„Mehrsprachigkeit – Halbsprachigkeit – Sprachlosigkeit“: Wichtige Erkenntnisse durch Weiterbildung

<p>Das Netzwerk Integration hatte die Veranstaltung auf den Weg gebracht.</p>
Das Netzwerk Integration hatte die Veranstaltung auf den Weg gebracht. | Foto: Veranstalter

Für die Kinder ist die Schulsprache die zweite oder dritte Sprache neben den Sprachen aus dem Herkunftsland, und damit verbundene Schwierigkeiten können besondere Lösungen erfordern. Das Netzwerk Integration hat hierzu mit der Unterstützung der Autonomen Hochschule eine Weiterbildung für pädagogische, soziale und therapeutische Berufe organisiert. „Mehrsprachigkeit - Halbsprachigkeit - Sprachlosigkeit“ – der Titel machte darauf aufmerksam, dass das Erlernen einer Zweitsprache unterschiedlich verlaufen kann.

Mehrsprachigkeit gilt als Vorteil, ja fast schon als Voraussetzung bei der Stellensuche. Aber gilt dies auch für Sprachen wie Russisch, Arabisch, Türkisch oder Urdu? Und wer denkt schon darüber nach, welche Rolle die Frequenzen spielen, auf denen Sprachen artikuliert werden, und was passieren kann, wenn unser Gehör auf die unterschiedlichen Frequenzen anderer Sprachen nicht trainiert ist? Allgemein gilt, Sprache erwirbt sich nicht nur in der Schule, sondern auch im Elternhaus. Hier spielt die Erstsprache eine wichtige Rolle, auf die die Kinder den Erwerb der Zweitsprache aufbauen. Andernfalls droht eine Halbsprachigkeit, die die Kommunikation in der Familie stark beeinträchtigen kann. Der Begriff der Halbsprachigkeit wurde erst durch den Austausch der Partner in der Vorbereitung auf die Weiterbildung geprägt. Wenn eine oder mehrere Sprachen vernachlässigt werden, dann droht gewissermaßen eine Sprachlosigkeit selbst unter Mitgliedern einer Familie. Auch gilt: Jedes Kind muss seine eigene Herzenssprache entwickeln, und diese ist nicht zwingend die Sprache der Mutter. Durch Erfahrungsberichte von Menschen, die selbst einen Migrationshintergrund haben, wurde aber auch deutlich, dass die Sprache des Herkunftslandes eine große Bedeutung für familiäre Verflechtungen und die Bewahrung von Kultur und Identität hat.

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Die Veranstaltung bezog verschiedene Partner in die Gespräche ein. | Foto: Veranstalter

Im Kontakt mit den Eltern sind Begegnung, Information und Beratung wichtig. Diese sollten darauf hinauslaufen, die Stellung der Eltern zu fördern. Allgemein ist festzustellen, dass das Interesse der Eltern an der schulischen Leistung der Kinder wichtig ist für den Erfolg. Wenn Probleme mit der Mehrsprachigkeit auftauchen, ist es wichtig, die Ursachen zu suchen, die oft ganz woanders liegen. „Ideal wäre deshalb eine individuelle Begleitung im Rahmen eines Integrationsparcours für Kinder, der diese auf ihrem Bildungsweg berät und orientiert, ohne dadurch die Freiheit der Schul- und Sprachwahl zu nehmen“, hält das Netzwerk Integration fest. Bei all diesen Bemühungen müsse das Kind im Mittelpunkt stehen. Das Netzwerk Integration ist eine Arbeitsgruppe, die sich bereits vor 15 Jahren das Ziel gesetzt hat, für Integration und das Zusammenleben der Kulturen zu sensibilisieren. Bei ihren Treffen tauscht die Gruppe über die Entwicklungen in der Begleitung von Klienten mit Migrationshintergrund und in der Gesellschaft aus, und daraus entwickeln sich jeweils aktuelle Themen für die weitere Bearbeitung. Dabei fielen immer wieder die Verständigungsschwierigkeiten auf, sowohl in der Kommunikation mit Eltern als auch in der Arbeit mit Kindern, von denen viele einen Rückstand in der Sprachkompetenz aufweisen. Dass hier die Mehrsprachigkeit, die oft schon aus der Heimat bekannt ist, dort aber mit ganz anderen Sprachen verbunden ist, zum Problem werden kann, verdeutlichte die Notwendigkeit einer fachlichen Auseinandersetzung mit der Thematik.

<p>Wenn Probleme mit der Mehrsprachigkeit auftauchen, ist es wichtig, die Ursachen zu suchen, die oft ganz woanders liegen.</p>
Wenn Probleme mit der Mehrsprachigkeit auftauchen, ist es wichtig, die Ursachen zu suchen, die oft ganz woanders liegen. | Foto: Veranstalter

Dazu wurden regionale Fachkräfte einbezogen. Das Kompetenzzentrum des Zentrums für Förderpädagogik, das Beratungs- und Therapiezentrum und Kaleido Ostbelgien gestalteten die Hauptteile des Programms. Grundlegende Feststellungen und Anregungen der Referate und Erfahrungsberichte wurden im Rahmen von Workshops bearbeitet, die sich der Sprachförderung im familiären Umfeld, der Bedeutung der Herzenssprache für Denken, Fühlen und Sprechen, sowie den Möglichkeiten des „Brücken bauen im Elternkontakt“ widmeten. Dabei wurde unter anderem festgestellt: Im Gegensatz zu den anderen Gemeinschaften des Landes ist in Ostbelgien die Sprachwahl keine Selbstverständlichkeit. Nicht zuletzt aus diesem Grund seien Verallgemeinerungen kaum möglich. Das Konzept der leichten Sprache sollte vermehrt genutzt werden. Wichtig ist z.B. beim Elternkontakt, sich zu vergewissern, dass das Gesagte oder Geschriebene auch wirklich und richtig verstanden wird. Die Ergebnisse der Workshops und der Weiterbildung als Ganzes würden sicherlich eine Grundlage für die weitere Arbeit des Netzwerks Integration und für Empfehlungen an politische Entscheidungsträger und Verantwortliche des Bildungswesen bieten, hieß es.

Zum Netzwerk Integration gehören: Info-Integration, Animationszentrum Ephata, Viertelhaus Cardijn, Beratungs- und Therapiezentrum (BTZ), Soziale Integration und Alltagshilfe (SIA), sowie die Integrationsbeauftragten der Gemeinden Eupen, Kelmis und St.Vith. (red/sc)

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