[Video] Zum 45. Todestag von Elvis Presley: Wie ein Tiger im Käfig

<p>Elvis Presley bei einem Auftritt 1970: „Speziell wenn er 'Suspicious Mind' oder 'Polk Salad Annie' sang, ging er ab wie ein Bündel Silvesterraketen“, sagt Ed Enoch, Leadsänger des weltberühmten Stamps Quartet, das bei über 1.000 Konzerten für Presley als Backgroundchor fungierte.</p>
Elvis Presley bei einem Auftritt 1970: „Speziell wenn er 'Suspicious Mind' oder 'Polk Salad Annie' sang, ging er ab wie ein Bündel Silvesterraketen“, sagt Ed Enoch, Leadsänger des weltberühmten Stamps Quartet, das bei über 1.000 Konzerten für Presley als Backgroundchor fungierte.

Die 1950er stehen für die Kultur des Aufbegehrens. Der Drang nach Freiheit und die Rebellion gegen die bürgerliche Moral sorgen für den Urknall des Rock'n'Roll. Diese neue musikalische Bewegung verschmilzt Elemente von Blues, Swing und Country mit Erotik. Zum größten Star dieses Sounds wird ein 19-jähriger Lkw-Fahrer aus Tupelo/Mississippi: Elvis Presley.

Im Frühjahr 1954 macht er in Memphis/Tennessee die Bekanntschaft des Produzenten Sam Phillips. Der Besitzer des winzigen Sun Records Studios an der Union Avenue ist auf der Suche nach einem weißen Countrysänger, der über eine Rhythm’n‘Blues-Stimme verfügt. Im Sommer 1954 kommt Presley in den Sun Studios erstmals mit dem Gitarristen Scotty Moore und dem Bassisten Bill Black zusammen. Sam Phillips ist von den sentimentalen Liedern des jungen Sängers zunächst wenig beeindruckt. Als dieser in einer Pause am Mikrofon herumalbert und spontan die Nummer „That’s All Right (Mama)“ des farbigen Delta-Blues-Sängers Arthur Crudup intoniert, steigen Black und Moore nacheinander in die Session mit ein. In dem Moment entdeckt Phillips in Elvis‘ Stimme das gewisse Etwas: eine geheimnisvolle erotische Anziehungskraft.

<p>Elvis Presley beim legendären Auftritt am 14. Januar 1973 in Honolulu: Es war das erste via Satellit in über 40 Länder der Erde übertragene Konzert eines Solokünstlers. Archivfotos: Imago</p>
Elvis Presley beim legendären Auftritt am 14. Januar 1973 in Honolulu: Es war das erste via Satellit in über 40 Länder der Erde übertragene Konzert eines Solokünstlers. Archivfotos: Imago

Sam Phillips hat ein untrügliches Gespür dafür, wann ein Künstler seine beste Vorstellung gibt. Ihm kommt es vor allem aufs Gefühl an und nicht auf die technische Perfektion, und so sucht er stets nach der perfekten, unperfekten Aufnahme. Phillips ist ein Innovator, indem er beim Abmischen Elvis‘ Stimme zurücknimmt zugunsten der Instrumente, was damals absolut unüblich ist. Zudem verwendet er bei den Aufnahmen einen Echo-Effekt, indem er das Tonband durch einen zweiten Recorder laufen lässt.

1956 wechselt Elvis Presley schließlich vom regionalen Sun- zum nationalen RCA-Label. Seinen neuen Produzenten gelingt es jedoch nicht, den charakteristischen Sun-Records-Sound zu imitieren. Seine erste Single beim neuen Label ist „Heartbreak Hotel“. Sie entwickelt sich mit zwei Millionen verkauften Exemplaren zum größten Hit des Jahres 1956. Der Rolling Stone wählt sie in seiner Liste der 500 besten Singles aller Zeiten auf Platz 45. Am 23. März 1956 erscheint das Album „Elvis Presley“. Für sein Debüt greift der inzwischen 21 Jahre alte Sänger auf Rock’n’Roll- und Rockabilly-Songs aus der Sun-Zeit und neuere Titel zurück. Für RCA wird es der erste Millionenseller in seiner Geschichte. Für den Crooner Frank Sinatra hingegen ist der Rock’n'Roll „die brutalste, hässlichste, degenerierteste und bösartigste Ausdrucksform, die ich mir je anhören musste“.

Der Text wird unter dem Video fortgesetzt.

1959 lernt der im hessischen Friedberg stationierte GI Presley auf einer Party die erst 14-jährige Priscilla Beaulieu kennen. Sie werden zu einem der berühmtesten Liebespaare der Musikwelt. Heute, über 60 Jahre später, lässt Priscilla Presley den Kult um den King weiter leben. Zuletzt ließ sie seine Songs vom Royal Philharmonic Orchestra neu einspielen und erzürnte damit viele Hardcore-Fans. Die heute 77-Jährige hätte nicht gedacht, dass Elvis' Musik die Jahrzehnte überdauern würde. „Ich bin verdutzt, wie viele Fans er noch immer hat“, erzählt sie beim Interview in Frankfurt. „Es scheint, als würde er von der Öffentlichkeit bis heute umarmt werden. Die Menschen lieben ihn, besonders in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seine Musik war ja auch großartig. 'Heartbreak Hotel' und 'Teddy Bear' kannte ich bereits, bevor ich wusste, wie er überhaupt aussah. Elvis sang anders als jeder Sänger, den ich bis dahin gehört hatte. Frank Sinatra war das Idol meiner Eltern, aber Elvis veränderte alles. Als ich ihn dann schließlich in dem Film 'Love Me Tender' zum ersten Mal sah, dachte ich: Nicht schlecht, nicht schlecht!“

Elvis habe laut Priscilla schwarze Musik geliebt und enge Freundschaften mit Künstlern wie Fats Domino und Sammy Davis Jr. gepflegt. In einem richtigen Konzert erlebt sie ihn jedoch erst sehr spät. „Es geschah 1969 in Las Vegas. In den 1960ern drehte er ja hauptsächlich Filme. Als ich ihn schließlich in dieser 18.000 Zuschauer fassenden Halle auf die Bühne kommen sah, konnte ich es nicht glauben. Elvis wirkte auf mich wie ein Tiger im Käfig. Oh mein Gott, ich war mit dem Mann viele Jahre zusammen, aber diese Seite von ihm kannte ich bis dahin nicht!“

Der Text wird unter dem Video fortgesetzt.

Elvis ist auch legendär für seine Marotten. Er besaß zum Beispiel eine 57er Magnum. Damit soll er immer wieder auf seinen Fernseher geschossen haben. Priscilla kann diese bizarre Geschichte bestätigen: „Diese Angewohnheit hatte nichts mit seiner Künstlerpersönlichkeit zu tun, sondern mit seinem Temperament“, erzählt sie und lacht. „Wenn er schlechte Laune hatte und jemand Bestimmten im Fernsehen sah oder etwas nicht verstand, musste man damit rechnen, dass er auf den Bildschirm schoss. Er durfte das, denn er war Elvis. (lacht) Es ist nicht ständig passiert, aber wir verschlissen schon so einige Fernsehgeräte. Elvis war kompliziert, aber gleichzeitig auch einfach zu händeln. Fürwahr ein einzigartiger Charakter.“

Als das Paar am 1. Mai 1967 in einer Suite im Alladin Hotel in Las Vegas heiratet, befindet Elvis Presley sich in einer Tretmühle. Sein Manager Colonel Parker hetzt ihn von einem Filmprojekt zum nächsten, die formelhaften und mit überschaubarem Aufwand produzierten Hollywood-Streifen hießen „G.I. Blues“, „Flaming Star“ oder „Wild In The Country“, werfen aber veritable Hits wie „Can't Help Falling In Love“ und „Return To Sender“ ab. Als am 1. Februar 1968 Elvis' und Priscillas einziges gemeinsames Kind Lisa Marie geboren wird, ist ihr Vater höchst unglücklich über den Verlauf seiner Karriere.

Das sollte sich erst mit seinem „68 Comeback Special“ ändern, seiner ersten Live-Performance seit 1961. Ed Enoch, Leadsänger des weltberühmten Stamps Quartet, das von 1971 bis 1977 bei über 1.000 Konzerten für Presley als Backgroundchor fungierte, erinnert sich noch lebhaft an die späten Auftritte seines ehemaligen Chefs. „Sie waren ganz schön wild. Elvis war ein Action-Typ. Speziell wenn er 'Suspicious Mind' oder 'Polk Salad Annie' sang, ging er ab wie ein Bündel Silvesterraketen. Elvis konnte sich von einem Moment auf den nächsten von einem Rocker in einen Balladensänger verwandeln und dich unglaublich berühren. Elvis war einzigartig.“

Man weiß heute, dass Presley in seinen letzten Lebensjahren täglich einen Pillencocktail und Unmengen von Fast Food in sich hineinstopfte. Erstaunlicherweise hatte das kaum Auswirkungen auf seine Stimme. „Sobald er sang, war er ganz bei sich“, erzählt Ed Enoch. „Das Publikum ahnte nichts davon und auch wir Musiker nicht. Er gab auf der Bühne immer alles – egal, ob er gerade glücklich war oder traurig. Wir alle wussten nichts von seinem seelischen Zustand. Daran sieht man, wie professionell Elvis wirklich war.“

Der Text wird unter dem Video fortgesetzt.

Allein in seinem Todesjahr soll sein Arzt ihm 10.000 Medikamente – Schmerzmittel, Psychopharmaka, Schlaftabletten – verschrieben haben. Das war zu viel für seinen Körper: Am 16. August 1977 wurde Elvis Presley tot in seinem Badezimmer in Memphis aufgefunden. Sein Hausfotograf Ed Bonja glaubt nicht, dass sein tragisches Ende hätte verhindert werden können. Bonja: „Ich weiß, dass Red West, Sonny West und Dave Hebler versucht haben, ihn von den Pillen wegzubringen. Was passierte? Elvis schmiss sie raus. Alle um ihn herum hatten Angst, dass ihnen dasselbe passieren würde. Man konnte Elvis nichts vorschreiben. Selbst der Colonel nicht, und der war wie ein Vater für ihn.“

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