BS-Schüler aus China zurück: "Wir wurden wie Stars behandelt"



Am Karsamstag war die Delegation aus St.Vith vom Flughafen Düsseldorf aus nach Peking aufgebrochen. Neben den drei Abiturientinnen waren ferner Cleo Faymonville (ebenfalls 6. Jahr), Rachel Habsch, Lara Cravatte, Tobias Feyen (alle 5. Jahr), Lars Wiesemes (4. Jahr) und als Begleitpersonen Joachim Palm, die Chinesisch-Lehrerin Jiang Chen und ihre Kollegin Sandra Schmatz mit von der Partie. Direktor Roland Lentz musste aus gesundheitlichen Gründen leider passen.

Von der chinesischen Hauptstadt ging es gleich weiter in die rund eine Stunde weiter südlich gelegene Provinzstadt Cangzhou mit ihren immerhin knapp sieben Millionen Einwohnern. In ihrer Heimatstadt hatte Jiang Chen mit der Cangzhou No. 2 Senior School eine Partnerschule für den Schüleraustausch ausfindig gemacht, der nach Möglichkeit in eine dauerhafte Partnerschaft zwischen beiden Schulen münden soll.

„Ausschlaggebend dafür wird sein, dass in der Cangzhou No. 2 Senior School neben Englisch- auch Deutschunterricht angeboten wird, was derzeit leider noch nicht der Fall ist“, erklärt Roland Lentz. Chen Jiang fügt hinzu: „Sinn und Zweck eines solchen Austauschs ist, dass unsere Schüler versuchen, die chinesische Sprache im Alltag zu benutzen, die chinesische Kultur und das normale Leben dort kennenzulernen.“

Während die Schülerinnen und Schüler in Gastfamilien empfangen wurden, übernachteten ihre Begleitpersonen in Räumlichkeiten, die von der Schule zur Verfügung gestellt wurden. Dass sie in einer „anderen Welt“ gelandet waren, wurde den St.Vithern gleich am ersten Tag bewusst. „An der Oberstufe der Cangzhou No.2 School sind 4.300 Schüler eingeschrieben, der Unterricht wird in Klassen mit 50 bis 70 Schülern erteilt“, staunten Celine Peren, Anne-Jil Clohse und Alicia Mersch nicht schlecht. Und Unterricht ist an sieben Tagen die Woche, nur samstags und sonntags gibt es jeweils einen halben Tag Freizeit.

Ein Erlebnis war der Fahnenappell am Montagmorgen. „Alle Schüler standen in Reih und Glied, hörten Reden zu und sangen oder besser schrien zu lauter Musik.“

Der Unterricht beginnt in der Regel um 7.20 Uhr und endet um 17.40 Uhr. Sowohl davor als auch danach gibt es ein Pflichtstudium. Ein strenges, voll auf Leistung ausgerichtetes Regime. „Deshalb bin ich auch mit einer total positiven Einstellung nach Hause gekommen“, lacht Alicia Mersch. Langfristig mit den chinesischen Altersgenossen zu tauschen, scheint auf den ersten Blick keine Option zu sein.

Schuluniformen sind in China nach wie vor ebenso üblich wie die tägliche körperliche Ertüchtigung. „Vier Mal täglich um den Block zu laufen, kam uns dann doch etwas komisch vor.“ Uniformen tragen mussten die ostbelgischen Schülerinnen zwar nicht, aber eine gewisse Kleiderordnung galt auch für sie: „Hosen mit Löchern oder Miniröcke kommen in China nicht infrage“, weiß Lehrerin Chen Jiang.

Und natürlich bemühten sich die Gäste aus St.Vith, ihre in zwei wöchentlichen Stunden erworbenen Chinesisch-Grundkenntnisse auch im Alltag anzuwenden. „Wir haben in den drei Jahren schon einige Zeichen gelernt, aber sich verständlich zu machen, gestaltete sich in der Praxis schon schwierig“, geben unsere Gesprächspartnerinnen offen zu. „Das lag vor allem an der Betonung. Bei vier verschiedenen Tonlagen den richtigen Ton zu treffen, ist offenbar schwieriger, als wir dachten.“

Dennoch war es für alle eine interessante Erfahrung, der einen oder anderen Unterrichtsstunde, etwa in Physik oder Kunst, beizuwohnen. „Der Respekt vor den Lehrern war beeindruckend und wenn ein Schüler eine korrekte Antwort gab, wurde in der Klasse applaudiert“, so eine weitere sonderbare Feststellung. Selbst einen Kung-Fu-Kurs hatten die Gastgeber für den Besuch aus Ostbelgien vorgesehen.

Neben den schulischen Aktivitäten blieb aber auch genug Raum für die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten, den Besuch einer Hochschule für Lehramt oder eines Kindergartens mit Austausch über die Begebenheiten vor Ort. Der nächste Kulturschock wartete dann aber schon in der Stadt: „Die Chinesen sind ja insgesamt sehr besonnen und höflich, im Straßenverkehr scheinen sie dagegen keine Regeln zu kennen“, hat Anne-Jil Clohse festgestellt. „Es wird links wie rechts überholt und wenn es an einer Ampel stockt, wird gleich gehupt. Das war schon ein krasser Gegensatz zur Disziplin, die in der Schule vorherrschte.“

In ihren Gastfamilien machten die Ostbelgierinnen die Erfahrung, was es heißt, auf relativ engem Raum zusammenzuwohnen. „Die Wohnungen, gerade in den Städten, sind schon sehr klein. Dafür wurden wir fast schon fürstlich bekocht, bis zu drei Mal am Tag und auch sonst ließ man es uns an nichts fehlen. Schon nach wenigen Tagen hatte man den Eindruck, zu Hause zu sein – diese Gastfreundschaft war schon phänomenal.“ Doch auch die St.Vither waren nicht mit leeren Händen gekommen. „Weil Ostern war, hatten wir Schokoladeneier im Gepäck, um unsere Gastgeber gleich am ersten Tag mit diesem Brauch bekannt zu machen. Die Ostereier in der Schule zu verstecken, war ein Heidenspaß, doch leider hatten wir nicht für jeden eins dabei…“

In Canghzou, wohin sich sonst nur selten Ausländer verlaufen, waren die St.Vither übrigens eine echte Attraktion: „Das war manchmal nicht mehr normal. Jeder wollte mit uns aufs Foto, wir wurden belagert wie Stars und am Ende mussten wir sogar Autogramme schreiben.“

Die beiden letzten Tage vor der Heimreise verbrachten die ostbelgische Delegation in Peking, wo ein Besuch der Verbotenen Stadt, des kaiserlichen Sommerpalastes und des Olympiaparks nicht fehlen durfte. Als absolutes Highlight wurde aber der Abstecher zur Chinesischen Mauer empfunden.

Dass man an diesen bekannten Sehenswürdigkeiten, aber auch in der U-Bahn, strengen Personenkontrollen unterworfen wurde, wird ebenso in Erinnerung bleiben wie in der Tatsache, dass selbst in den hochmodernen Shopping Malls der vermeintlichen Weltmetropole Peking der elektronische Zahlungsverkehr nicht funktioniert. „China ist so gesehen schon ein Land der Gegensätze“, haben die Abiturientinnen bei ihrer ersten Berührung mit dem „Reich der Mitte“ festgestellt.

Über allem stehe aber die beispiellose Gastfreundschaft, „und da werden wir uns schon mächtig ins Zeug legen müssen, wenn wir Ende September eine Delegation aus Canghzou zum Gegenbesuch in St.Vith erwarten“, weiß Joachim Palm. Das Programm steht schon, nur die Teilnehmer sind noch nicht bekannt.