoch: „Ein Zauberer ist er nicht.“

Für Österreichs Topstar Stefan Kraft ist Kobayashis Sprungstil das Maß aller Dinge: „Wenn ihm der Absprung optimal gelingt, ist er nach nur zwei Metern schon in der idealen Flugposition. Wir arbeiten daran, es genauso zu machen.“

Norwegens Erfolgscoach Alexander Stöckl ist ebenso fasziniert: „Kobayashi gewinnt extrem schnell Kontakt zum ersten Ski. Und egal was passiert, er macht einfach weiter. Diese Kaltschnäuzigkeit, diese Geschwindigkeit mitzunehmen, ist ein entscheidender Punkt“, sagte der Österreicher: „Man kann diese Philosophie verstehen. Aber sie zu kopieren, ist ganz schwierig.“

Für den deutschen Trainer Stefan Horngacher ist Kobayashi „a cooler Hund mit einem wahnsinnigen Selbstvertrauen“. Dennoch hält es Horngacher wie sein Musterschüler Geiger und schickt Japans tollkühnem Luftakrobaten eine zünftige Kampfansage: „Auch er ist nicht unschlagbar. Es ist schwierig, noch einmal viermal hintereinander zu gewinnen - und das werden wir ihm wahrscheinlich auch vermiesen.“

Ist Kobayashi denn nun schlagbar, zumindest über die Distanz von acht Wettkampfsprüngen? In Bestform wohl nicht. Allerdings provoziert sein riskant-aggressives Sprungsystem Fehler, mit schöner Regelmäßigkeit baut Kobayashi schwächere Versuche ein - die bei der Tournee Geiger und Co. die Tür öffnen könnten. Kobayashi, Lehrling des „ewigen“ Noriaki Kasai (“Ich habe ihm sehr viel zu verdanken“), kümmert sich um solche Diskussionen herzlich wenig. Mit fast schon frecher Gelassenheit gleitet er durch seinen Tournee-Alltag, bei offiziellen Terminen stets Dolmetscher Markus Neitzel im Gepäck.

Jener, der als evangelikaler Missionar 13 Jahre lang in Japan lebte, ist die Tournee-Stimme Kobayashis geworden. Und nach den Eindrücken von Oberstdorf warten in den kommenden Tagen wohl noch reichlich Einsätze auf Neitzel. Auch wenn er dabei weiterhin meist „Vielen Dank“ ausrichten dürfte. (sid/mn)

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