Vivant kritisiert Aufarbeitung der Flutkatastrophe: „Ein schlechter Witz“

<p>Über die Rolle der Eupener Wesertalsperre wird bei der Aufarbeitung der Flutkatastrophe sehr diskutiert.</p>
Über die Rolle der Eupener Wesertalsperre wird bei der Aufarbeitung der Flutkatastrophe sehr diskutiert. | Archivbild: belga

„Die Verantwortung für die zahlreichen Versäumnisse, Pannen und das Kommunikationsdesaster auf Seiten der wallonischen, der Provinz- und der föderalen Behörden, die diese Katastrophe zusätzlich verschlimmert haben, hat und will bis heute niemand übernehmen“, schreibt Vivant in einem Kommuniqué. In den Augen der Partei ist dies „skandalös und inakzeptabel“.

Vivant übt Kritik an den Regionalabgeordneten Anne Kelleter und Christine Mauel.

„Wie kann die Ecolo-Abgeordnete im wallonischen Parlament Anne Kelleter behaupten, ‚die Regeln’ seien verantwortlich gewesen, und gleichzeitig den an erster Stelle für diese Regeln verantwortlichen Minister für Klima und Infrastruktur, ihren Parteifreund Philippe Henry in Schutz nehmen?“, fragt Vivant. Diese Regeln seien schließlich nicht, „im Gegensatz zu dem unaufhörlichen Regen Mitte Juli 2021, vom Himmel gefallen“, so Vivant weiter. Vielmehr seien diese von Minister Henry, von der aktuellen Regierung und deren Vorgängern gemacht worden. „Und wenn sie versagt haben, muss jemand dafür geradestehen“, betont Vivant.

Zur Einordnung: Christine Mauel hatte vergangene Woche Kritik an der Aufarbeitung der Katastrophe durch den zuständigen Minister Philippe Henry (Ecolo) geäußert. Daraufhin reagierte Anne Kelleter, indem sie kritisierte, dass die Bilanzziehung nach zwei Jahren Flut bei manchen einer „Abrechnung“ gleiche. Die Fixierung auf die Eupener Talsperre sei „eine Nebelkerze“ hatte die Grünen-Politikerin erklärt. „Wenn alle Regeln befolgt wurden, aber die Reaktion auf die Flut trotzdem nicht gut war, bedeutet das nicht, dass die Verantwortlichen versagt haben, sondern einzig und allein, dass die Regeln versagt haben“, fasste Kelleter zusammen.

Für die „Versäumnisse und das institutionelle Chaos“ in Namur, Lüttich und Brüssel tragen in den Augen von Vivant wiederum auch die PS, die MR sowie Les Engagés – aufgrund ihrer Regierungsbeteiligungen in den vergangenen Jahrzehnten – eine Mitschuld. „Zwar ist es begrüßenswert, dass Christine Mauel anders als Anne Kelleter wenigstens zugibt, dass die Probleme in Namur lagen und nicht in Uccle beim belgischen Wetterdienst. Trotzdem hat sie auch am Ende akzeptiert, dass im Untersuchungsausschuss die Frage der politischen Verantwortung für die Flutkatastrophe ausgeklammert wurde“, kritisiert die Partei auch die liberale Abgeordnete.

Vivant betont, dass die Flutkatastrophe unvermeidbar gewesen sei. Allerdings habe die Talsperre in Eupen „und der ganze, schlecht organisierte Verwaltungsapparat der Wallonischen Region (und der Provinz bis hin zum Innenministerium in Brüssel) die nachweislich vorliegenden Warnungen ignoriert“, die Lage falsch eingeschätzt und „falsche oder zu späte Entscheidungen getroffen“.

Des Weiteren kritisiert Vivant, dass jahrelang das Aufsichts- und Überwachungspersonal der Talsperre abgebaut worden sei, gleichzeitig aber die Zentralverwaltung in Namur aufgebläht wurde. Zudem habe es „keine oder eine mangelhafte Kommunikation“ gegeben. „Wenn die Talsperre auf dem Höhepunkt der Krise Millionen Liter Wasser in kürzester Zeit in die Weser ablässt und damit richtige Flutwellen verursacht, dann tragen dafür der zuständige Minister und die Regierung in Namur die Verantwortung“, fasst Vivant ihren Standpunkt zusammen.

Es sei „ein schlechter Witz, wenn Frau Kelleter die Schuld für die verzögerte Ausschreibung einer externen Kontrolle auf die Unterbesetzung des Ministeriums von Philippe Henry schiebt“. Es heiße, dass in diesem Ministerium bis zu 5.000 Leute beschäftigt seien. „Dann sollte man jemanden finden, der eine Ausschreibung vorbereitet. Wenn Minister schon so viel Geld verdienen, dann darf man erwarten, dass sie Prioritäten setzen können. Kaum ein Staat leistet sich so viele Minister und Beamte wie Belgien“, so Vivant. Es sei „ein Hohn für die Opfer, dass eine gewählte Volksvertreterin so etwas schreibt“.

Vivant verweist auf eine jüngst veröffentlichte Studie, derzufolge Belgien in puncto Steuerlast innerhalb der EU auf Platz 2 hinter Frankreich liege. Den belgischen Behörden gelinge es jedoch nicht, Dienstleistungen zu erbringen, die auch tatsächlich den Summen entsprechen, die den Arbeitnehmern in Form von Steuern „abgeknöpft“ würden. „Ein insgesamt schlechtes Zeugnis für den politischen Apparat“, findet Vivant. Vor diesem Hintergrund wiederholt die Partei ihre Forderung „nach einer lückenlosen Aufklärung der Geschehnisse, damit so etwas nie wieder passiert“. Außerdem müsse die Regierung in Namur „für die vielen Pannen“ die Verantwortung übernehmen – „an erster Stelle der für die Talsperren zuständige Minister Henry“, heißt es weiter.

Die hohen Gehälter von Minister und Beamten in Führungspositionen in den Behörden würden oft auch damit begründet, dass Personen in diesem Amt eine große Verantwortung tragen. „Dann sollten die Verantwortlichen auch zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie Fehler begangen haben. Warum sollte sonst in Zukunft ein Minister oder Beamter Interesse haben, Fehler zu vermeiden, wenn es für ihn keine Konsequenzen hat“, fragt Vivant.

Die Partei hofft, dass der für den Herbst angekündigte Bericht eines Untersuchungsrichters, der von der Staatsanwaltschaft Lüttich mit der Aufarbeitung der Katastrophe beauftragt wurde, „Antworten auf die noch offenen Fragen gibt“. Es sei indes fraglich, „ob er die Frage nach der politischen Verantwortung für den desolaten Zustand der Behörden auf den verschiedenen Ebenen des Staates beantworten wird“. Abschließend betont Vivant, es sei „beschämend, dass die wallonische Regierung diese Verantwortung auch zwei Jahre nach der Katastrophe noch nicht auf sich genommen hat“. Zwar würden die „39 Todesopfer und die Milliarden schweren Schäden dieser schlimmen Katastrophe damit nicht ungeschehen gemacht. Aber die Opfer haben es verdient, dass jemand die Verantwortung für die politischen Versäumnisse auf sich nimmt“, so die Partei abschließend. (red/svm)

Kommentare

  • Wenn etwas ein “Hohn für die Opfer” der Flutkatastrophe von Juli 2021 ist, die in erster Linie eine Naturkatastrophe war, dann der Versuch populistischer politischer Trittbrettfahrer à la Vivant oder Mauel, daraus politisches Kapital zu schlagen.
    Dies liegt wohl in der DNA einer Partei, die gerne Verschwörungserzählungen bemüht und an den Lippen ihres Spiritus Rector hängt, der seine krude Weltanschauung aus Russia Today und zahllosen anderen antidemokratischen Propagandamedien destilliert.

  • In Anbetracht der Position von Vivant zur Aufarbeitung der Flutkatastrophe möchte ich einige Aspekte hervorheben, die möglicherweise übersehen oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

    Erstens, während Vivant darauf besteht, dass die politische Verantwortung für die Flutkatastrophe ausschließlich bei denjenigen liegt, die die bestehenden Vorschriften und Regeln erstellt und umgesetzt haben, ignoriert die Partei die Rolle des Klimawandels. Die Aussage, dass die Flutkatastrophe unvermeidbar war, lässt die wissenschaftlichen Erkenntnisse außer Acht, die zeigen, dass der Klimawandel zu extremen Wetterereignissen beiträgt, die wir in den letzten Jahren gesehen haben. Insofern ist jeder, der die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels nicht unterstützt hat, ebenso politisch verantwortlich.

    Zweitens, obwohl es richtig ist, dass die politische und administrative Organisation eine wichtige Rolle bei der Handhabung solcher Katastrophen spielt, sollte dies nicht als Vorwand dienen, die grundlegende Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen zu ignorieren. Vivant betont die Misswirtschaft der Wallonischen Region und des Innenministeriums in Brüssel, ohne den grundlegenden Kontext der Klimakrise zu berücksichtigen, der solche Katastrophen wahrscheinlicher macht.

    Drittens, Vivants Fokus auf die Rolle des Einzelnen, insbesondere des Ministers für Klima und Infrastruktur, scheint eine Vereinfachung zu sein. Natürlich ist es wichtig, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber der Klimawandel ist ein globales, systemisches Problem, das nicht durch einzelne Minister oder Behörden gelöst werden kann. Es erfordert einen kollektiven Ansatz, der weit über die Grenzen der Politik hinausgeht.

    Abschließend, es ist unbestreitbar, dass eine sorgfältige Aufarbeitung und Analyse der Flutkatastrophe und der darauf folgenden Maßnahmen notwendig ist. Die Schuldzuweisung sollte jedoch nicht dazu dienen, von der größeren Aufgabe abzulenken - die Bekämpfung des Klimawandels und die Anpassung an seine unvermeidlichen Auswirkungen. Eine Betonung des Klimawandels als direkter Ursache der Flutkatastrophe würde zu einer umfassenderen und nachhaltigeren Reaktion auf solche Katastrophen führen.

  • Der Klimawandel ist also schuld daran, daß Henry die Entscheidung getroffen hat, die Sperre voll laufen zu lassen, anstatt Wasser abzulassen. Das übertrifft mein Verständnis von Physik und Metaphysik... Einfach nur irre.
    Irrer noch, natürlich, ist das Vorhaben, nein die AUFGABE (!!!!!!!! wieso nicht die Mission? Klingt besser, theologischer) den Klimawandel zu... bekämpfen. Wollen Sie vielleicht auch gegen die Galaxis kämpfen? Oder gegen die Schwerkraft? Einfach noch irrer!
    Wie wäre es mit Anpassung? Die nächste Abkühlung kommt, mit Sicherheit - wohl aber zu spät um das durchgebrannte Hirn der Kommentatoren hier zu kühlen.
    Hier eine plausible Erklärung für das Erwärmen AN MANCHEN ORTEN (denn Rekordtiefsttemperaturen und Schneefälle, sowie Zuwachs von Eismassen sind auch Teil eurrer "globalen Erwärmung")
    https://globaleuronews.com/2023/05/20/scientific-council-of-the-russian-...

  • Wie von Putin bestellt, "bereichert" die Russische Akademie der Wissenschaften, ein Staatsorgan (!), die Suche nach den Ursachen des Klimawandels um eine neue Variante:

    Nicht der Mensch ist schuld, sondern: "...die Hauptursache für die Erwärmung der Ozeane und die Erwärmung der Erde [ist] der Zerfall eines Kaliumisotops aus dem Erdinneren. Die Leistung dieses Wärmestroms beträgt 1 Watt pro Quadratmeter oder ein Viertel des Wärmestroms der Sonnenstrahlung. Dies ist um Größenordnungen größer als der Treibhauseffekt, den die Menschheit mit großem Aufwand und ohne wirklichen Erfolg zu bekämpfen versucht."

    "Die Hauptursache für lokale Klimakatastrophen wiederum ist die zunehmende Emission von natürlichem Wasserstoff aufgrund der wechselnden Gravitationskräfte von Mond und Sonne, die Ozonlöcher verursachen. Der daraus resultierende Temperaturanstieg und die Vermischung von Ozon und Wasserstoff sind die Hauptursache für Wald- und Wiesenbrände."
    (Quelle: tkp)

    Dabei ist das Phänomen an sich längst bekannt: "Der radioaktive Zerfall der Elemente Uran, Thorium und Kalium liefert allein etwa 24 Terawatt Wärme. Möglich wurde diese neue, bisher genaueste Abschätzung mit dem KamLAND-Neutrino-Detektor."
    (Tagesspiegel 18.07.2011)
    Diese radioaktiven Reaktionen gab es schon immer: Das Kaliumisotop K-40 hat eine Halbwertzeit von 1,24 Milliarden Jahren !

    Wie immer übernimmt unser Herr Dr. Francois völlig unkritisch, also völlig unwissenschaftlich, jeden Nonsens, den ihm in die Hände fällt.

    Das mit der Ursache von "Wald- und Wiesenbränden durch "wechselnde Gravitationskräfte von Mond und Sonne":
    Das las sich bisher so: "Waldbrände führen zu Ozonabbau in der Stratosphäre"
    "Die großflächigen Brände in Australien in den Jahren 2019 und 2020 haben dazu geführt, dass die Ozon-Konzentration in der Atmosphäre der südlichen Erdhalbkugel abgenommen hat. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die am 17.03.2022 im Fachjournal „Science“ erschienen ist."
    Quelle: science media center 18.03.2022)
    Aber die Russen wissen es besser: "wechselnde Gravitationskräfte".

    Und für die Zunahme der Eismenge an den Polen hätte man auch gerne belastbare Belege...

  • Wenn der Klimawandel wirklich mitschuld an dieser Katastrophe tragen sollte, warum hat Henry dann nicht korrekt reagiert?
    Nanu, ein Grüner der nicht richtig gegen den Klimawandel agiert, ist doch wohl ein schlechter Grüner. oder?

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