Die Formel 1 und das Big Business

<p>Im November diesen Jahres gastiert der Rennzirkus zum ersten Mal auch in Las Vegas.</p>
Im November diesen Jahres gastiert der Rennzirkus zum ersten Mal auch in Las Vegas. | Foto: afp

Vor sechs Jahren gab es eine Vision. Manch einer sprach von Utopie. Jedes einzelne Formel-1-Rennen, ließen die neuen Mehrheitseigner von Liberty Media verlauten, solle sein „wie ein Super Bowl“. Ein Mega-Event also, elektrisierend, toller Sport, tolle Show.

Vor Beginn der Saison 2023 muss man sagen: Viel größer geht es nicht mehr. Es gibt Interessenten für mindestens 30 Rennen, die Tribünen sind voll. Automobil-Riesen stehen Schlange, Audi und Ford haben sich für 2026 schon ihren Platz gesichert. Cadillac würde gern dazustoßen, am liebsten mit der US-Institution Andretti.

Überhaupt, die USA: Drei Rennen gibt es in diesem Jahr im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das so lange mit der Königsklasse gefremdelt hat. Das Highlight ist der erstmals ausgetragene Grand Prix auf dem Strip in Las Vegas (18. November). „Das wird eines der größten, wenn nicht das größte Rennen“, schwärmt Rekordweltmeister Lewis Hamilton.

Die Netflix-Serie „Drive to Survive“ - die fünfte Staffel ist gerade online - hat der Formel 1 sicher nicht geschadet. Doch auch innerhalb des PS-Zirkus ist viel richtig gelaufen. Die Zeiten, in denen man für einen symbolischen Dollar einen Scherbenhaufen mit angeschlossener Rennwagenfabrik erwerben konnte, sind vorbei. „Ich glaube nicht, dass man heute ein Team für weniger als 500 Millionen Pfund kaufen kann“, schätzt Formel-1-CEO Greg Maffei.

Der 2021 eingeführte Budgetdeckel hat sich als heilsam erwiesen. Selbst kleine Überschreitungen können schmerzhafte Strafen nach sich ziehen, Red Bull hat es erfahren: Der Weltmeisterrennstall darf in diesem Jahr kaum noch im Windkanal testen.

Zugleich wachsen die Einnahmen der Serie stetig, 2021 waren es fast zwei Milliarden Euro. Das Geld wandert natürlich auch in die Kassen der zehn Teams. Und die wollen den Kreis der Profiteure möglichst exklusiv halten, was zuletzt zu Spannungen mit dem Weltverband FIA führte, der gern bis zu zwölf Rennställe dabei hätte.

Die Einnahmen sind aber auch nur deshalb so hoch, weil die Formel 1 am Limit agiert. Am Sonntag (16.00 Uhr MEZ) beginnt in Bahrain eine 23 Rennen umfassende Rekordsaison. Dabei wird es kaum bleiben. Kyalami in Südafrika wird 2024 zurückerwartet. Auch China hat vertraglich seinen Platz sicher.

Dafür müssten Standorte weichen, die nicht so viel Antrittsgeld überweisen (können). Die belgische Kultstrecke in Spa wackelt erheblich, selbst Monaco musste sich strecken, Deutschland ist seit drei Jahren schon raus.

Wenn der einstige Kernmarkt Europa mit seinen vergleichsweise kurzen Wegen aber immer kleiner wird, wächst auch der CO2-Ausstoß. Transport und Logistik machen schon jetzt mit 70 Prozent den Löwenanteil aus - das reine Rennfahren nur rund ein Prozent.

In diesem Jahr kommen mehr als 120.000 Kilometer zusammen, addiert man nur die Reisen von Rennen zu Rennen. Die Motorsport-Königsklasse, die sich CO2-Neutralität bis 2030 zum Ziel gesetzt hat und damit PR macht, kann vor allem bei der Kalendergestaltung noch justieren. Im Frühjahr etwa geht es von Melbourne über Baku und Miami nach Imola.

Ein regionalisierter Kalender könnte CO2 einsparen, er würde aber auch Einnahmen kosten, denn viele Promoter zahlen für einen Wunschtermin. „Das Wetter beeinflusst unsere Verkaufszahlen unmittelbar“, sagt etwa Arif Rahimow, Promoter des Grand Prix von Aserbaidschan.

Als technologischer Sport setzt die Formel 1 vor allem auf Innovationen. 2022 wurde ein E10-Treibstoff eingeführt, der zu zehn Prozent aus nachhaltigem Ethanol besteht. Ab 2026 ist geplant, mit 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff zu fahren. Das Ziel: Der Nutzen für den Planeten muss größer sein als der Schaden durch die Show. Dann kann die nämlich ungebremst weitergehen. (sid/jod)

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