Sicherheitsdebatte begleitet Paris-Roubaix

<p>Topfavorit Mathieu van der Poel bei einer Trainingsfahrt am Freitag.</p>
Topfavorit Mathieu van der Poel bei einer Trainingsfahrt am Freitag. | Foto: Photo News

Die Sturzserie von Top-Fahrern und die traumatischen Bilder des schwer verletzten Tour-de-France-Siegers Jonas Vingegaard erschüttern den Radsport. Der dramatische Unfall des Dänen, der bei der Baskenland-Rundfahrt neben Knochenbrüchen auch eine Lungenquetschung erlitt, verschärft auch vor Paris-Roubaix am Sonntag die Sicherheitsdebatte - und sorgt auch bei den Organisatoren des nächsten schweren Klassikers für Entsetzen. 

„Stopp, stopp, stopp, lassen Sie uns das Massaker beenden“, sagte Thierry Gouvenou, Renndirektor von Paris-Roubaix, das am Sonntag stattfindet. Der frühere Profi forderte in der „L'Équipe“ eine Grundsatzdebatte: „Fangen wir an, über die Geschwindigkeitsprobleme nachzudenken.“ Es sei an der Zeit, sich Grenzen zu setzen. 

Vingegaard wurde nach dem Sturz unter Sauerstoffzugabe und mit Halskrause auf einer Trage aus dem Straßengraben abtransportiert. Zuvor lag der schwer verletzte Däne lange regungslos am Streckenrand. Zeitfahr-Weltmeister Remco Evenepoel verletzte sich auch schwer. Primoz Roglic ging ebenfalls zu Boden. Alle mussten die sechstägige Rundfahrt beenden.

„Stürze sind nie etwas, das wir im Radsport sehen wollen. Leider haben wir heute einen wirklich schlimmen gesehen“, schrieb der nicht an dem Rennen teilnehmende Superstar Tadej Pogacar nach der Etappe auf der Plattform X, ehemals Twitter. Weltmeister Mathieu van der Poel wurde am Freitag von der „L'Équipe“ mit den Worten zitiert: „Ich glaube, das gefährlichste Element des Radsports sind die Fahrer selbst. Es wird etwas riskiert, und das größte Problem ist: Alle wollen vorn am gleichen Platz sein, und das ist nicht möglich“, erklärte der 29-jährige Niederländer, der am Sonntag als einer der Topfavoriten bei Paris-Roubaix startet.

In der noch jungen Saison kam es bereits zu mehreren heftigen Vorfällen. Vor einer Woche verletzte sich Superstar Wout van Aert bei der „Dwars door Vlaanderen“ schwer. Durch die besseren Räder und damit höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten werden Stürze begünstigt. Hinzu kommt der Ehrgeiz der Profis. „Es ist diese Wer-bremst-verliert-Mentalität“, umschreibt es Simon Geschke „Es ist super tragisch, aber es ist aus meiner Sicht die Nervosität der Fahrer. Jeder wollte in die ersten Zehn in dieser Abfahrt rein. Und wenn dann keiner bremst, dann passiert so etwas. Aber es ist schwer, einen Schuldigen auszumachen.“ Fahrer bräuchten sich laut Geschke nicht „über Streckenführung und schlechten Straßenbelag beschweren“, meinte er: „Viele Stürze sind die Schuld der Fahrer.“

Heute endet die Baskenland-Rundfahrt ohne die Top-Favoriten in Eibar, keine 24 Stunden später steht für viele andere Profis in Frankreich der Klassiker Parix-Roubaix an. In der sogenannten Hölle des Nordens mit seinen berüchtigten Kopfsteinpflaster-Passagen kommt es immer wieder zu schweren Stürzen. Für das Eintagesrennen haben die Planer eine Schikane eingebaut, um die Geschwindigkeit und somit die Sturzgefahr zu mindern. Die Stelle unmittelbar vor der Schlüsselstelle birgt jedoch ihr eigenes Risiko. Vor der Engstelle dürfte es zu Positionskämpfen kommen. Die Reaktionen fielen daher gespalten aus. „Soll das ein Witz sein?“, kommentierte Weltmeister und Titelverteidiger Mathieu van der Poel. 

Hätte der Sturz im Baskenland verhindert werden können? Angesichts der schweren Verletzungen wird sich der Weltverband UCI den Vorfall genau anschauen. Der Däne Vingegaard erlitt neben einen Schlüsselbeinbruch weitere Verletzungen (siehe Hintergrund). Auch Evenepoel musste im Krankenhaus behandelt werden. Er brach sich das Schlüsselbein, zog sich eine Fraktur des Schulterblatts zu und sieht somit unter anderem seinen Start bei Paris-Roubaix in Rauch aufgehen. Giro-Sieger Roglic, der im Gelben Trikot in Richtung Gesamtsieg unterwegs war, verließ zumindest im Team- statt im Krankenwagen die Unfallstelle. Er überstand den Tag ohne Knochenbrüche. Der Australier Jay Vine aus dem UAE-Team um Topstar Pogacar hatte größeres Pech. Der 28-Jährige zog sich einen Halswirbelbruch zu, zwei Brüche der Brustwirbelsäule wurden diagnostiziert. 

Immer wieder kommt es zu schwerwiegenden Zwischenfällen im Radsport. Erst im vergangenen Sommer starb der Schweizer Gino Mäder auf der fünften Etappe der Tour de Suisse. Nach einem heftigen Sturz erlag er seinen schweren Kopfverletzungen. Fraglich bleibt, wie sehr die Verletzungen der Favoriten Vingegaard und Evenepoel auch die Vorbereitungen auf die Tour de France im Juni erschweren. Vor allem der Däne Vingegaard wird länger aussetzen müssen. Der slowenische Rad-Star Pogacar fuhr nicht im Baskenland und rückt bei den nächsten Starts endgültig in die Favoritenrolle. Der zweimalige Tour-Sieger startet Anfang Mai beim Giro d’Italia.

„La Une“ überträgt Paris-Roubaix ab 13.40 Uhr live.

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment