Pakistan braucht Milliarden wegen der Folgen des Klimawandels

<p>Menschen gehen in der pakistanischen Stadt Nasirabad durch eine Straße, die durch schwere Monsunregenfälle überschwemmt wurde.</p>
Menschen gehen in der pakistanischen Stadt Nasirabad durch eine Straße, die durch schwere Monsunregenfälle überschwemmt wurde. | Foto: dpa

Knapp ein halbes Jahr nach den verheerenden Überschwemmungen in Pakistan lebt Hajra Mirjat mit ihrer Familie noch unter freiem Himmel. „Wir haben bei den Überschwemmungen alles verloren und wir sehen nicht, wie wir unser Leben wieder aufbauen können“, sagt die Mutter von drei Kindern. Sie lebt in Tando Allahyar, rund 200 Kilometer nordöstlich der Hafenstadt Karachi, in der am schwersten getroffenen Provinz Sindh. Sie ist eine von rund 33 Millionen Einwohnern, die teils alles verloren haben.

Bei einer UN-Konferenz in Genf sollen an diesem Montag Milliarden für den Wiederaufbau gesammelt werden. „Dies war eine klimabedingte Katastrophe, es ist also ein globales Problem“, sagte der Vertreter des UN-Nothilfebüros in Pakistan, Knut Ostby, in Genf.

„Mein Mann und ich sprechen jeden Tag darüber, wegzuziehen, aber ohne Geld können wir nirgendwo hin“, sagt die 32-Jährige unter Tränen. Noch immer seien die Äcker überflutet. Ihr Mann sei Tagelöhner und kehre abends oft mit leeren Händen heim. Nur ein paar Zeltplanen schützen die Familie vor der Witterung. Sie hätten nur Geld für eine Mahlzeit am Tag, die Kinder gingen oft hungrig schlafen.

Nach heftigen Monsunregen stand in Pakistan im Sommer 2022 zeitweise ein Drittel des Landes unter Wasser. Zum Vergleich: das Land ist nach Fläche mehr als doppelt so groß wie Deutschland. Die südlichen Provinzen Sindh und Baluchistan erlebten im August sieben bis acht mal so viel Regen wie sonst üblich. Der Fluss Indus überschwemmte tausende Quadratkilometer Land.

Nach Behördenangaben kamen mehr als 1.700 Menschen ums Leben, acht Millionen mussten vor den Fluten ihre Städte und Dörfer verlassen. Mehr als zwei Millionen Häuser, 13.000 Kilometer Straßen, fast 450 Brücken und mehr als 1,6 Millionen Hektar Agrarland sowie Kliniken und Trinkwasserreservoirs wurden beschädigt oder zerstört.

Die Vereinten Nationen fürchten, dass wegen der Katastrophe zusätzlich 9 der 225 Millionen Einwohner in die Armut abrutschen. Das Land steht auf Platz 161 von 191 Ländern auf dem Index der menschlichen Entwicklung des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP).

Das Vertrauen der Gesellschaft in die politische Führung ist nicht groß. Millionen Menschen leben ohne Aussicht auf Besserung als Tagelöhner in bitterer Armut. Ein beträchtlicher Teil des Staatshaushalts wird für das mächtige Militär ausgegeben, das über Atomwaffen verfügt. Kurz vor den Überschwemmungen kam ein Bündnis aus Politikern an die Macht, die sich in der Vergangenheit immer wieder gegen Korruptionsvorwürfe wehren mussten.

Bei aller Kritik an der Regierungsführung und den Finanzprioritäten ist aber klar: Pakistan hat immer schon Unwetterkatastrophen erlebt, sie werden durch den Klimawandel deutlich verschärft. Und dazu hat Pakistan selbst praktisch nichts beigetragen. Ein Team um die deutsche Klimaforscherin Friederike Otto hat berechnet, dass der Klimawandel die maximale Regenmenge über einen Fünf-Tage-Zeitraum in den südlichen Provinzen um bis zu 50 Prozent erhöht hat.

„Kein Land hat so ein Schicksal verdient, aber besonders kein Land wie Pakistan, dass praktisch nichts zum Klimawandel und dem Temperaturanstieg beigetragen hat“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres bei einem Besuch im Krisengebiet. Für den Anstieg der Temperaturen sind vor allem die Industrieländer verantwortlich. Sie haben die Industrialisierung mit fossiler Energie vorangetrieben und dadurch den großen Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase verursacht. Inzwischen tragen auch China, Indien und andere Länder zum Anstieg der Treibhausgase bei.

Die Nothilfe nach den Überschwemmungen kam nur schleppend voran. Von den 470 Millionen Dollar der Soforthilfen, die die UN veranschlagten, kam weniger als die Hälfte zusammen. Nun geht es um langfristige Hilfe. Pakistan will das Land für die Zukunft gegen ähnliche Katastrophen besser wappnen. Dafür sind nach ihren Schätzungen gut 16 Milliarden Dollar nötig. Die Hälfte will Pakistan selbst aufbringen, der Rest soll von ausländischen Partnern kommen. Als erstes soll das teils unter Schlammschichten liegende Agrarland wieder hergestellt werden, damit die Menschen ihren Lebensunterhalt wieder verdienen können. Ebenso sollen neue Schulen, Kliniken, Häuser und Straßen so gebaut werden, dass sie neuen Überschwemmungen standhalten können. (dpa/kupo)

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