Bernard Marchant: „Wir werden immer auf die Unabhängigkeit achten“


Herr Marchant, das Grenz-Echo durchlebt die gleiche Krise, die die gesamte geschriebene Presse erfasst hat, baut aber gleichzeitig ein neues Medienhaus. Wie passt das zusammen?


Dass das GrenzEcho in der Krise sei, ist eine Wahrnehmung, die manche Menschen haben. Es stimmt, dass die gesamte Medienlandschaft sich seit 20 Jahren großen Herausforderungen gegenüber sieht; unser ganzes Umfeld hat sich verändert - genauso wie die Art und Weise, Medien zu konsumieren. Die Digitalisierung ist eine Chance und gleichzeitig ein Risiko. Eine wahnsinnige Chance, weil man den Leser viel direkter und viel regelmäßiger erreichen kann. Früher kam morgens eine Zeitung raus, die abends gedruckt worden war. Heute können wir unser Ziel, so viele Menschen wie möglich so oft wie möglich zu erreichen, einfacher umsetzen. Das geht aber mit großen Risiken einher. Wir müssen uns ein neues Umfeld schaffen, mit neuen Konkurrenten. Ich erinnere daran, dass die geschriebene Presse um ihre Journalisten herum ein Umfeld schaffen muss, dass es ihnen erlaubt, unabhängig, dynamisch und voluntaristisch zu arbeiten. Unsere Aufgabe als Herausgeber ist es, ein solches Umfeld für einen längeren Zeitraum, fünf, zehn, 20 Jahre einzurichten. Die Papierzeitung ist immer noch da, aber es ist etwas ganz anders, seine Zeitung auf Tablet oder dem Smartphone zu konsumieren. Wir müssen ein Ökosystem bauen, in dem diese Medien komplementär funktionieren. Das erfordert Investitionen sowohl in die Werkzeuge aber auch in die Qualität der Information und der Journalisten, die sie erstellen.


Das GrenzEcho investiert aber auch in Gebäude...


Auch eine Immobilie verlangt nach Management, genau wie eine Tageszeitung. Und wenn wir nicht in das Gebäude in Eupen investieren, steht da irgendwann eine Ruine. Das GrenzEcho alleine hat aber nicht die Mittel, auf der einen Seite in die Produktionsmittel und das Personal, und auf der anderen Millionen Euro in seinen Immobilienpark zu investieren. Das ist der Grund, warum wir uns als Aktionäre dafür entscheiden haben, dass das GrenzEcho in Menschen und Werkzeuge investiert, und dass wir mit dem Gebäude ein Immobilienprojekt machen, nicht zuletzt, um im Stadtzentrum zu bleiben. Wir haben es also vorgezogen, mitten im Zentrum für die Belegschaft ein modernes Arbeitsumfeld zu schaffen: imin Interaktion mit der Stadt. Wir haben uns also für eine Aufspaltung entschieden. Die Umwandlung des GrenzEcho als Zeitung muss schnell geschehen. Hier hatte sich einiges an Rückstand angesammelt, Rossel stellt hier sein Wissen und Können zur Verfügung. Wenn man aber in Steine investiert, ist das für 20 oder 30 Jahre, nur so rechnet sich das. Deshalb die zweigleisige Herangehensweise.


Was wird denn unternommen, um die Qualität der Information zu verbessern?


Wir sind seit vielen Monaten damit beschäftigt, dem Grenz-Echo die Produktionsmittel in die Hand zu geben, damit es seine Information und die Werbung über verschiedene Kanäle an seine Leser vermitteln kann. Heutzutage muss man in der Lage sein, kostenlosen und bezahlten Inhalt dynamisch und über verschiedene Kanäle zu verteilen. Für eine Zeitung der Größenordnung des GrenzEcho ist es extrem schwierig, solche Investitionen alleine zu schultern. Aus diesem Grund sieht man auch große Konsolidierungseffekte in der Medienlandschaft. Man braucht eine größere kritische Masse. Es ist wichtig, dass das GrenzEcho auf die Werkzeuge und Plattformen der Rossel-Gruppe zurückgreifen kann. Dem Journalisten wird der Zugang zu den verschiedenen Verbreitungskanälen und Medien dadurch erleichtert, auf der anderen Seite profitiert die Abonnentenverwaltung und die Werbeabteilung. Wir haben heute Konkurrenten wie Google oder Facebook, und wir müssen beweisen, dass wir mindestens so gut wie diese in unserem Umfeld sind. Die operieren global, unsere Stärke ist die Nähe. Ein GrenzEcho muss hier stark aufgestellt sein.


Wenn ich Sie richtig verstehe, wäre das GrenzEcho nicht überlebensfähig, wenn es nicht in eine größere Gruppe wie beispielweise Rossel integriert wäre.


Wir von Rossel müssen in dieser Frage eine große Demut bewahren. Es ist aber klar, dass ein kleiner Zeitungsverlag es schwer hat. Wir investieren jährlich bei Rossel 20 Millionen Euro in unsere digitalen Plattformen. Wir mögen zwar in Belgien zu den Großen zählen, in Europa gehören wir zu den Kleinsten der Klasse. Rossel ist selbst in eine ganze Reihe von Partnerschaften eingebunden und wir investieren nicht alleine. Weil selbst wir die kritische Größe nicht haben. Uns ist, auch im Fall des GrenzEcho, wichtig, dass wir unsere Leute nahe am Leser und am Werbekunden haben. So wollen wir den Unterschied machen. Wir wollen diese Präsenz in der dritten belgischen Sprachregion, die wichtig ist, und wir wissen, das es sich nicht einmal um ein homogenes Gebiet handelt. Wir spielen den Trumpf der Nähe und stellen auf der anderen Seite sicher, dass wir die notwendige Effizienz durch das Nutzen von gemeinsamen Werkzeugen erreichen.


Das GrenzEcho soll, so steht es zumindest im Haushaltsentwurf der DG, mehr Geld ab 2020 bekommen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, soll dieses Geld nicht in Steine investiert werden.


(lacht) Ich weiß nicht, wie man auf diese Idee kommen kann. Das hätte man vielleicht früher so denken können, aber jetzt sicher nicht mehr, weil die Immobilie von dem Tagesgeschäft getrennt wurde. Es wäre technisch also gar nicht möglich. Um die Steine zu erneuern gehen wir – stellen Sie sich vor – zu den Banken. Und das ist heutzutage ja auch nicht schwierig. Es wäre auch sehr ungesund, wenn öffentliches Geld nicht da an der richtigen Stelle ankommen würde. Ich denke auch, dass die ostbelgische Bevölkerung hierin der Regierung trauen kann, dass die das prüft, ehe sie uns Geld gibt. Und das sollte in die unabhängige Arbeit der Journalisten und nicht in Bauprojekte fließen. Das noch: Das Gebäude wird das GrenzEcho in Zukunft weit weniger an Miete kosten, als das Grenz-Echo heute als Inhaber für Unterhalt, Heizung, Steuern usw. ausgibt. Die notwendige Hilfe muss uns als unabhängigem Medienhaus helfen, in menschliche Ressourcen zu investieren, die nahe am Leser sind. Das, was in Sachen Medienbeihilfe in der Deutschsprachigen Gemeinschaft passiert, ist im Übrigen vergleichbar oder gar weniger als das, was in anderen Regionen und Ländern praktiziert wird. Das Geld der Gemeinschaft ist gut angelegt. Klar, man muss einen Unterschied machen zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien. Das GrenzEcho ist sicher eines der am wenigsten subsidierten Medienhäuser in Europa.


Zu den Rossel-Genen gehört die Unabhängigkeit. Wie ist das mit staatlichen Zuschüssen vereinbar?


Der Zuschuss hilft uns zu investieren. Er ist in keinem Fall unverzichtbar. Der Betrag ist nicht klein, jeder Euro zählt für uns, aber er macht uns nicht abhängig. Dieser Zuschuss entspricht dem Umsatz mit einem großen Werbekunden. Wir sind in vielerlei Hinsicht abhängig, in erster Linie von unseren Lesern. Die tragen auch den größten Batzen zu unserem Ergebnis bei. Der Leser kommt also zuerst. Wir schulden ihm unsere Unabhängigkeit. Die Politik setzt, mit ihrer Unterstützung unseres Wandels, ein Zeichen, und zwar, dass sie in unabhängige Medien glaubt, im Sinne von ‘Wir geben nicht alles an die öffentlich-rechtlichen Medien, sondern auch an privat-rechtliche’. Wir hängen also nicht mehr von einer Regierung ab als von einem unserer Werbekunden. Wir tragen ja auch zum Reichtum der Region bei. Anders als Google oder Facebook, die viel von der Substanz nehmen, aber nichts zurückgeben. Das Geld, das wir einnehmen, investieren wir wieder in der Region.


Das GrenzEcho würde also auch ohne diesen Zuschuss überleben...


Natürlich, in all unseren Berechnungen werden wir immer auf unsere Unabhängigkeit achten, ob von einem Kunden oder einer Institution. Unsere Unabhängigkeit ist nicht verhandelbar.


Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen: Wie oder wo sehen Sie das GrenzEcho in fünf, zehn oder 20 Jahren?


Wir bauen darauf auf, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft eine starke, besondere Identität hat. Wir setzen alles daran, dass unsere Journalisten eine dynamische Information für unsere Leser entwickeln, die dazu beiträgt, dass die Identität, das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen stark bleibt. Es gibt da eine wechselseitige Beziehung zwischen uns und den Lesern, die informiert bleiben wollen. Information ist nicht kostenlos, sie hat einen Preis. Von Berufsjournalisten aufgearbeitete Information bleibt ein wichtiger Vektor der Demokratie, im Zusammenspiel zwischen Bürgern und den sie regierenden Institutionen. Persönlich kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Gemeinschaft, in der das Presseorgan mit kritischer, dynamischer Berichterstattung zum Leben dieser Gemeinschaft beiträgt, ohne ein solches Medium existieren kann. Wir nehmen teil an der Meinungsbildung von Gemeinschaften. Pluralismus ist dabei wichtig, es braucht mehrere Informationskanäle. Ich bin mir sicher, dass das Grenz-Echo und dass Rossel auch in fünf, zehn, 15 Jahren... noch da sein wird – mit Rossel, wenn Rossel dann noch der richtige Partner für das GrenzEcho ist. Wir sind seit 130 Jahren Verleger und haben keinerlei Pläne, damit aufzuhören.

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment