Heftiger Rechtsruck bei Parlamentswahl in Portugal erwartet

<p>Luis Montenegro, Vorsitzender der Mitte-Rechts-Koalition der Demokratischen Allianz, zeigt das Peace-Zeichen vor seinen Anhängern während einer Wahlkampfabschlusskundgebung.</p>
Luis Montenegro, Vorsitzender der Mitte-Rechts-Koalition der Demokratischen Allianz, zeigt das Peace-Zeichen vor seinen Anhängern während einer Wahlkampfabschlusskundgebung. | Foto: Armando Franca/AP/dpa

Die vorgezogene Parlamentswahl in Portugal steht am Sonntag im Zeichen der Sorge und der Ungewissheit. Fast alle Umfragen sagten vor der Abstimmung eine Niederlage der noch regierenden Sozialistischen Partei (PS), einen kräftigen Rechtsruck mit nennenswerten Stimmengewinnen für die Populisten von Chega (Es reicht) sowie eine sehr schwierige Regierungsbildung voraus. Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hatte die Neuwahl im November ausgerufen, nachdem Ministerpräsident António Costa im Zuge eines Korruptionsskandals zurückgetreten und nur geschäftsführend im Amt geblieben war.

Wenn die Meinungsforschungsinstitute Recht behalten, wird sich das konservative Bündnis Demokratische Allianz (AD) von Spitzenkandidat Luis Montenegro mit 30 bis 35 Prozent der Stimmen knapp vor der PS von Pedro Nuno Santos durchsetzen. Die absolute Mehrheit, die die seit gut acht Jahren regierenden Sozialisten Anfang 2022 errungen hatten, werden die beiden Hauptkonkurrenten demnach allerdings um Längen verpassen.

Um von Rebelo de Sousa zum neuen Regierungschef ernannt zu werden, würden sowohl Montenegro als auch Santos also auf Abkommen mit kleineren Parteien angewiesen sein. Aber auch die dürften den Erhebungen zufolge kaum ausreichen. Der Grund? Die vom früheren TV-Sportkommentator André Ventura angeführte Chega könnte sich laut den Umfragen von gut sieben auf 15 bis 20 Prozent verbessern. Und da es in Portugal weiterhin eine sogenannte Brandmauer nach rechts gibt, würde in dem Fall wohl keine ausreichend starke Koalition in Sicht sein. Nicht wenige Beobachter sagen vor diesem Hintergrund bereits eine Neuwahl im Sommer voraus.

Wie konnten es die Sozialisten, die im In- und Ausland für das „portugiesische Wunder“ gefeiert wurden, so schnell so weit kommen lassen? Nach den schweren Jahren der Eurokrise hatte Costa Portugal jahrelang sehr solide geführt. Ausgabendisziplin, aber auch soziale Verantwortung zeichneten seine Arbeit aus. Die Wirtschaft wuchs all die Jahre fast immer über EU-Schnitt, die Arbeitslosigkeit wurde stetig zurückgeschraubt.

Gleich mehrere Korruptionsskandale unter anderem bei der staatlichen Fluggesellschaft TAP machten aber alles zunichte. Der traurige Höhepunkt kam im November, als Costa über den Verdacht der Korruption bei Lithium- und Wasserstoff-Projekten stolperte.

Nach jüngstem Ermittlungsstand hat sich der 62-Jährige persönlich zwar nichts zuschulden kommen lassen. Bei der Wahl der 230 Abgeordneten der „Assembleia da República“ werden viele der 10,8 Millionen Stimmberechtigten im In- und Ausland am Sonntag aber auch viele andere Probleme im Kopf haben - darunter die schlimme Wohnungsnot und die Inflation, die das Niedriglohnland besonders hart treffen und dort laut Beobachtern den Nährboden für den Rechtsruck bieten. Seit Ende der Pandemie wird Portugal von einer zunehmenden Streikwelle überrollt, Ärzte, Lehrer, Polizisten und viele andere protestieren immer lauter. (dpa/calü)

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