Digitalisierung im Sondermaschinenbau

Eupen

Das Unternehmen, eins von sieben der international tätigen Mandersgruppe, realisiert jährlich etwa 40 Maschinenprojekte, von denen fünf ein Finanzvolumen von über einer Million Euro aufweisen. Die Kunden stammen aus verschiedenen Sektoren wie der Automobilbranche, Pharmaindustrie oder der Solar- und Energietechnik.

Jan Peelaerts, Geschäftsführer des mittelständischen ostbelgischen Betriebs, erzählt zusammen mit seinen Kollegen Philipp Breuer, Pierre Carpentier und Pano Dewit von einer kürzlich eingeführten Veränderung in der Managementstruktur, die die Kreativität und Einbindung der Mitarbeiter fördert. Die traditionelle hierarchische Struktur wurde aufgelöst und durch ein dezentralisiertes und selbstverwaltetes Gruppensystem ersetzt. Mitarbeiter stehen nun im Mittelpunkt des Organisationsmodells, werden aktiv in Entscheidungen einbezogen und tragen signifikant zum Unternehmenserfolg bei. „Bei uns gibt es auch keine typischen Chefbüros mehr“, so Peelaerts schmunzelnd. „Wir geben zwar noch die Zielsetzung und die Richtung vor, aber wie unsere Mitarbeiter diese erreichen und dahinkommen, das überlassen wir ihnen.“

KPIs für den Betriebserfolg

So werden z.B. jeder dieser Gruppen sogenannte KPIs („Key Performance Indicator“) zugeordnet, die sie mittels digitalem „Dashboard“ quasi live verfolgen und überwachen können. KPIs sind für die Mitarbeiter von Eutomation & Scansys wichtige Messzahlen, die ihnen helfen, ihre Leistung und ihren Fortschritt in verschiedenen Bereichen zu überwachen und zu bewerten. Projektphasen, Umsatz, Gewinnmarge, Produktionsauslastung, Kundensektoren und viele andere Metriken können als KPIs verwendet und so genau beobachtet werden.

Dabei könnte der Eindruck entstehen, dass die Arbeit der Mitarbeiter noch strenger überwacht und kontrolliert wird. George Orwells berühmtes Zitat „Big Brother is watching you“ aus dem Roman „1984“ kommt einem hier als erstes in den Sinn. Doch das Gegenteil ist bei dem Eupener Unternehmen der Fall: „Unsere Mitarbeiter empfinden dadurch keinen höheren Leistungsdruck oder sehen dies als Druckmittel. Es geht uns viel mehr darum, die Arbeit und den Aufwand bei Aufträgen besser einschätzen zu können. D.h. zu prüfen, wie viel Einsatz von Mensch und Technik wirklich von Nöten ist und so in Zukunft auch realistischere Angebote und Preise machen zu können, indem wir anhand der gemessenen KPIs einfach genauer kalkulieren können.“ Dies entlastet schlussendlich auch die Mitarbeiter, wenn die benötigten Ressourcen von Anfang an realistisch eingeschätzt werden können.

Im Zuge dieser Veränderungen und auch aufgrund der Bedürfnisse auf Kundenseite stehen natürlich auch diverse Digitalisierungsvorhaben bei Eutomation nicht erst seit gestern auf der Agenda, erklärt Dewit: „Unsere Kunden fragen natürlich danach, dass die Maschinen, die wir für sie bauen, für die Industrie 4.0 ausgerüstet sind. Da kommen dann z.B. 3D-Kamerasysteme, AI-Tools, Roboter und spezielle Software zum Einsatz“. Ein konkretes Beispiel für ein in Eupen realisiertes Projekt ist eine Montageanlage für eine Maschine, die die verschiedenen Komponenten eines Scheibenwischers zusammensetzt oder auch eine Maschine für die Kupplungs- und Getriebemontage. Bei einem Projekt in der Pharmaindustrie kommen dann an heißen Pressen Roboter zur Be- und Entladung ins Spiel, da dies für Menschen viel zu gefährlich und nicht sicher wäre.

Maschinen, die es noch nicht gibt

„Wenn wir in Westeuropa unsere Produktionen nicht automatisieren und digitalisieren, werden sie nicht in Westeuropa bleiben“, so Carpentiers Meinung. Wichtig ist ihm hervorzuheben, dass diese Maschinen und Roboter keine Menschen ersetzen, sondern eben nur unmögliche, unangenehme, schwierige und eben auch gefährliche Aufgaben übernehmen. Auch die Fehlerrate kann durch automatisierte Prozesse minimiert werden. Die Art der Tätigkeiten hat sich somit verändert, die Mitarbeiter werden für andere Jobs eingesetzt, die dem Unternehmen einen höheren Mehrwert bieten und letztendlich dem Angestellten auch.

Bei Eutomation wurden jetzt schon diverse administrative Prozesse umgestellt, sei es der Umstieg auf ein automatisiertes, digitales Rechnungswesen oder auch digitale Maschinenpläne, die überall für jeden auf verschiedenen Endgeräten einsehbar sind.

Die Digitalisierung von Prozessen im Sondermaschinenbau hat somit einen bedeutenden Wandel in der Branche eingeleitet. Durch den Einsatz fortschrittlicher Technologien wie IoT (Internet der Dinge), künstliche Intelligenz und Automatisierung werden Fertigungsprozesse optimiert und effizienter gestaltet – und dies zu Gunsten der Mitarbeiter. Die Überwachung von Maschinen und Anlagen in Echtzeit ermöglicht eine frühzeitige Fehlererkennung und Wartung, was die Ausfallzeiten reduziert und somit auch die Produktivität steigert.

Beim Blick in die Zukunft geht’s bei Eutomation vor allem um das Thema Simulation. „Manchmal ist es schwierig eine Maschine zu verkaufen, die es so noch nicht gibt“, erklärt Breuer. In diesen Bereich will der Eupener Betrieb deshalb zukünftig weiter investieren und sich entwickeln, um den Einsatz von 3D-Simulationen, Virtual Reality, digitalen Konfiguratoren etc. auszubauen. „Mittlerweile simulieren wir komplette Produktionslinien, die dann auch virtuell schon funktionieren. Man kann sich das wie den IKEA-Küchen-Konfigurator vorstellen, nur eben etwas komplizierter vom Produkt her“, so Breuer. Ziel ist es, unseren Kunden komplette Produktionslinien bis ins kleinste Detail virtuell erleben zu lassen. In diesem Kontext fällt auch der Begriff „Digital Twin“ - eine digitale Replikation einer Maschine oder eines Anlagensystems. Ein solcher digitaler Zwilling bietet eine detaillierte und genaue Darstellung einer realen Maschine, um das Design verfeinern und testen zu können, bevor physische und kostenaufwändige Prototypen hergestellt werden.

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