Trotz Fukushima-Katastrophe: Japan will Atomenergie „maximal“ nutzen

<p>Das Geothermische Kraftwerk Hatchobaru in der südwestjapanischen Präfektur Oita ist das größte des Landes.</p>
Das Geothermische Kraftwerk Hatchobaru in der südwestjapanischen Präfektur Oita ist das größte des Landes. | Foto: Lars Nicolaysen/dpa

Gewaltige Dampfschwaden steigen in den Himmel über Kokonoemachi. Hier, in den Hügeln der für ihre heißen Naturquellen berühmten Präfektur Oita auf Japans südwestlichster Hauptinsel Kyushu betreibt der Stromkonzern Kyushu Electric das Wärmekraftwerk Hatchobaru, das größte des Landes. „So wie Atomstrom kann auch die Geothermie für eine stabile Energieerzeugung sorgen“, erklärt Konzernsprecher Hirofumi Onoda und führt durch die ins Alter gekommene Anlage. Japan verfügt über die drittgrößten geothermischen Ressourcen nach den USA und Indonesien - macht davon bis heute jedoch kaum Gebrauch. Zwar will Tokio die CO2-Emissionen bis 2050 auf Null reduzieren und hierzu verstärkt erneuerbare Energiequellen nutzen, darunter die Geothermie. Zugleich aber setzt die Regierung weiter auf Atomstrom - als habe es den Super-Gau in Fukushima 2011 nie gegeben.

„Wir müssen die Kernenergie voll ausschöpfen“, gab Ministerpräsident Fumio Kishida dieser Tage als Devise aus. Zum einen will das rohstoffarme Land ähnlich wie Deutschland seine Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten verringern und Stromengpässe vermeiden. Zum anderen aber eben auch seine Emmissionsziele erreichen. Und hierzu sieht Japan ungeachtet der Erdbebengefahr und des Super-Gaus in Fukushima die Nutzung der Atomkraft als unerlässlich an. Im Klartext: die Laufzeit bestehender Meiler soll auf über 60 Jahre verlängert werden.

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima in Folge eines schweres Erdbebens und eines gewaltigen Tsunami fuhr Japan sämtliche Meiler herunter und führte strengere Sicherheitsstandards ein, die den Betrieb von Reaktoren grundsätzlich auf 40 Jahre begrenzen. Ein Weiterbetrieb um 20 Jahre ist möglich, wenn Sicherheitsverbesserungen vorgenommen werden. Die Regierung will jedoch nun die Zeit, die die Meiler nach Fukushima abgeschaltet waren, den Betreibern anrechnen. Mit anderen Worten: Die bestehenden Atommeiler könnten am Ende sogar 70 Jahre am Netz sein - womit Japan die ältesten AKW der Welt hätte.

<p>Das von einem News-Hubschrauber aus aufgenommene Foto zeigt die Reaktorgebäude Nr. 1 (rechts) und Nr. 2 des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi, das durch ein Erdbeben am 11. März 2011 beschädigt wurde.</p>
Das von einem News-Hubschrauber aus aufgenommene Foto zeigt die Reaktorgebäude Nr. 1 (rechts) und Nr. 2 des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi, das durch ein Erdbeben am 11. März 2011 beschädigt wurde. | Foto: Kyodo/dpa

Für landesweit 27 abgeschaltete Reaktoren haben die Betreiberkonzerne die Genehmigung zum Wiederanfahren beantragt. Bislang haben 17 Atomreaktoren die verschärften Sicherheitsauflagen erfüllt, 10 Meiler davon wurden inzwischen wieder ans Netz genommen. Man werde alles tun, auch die übrigen ans Netz zu bringen, so Kishida. Auch die Entwicklung und der Bau von neuartigen Atomkraftwerken wird erwogen.

Im vergangenen Fiskaljahr (1. April) trug Kernkraft zu etwa 7 Prozent zur Stromgewinnung bei. Bis 2030 soll der Anteil auf 20 bis 22 Prozent steigen. Doch so einfach ist das nicht. Für ein Wiederanfahren bestehender Atomreaktoren benötigt die Regierung zunächst die Einwilligung der örtlichen Gemeinden. Doch viele Bürger haben nach der Erfahrung in Fukushima ihre Haltung zur Atomenergie geändert und sind gegen die Atomkraft. Der Widerstand auf lokaler Ebene ist groß.

Doch auch gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien gibt es Vorbehalte und Widerstände. Beispiel Geothermie: „Viele Betreiber von Onsen (Thermalbäder mit heißen Naturquellen) befürchten, dass durch den Bau von Wärmekraftwerken das Wasser für ihre Bäder versiegt“, schildert Kyushu Electric-Sprecher Onoda. Solche Befürchtungen seien jedoch unbegründet, da die Quellen für Wärmekraftwerke in 2000 Meter Tiefe lägen, die für Thermalbäder nur in 200 Metern. „Es bedarf viel Zeit, die Onsen-Betreiber davon zu überzeugen“, so Ononda. Weiteres Hindernis für den Ausbau der Geothermie sei, dass die Quellen oft in oder nahe von Naturparks liegen, wo es rechtliche Restriktionen gebe.

Ungeachtet solcher Bedenken will die Regierung bis zum Jahr 2030 etwa 36 bis 38 Prozent aus erneuerbaren Energien gewinnen - nach rund 20 Prozent im vergangenen Jahr - 0,5 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Auch der Gouverneur von Oita, wo das Wärmekraftwerk Hatchobaru liegt, sieht sich hier in der Verantwortung. Schließlich liegt seine Präfektur bei den CO2-Emissionen pro Kopf landesweit an der Spitze. Für stabile Energieversorgung aber sei die Atomkraft unerlässlich, sagt Katsusada Hirose im Gespräch mit Journalisten. Die Frage, ob er sich eines von der Regierung erwogenen neuen Atomkraftwerke in seiner Präfektur wünsche, verneint der Gouverneur zwar nicht. Räumt aber mit Blick auf den Widerstand im Volk ein: „Es würde eine lange Zeit bedürfen, die Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen“.

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