Jean-Marie Pfaff im Interview: Müssen die großen Erfolge „nur noch abholen“

<p>Jean-Marie Pfaff: „Im Land herrscht seit einigen Jahren eine große Euphorie.“</p>
Jean-Marie Pfaff: „Im Land herrscht seit einigen Jahren eine große Euphorie.“ | Foto: belga


Jean-Marie Pfaff, am Freitag beginnt die EM. Werden da Erinnerungen wach an die Turniere, bei denen sie aktiv dabei waren?


Na klar, ich habe zwei Europameisterschaften gespielt, und vor allem die EM 1980 in Italien ist mir in bester Erinnerung geblieben. Es war mein erstes großes Turnier, und wir schafften es bis ins Finale. Und das mit dem damals kleinen Fußballland Belgien.


Wollen Sie noch über das Endspiel sprechen?


Wir haben verloren, Horst Hrubesch hat mit seiner Kopfballstärke damals den Unterschied gemacht. Und vor allem sein Treffer in der letzten Minute hat uns hart getroffen. Aber als sich die erste Enttäuschung gelegt hatte, sind wir trotzdem mit Stolz nach Hause gefahren. Wir haben in Italien insgesamt ein sehr gutes Turnier gespielt.


Wo sehen Sie die Unterschiede zwischen der Mannschaft von damals und der von heute?


Ich denke, es ist schwer, diese beiden Mannschaften miteinander zu vergleichen. Allein schon die Rahmenbedingungen. Wir sind damals zur Weltmeisterschaft 1986 nach Mexiko mit insgesamt nur 30 Leuten geflogen. Da gab es keinen Torwarttrainer, wir hatten nur einen Physiotherapeuten und schlafen mussten wir auf besseren Holzpritschen. Heute reisen sie mit einer Entourage von 60 bis 70 Menschen, haben drei bis vier Physios dabei, Torwarttrainer, Mentalcoach und übernachten in den feinsten Hotels. Sportlich waren wir damals ein Team ohne die großen Stars, wir waren einfach eine Einheit. Heute haben sie mit De Bruyne, Lukaku und Witsel Spieler, die in den besten Vereinen des Kontinents Topstars sind.

„De Bruyne muss seine Kreativität ausspielen können.“


Kevin De Bruyne droht nach seiner Verletzung im Champions-League-Finale zum Auftakt auszufallen. Wie wichtig ist er für das Team von Roberto Martinez?


Ganz wichtig. Dabei ist es auch vollkommen egal, auf welcher Position ihn der Trainer einsetzt. Man sollte De Bruyne einfach frei spielen lassen, ihn nicht mit zu vielen taktischen Zwängen belasten. Er muss seine Kreativität ausspielen können.


Auch hinter einem weiteren Schlüsselspieler stehen Fragezeichen. Axel Witsel hat seit Januar kein Pflichtspiel absolviert. Trauen Sie ihm eine tragende Rolle zu?


Man muss abwarten, wie weit Witsel nach seinem Achillessehnenriss schon ist. Ist er fit und zu 100 Prozent gesund, ist er ein ganz wichtiger Bestandteil des Teams und kann so etwas wie der Stratege im Mittelfeld werden.


Im Angriff ruhen die Hoffnungen auf Romelu Lukaku von Inter Mailand. Kann er mit seinen Treffern das Zünglein an der Waage sein?


Ein toller Stürmer, der sich in Mailand zu einem der besten Angreifer Europas entwickelt hat. Ja, er kann natürlich für die nötigen Tore sorgen, aber dafür muss ihn auch die Mannschaft mit Zuspielen und Flanken unterstützen und entsprechend in Szene setzen.

„Wir haben eine der besten Mannschaften in Europa.“


Belgien war bei den vergangenen Turnieren – egal, ob WM oder EM – immer so etwas wie der Geheimfavorit. Gehört die sogenannte Goldene Generatio diesmal zum engsten Kreis der Titelanwärter?


Wir haben eine der besten Mannschaften in Europa. Viele unserer Spieler spielen bei Topklubs und sind da nicht nur Mitläufer, sondern echte Stützen und Anführer im Team. Im Land herrscht seit einigen Jahren eine große Euphorie, wenn die Leute über die Nationalmannschaft sprechen. Die Basis für große Erfolge ist gelegt, wir müssen sie nur noch abholen.


Joachim Löw geht mit der deutschen Mannschaft in sein letztes großes Turnier. Was trauen Sie der DFB-Elf in diesem Jahr zu?


Deutschland gehört wie immer zu den Favoriten auf den Turniersieg. Ob sie dieser Rolle dann auch gerecht werden können, muss man abwarten. Da gehört auch immer eine Menge Glück dazu.


Wer zählt neben ihren Belgiern für Sie zum Favoritenkreis bei der EM?


Na auf jeden Fall Deutschland, wie ich ja schon erwähnt habe. Dazu kommen aus meiner Sicht die üblichen Verdächtigen wie Italien, Spanien, Frankreich und die Niederlande. Auch England traue ich eine Menge zu. (sid/tf)

Kommentare

  • Der beldischen Nationalelf des Fußballsport fehlt genau wie damals die Disziplin um ernsthaft um den Sieg zu spielen!

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