Weniger Nabelschau für eine gerechtere, friedvollere Welt

<p>Die stark gestiegenen Energiepreise bringen immer mehr Menschen in Geldnöte.</p>
Die stark gestiegenen Energiepreise bringen immer mehr Menschen in Geldnöte. | Illustrationsbild: dpa

Nur wer die ominöse Glaskugel besitzt, könnte die Frage beantworten. So sind und bleiben wir als Menschen auf unser Koordinatensystem angewiesen. Doch da selbst das in letzter Zeit ins Wanken geraten ist, fällt es zum Ende des Jahres, das für uns Europäer als das schlimmste Krisenjahr seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte eingehen wird, schwer, Zukunftsprognosen zu formulieren. Da wäre zuerst der brutale Angriffskrieg Russlands gegen seinen ukrainischen Nachbarn zu nennen, ohne die anderen Kriege zu vergessen, die – wenn auch durch den Krieg auf europäischem Boden stark aus dem Fokus der Medien geraten – in Syrien, im Jemen, in Äthiopien oder dem Osten des Kongo Menschen dort das Leben zur Hölle machen. Dann wären Länder zu nennen wie Afghanistan, Libyen, Somalia, Myanmar, nicht zu vergessen Israel und Palästina und leider noch so viele mehr, in denen Menschen nur von Frieden, Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung träumen können: ohne eine konkrete Perspektive auf Verwirklichung ihrer legitimen Träume. Und all die anderen Sorgen und Nöte, die Menschen in aller Welt plagen.

Verglichen mit diesen Menschen geht es uns in Europa wirklich gut, selbst wenn das subjektive Gefühl uns nicht loslassen will, dass es gerade uns gerade „besonders dreckig“ geht: Mit dem Relativieren unserer Nöte tun wir Menschen uns bekanntlich schwer. Das wurde uns zuletzt bei der Fußball-WM in Katar wieder in Erinnerung gerufen. Dort ging es besonders lauten Zeitgenossen überspitzt formuliert in erster Linie um ein Stück Stoff. Und ein ziemliches Zerrbild von gleichen Rechten für alle. Wobei sich wieder einmal besonders eine Nation hervortat. Die ist bekannt dafür, dass man sich dort – vorausgesetzt, man hat noch eine Hand frei – gerne die Flagge schnappt und vorneweg marschiert, wenn es gilt, die Welt zu verbessern. Dass man im Eifer des Gefechts und vor lauter Fokus auf den eigenen Nabel gerne mal – wie auch in Katar – die falsche Flagge erwischt, fällt der Truppe nicht weiter auf. Es gibt in der Tat vieles, was man sich in und an Katar anders, besser wünschen würde: vorausgesetzt, man kann zumindest von sich selbst behaupten, bereits vor der eigenen Tür gekehrt zu haben.

So bleiben wir leider allzu oft in unserer eigenen Blase eingeschlossen und klagen – so betrachtet durchaus nachvollziehbar und nicht zu Unrecht – über die hohen Energiepreise und die explodierenden Kosten von Lebensmitteln und anderen Dingen, die für uns einfach dazugehören. Dass unser Hunger nach fossiler Energie, allen voran Gas um jeden Preis, Menschen in anderen Ländern und die Unternehmen, die ihnen dort ein etwas besseres, wenn auch beileibe kein gutes Leben gesichert haben, in die Not bzw. den Ruin treibt, bleibt uns weitgehend verborgen. Jedenfalls nehmen wir es in Kauf. Und tragen damit dazu bei, dass die Ungerechtigkeit in der Welt wächst, die wir doch so gerne in unserem eigenen Umfeld ausmerzen möchten.

Wenn es diese in Katar am Ende auch von einigen Journalisten vor Ort gewonnene Erkenntnis schaffen würde, dass wir unser eigenes Elendsgefühl angesichts des oft größeren Elends in der Welt ein wenig relativieren, könnte sicher das anstehende Weihnachtsfest ein Übergang in eine zumindest etwas bessere Zukunft in einer etwas gerechteren und friedvolleren Welt werden.

An dieser Stelle kommentiert der ehemalige GE-Chefredakteur Oswald Schröder das aktuelle Zeitgeschehen.

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