An der Schwelle zu einer zweiten Welle?

<p>Marc Van Ranst sieht das Land am Beginn einer zweiten Corona-Welle.</p>
Marc Van Ranst sieht das Land am Beginn einer zweiten Corona-Welle. | Foto: belga

„Angesichts dieser Zahlen muss man sagen, dass wir am Anfang einer zweiten Welle stehen“, stellte Virologe Marc Van Ranst am Freitagmorgen angesichts der jüngsten Veröffentlichungen des Instituts für Volksgesundheit Sciensano fest. Mittlerweile liegt der durchschnittliche Tageswert bei 114,7 Infizierten.

Nach den neuesten Zahlen des Sciensano-Instituts für Volksgesundheit stieg die durchschnittliche tägliche Zahl der Neuinfektionen mit Covid-19 im Zeitraum vom 7. bis 13. Juli im Vergleich zur Vorwoche um 32% und erreichte 114,7 Infizierte pro Tag. „Dies ist ein absoluter Weckruf für uns alle“, sagte Van Ranst. „Es ist wirklich wichtig, Abstand zu halten, wo nötig Mundschutz zu tragen und soziale Kontakte einzuschränken. Wir wissen, dass nicht jeder diese Regeln befolgt“, so der Virologe. Hinzu komme das Problem, dass die derzeitigen Zahlen bereits Urlaubsrückkehrer umfassten: „Wir müssen dringend wissen, woher sie zurückkommen“, betonte er.

„Wellchen“: Van Laethem widerspricht Van Ranst

Laut Van Ranst gibt es noch viel zu tun, und die Zeit drängt. „Wir müssen wirklich wissen, wo diese Infektionen herkommen“, wiederholte er die Kritik der vergangenen Tage am noch immer nicht funktionierenden Kontakt-Tracing im Land. Angesichts der aktuellen Zahlen könne er sich keine weiteren Lockerungen der Corona-Maßnahmen vorstellen. Nächsten Donnerstag werde eine mögliche Verschärfung der allgemeinen Regeln auf der Tagesordnung des Nationalen Sicherheitsrats (NSR) stehen, „wenn sich die Zahlen weiter so entwickeln“, sagte er. Eine große Herausforderung bestünde darin, die Schutzmaßnahmen zu organisieren, ohne enormen wirtschaftlichen Schaden zu verursachen. „Wir werden also sehr kreativ sein müssen“, erklärte er abschließend.

Epidemiologe und Virologe Yves Van Laethem, interföderaler Sprecher für Covid-19, widersprach Van Ranst hingegen. Seitens der RTBF mit den Aussagen des Kollegen konfrontiert, erklärte er, dass dies „absolut nicht“ der Fall sei. „Wir haben eher ein ‚Wellchen‘, das sich deutlich am Horizont abzeichnet. Dieses scheint in einer Reihe flämischer Provinzen (Antwerpen, Westflandern und Limburg) relativ deutlich lokalisiert zu sein. Jetzt müssen wir vor Ort feststellen, was genau passiert“, sagt er.

Gleichwohl unterstützt auch Van Laethem die Appelle Van Ransts, die Menschen im Land sollten die grundlegenden sanitären Regeln beachten: „Abstand halten, gegebenenfalls eine Maske tragen und die Zahl der sozialen Kontakte begrenzen. Die Regel von 15 Kontakten pro Woche wurde nicht zufällig angenommen, und ich weiß, dass sich nicht alle daran halten“, fügte der Wissenschaftler hinzu. In den Augen Van Laethems sei eine weitere mögliche Maßnahme, „gefährdete Menschen“ ohne Zwang dazu aufzufordern, die Öffentlichkeit zu meiden und deren Angehörige zu bitten, „riskante Kontakte“ einzuschränken.

Auch Van Laethem spricht sich indes für gezielte Screening-Kampagnen in den derzeit am stärksten betroffenen Gebieten des Landes aus. „Sie würden es ermöglichen, die Situation besser zu verstehen“, erklärte er. Gleichzeitig könnten etwaige Quarantäneverordnungen lokal begrenzt werden.

Gesundheitsministerin Maggie De Block (Open VLD) reagierte wenig später sowohl auf die neuen Corona-Zahlen, als auch auf die Äußerungen der Wissenschaftler. Eindringlich warnte die Liberale die Bevölkerung davor, den erkennbaren Trend zu einem Aufflammen der Virusverbreitung auf die leichte Schulter zu nehmen. „Diese Zahlen sollten wie eine Alarmglocke in jedermanns Ohren läuten“, erklärte sich gegenüber dem flämischen Rundfunk. Die Entwicklung sei „sicherlich nicht gut“. Deshalb gelte es, die derzeit geltenden Schutzmaßnahmen zu „respektieren, unsere Kontakte einzuschränken und uns an die Regeln zu halten“, betonte De Block.

Auch Maggie De Block mahnt zur Vorsicht.

Angesichts der für kommenden Donnerstag angesetzten Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats (NSR) erklärte sie vielsagend: „Wir werden uns die Zahlen genau ansehen und sehen, ob die Maßnahmen verstärkt werden müssen.“ Sie hoffe, dass weitgehende Einschränkungen nicht erforderlich sein werden, gleichwohl schloss sie eine Verschärfung der geltenden Regeln explizit nicht aus. „Wir müssen an unseren Anstrengungen festhalten“, fügte sie hinzu.

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment