„Noch ein Schritt“: Italienische Löwen vom Titelhunger gepackt

<p>Italien feierte den Finaleinzug bis tief in die Nacht.</p>
Italien feierte den Finaleinzug bis tief in die Nacht. | Foto: belga

Als Jorginho mit einem Elfmeter für die Ewigkeit Italien die bislang magischste aller Nächte bescherte, hielt es auch Leonardo Spinazzola kaum noch auf dem heimischen Sofa. Nur der schwere Gips um die frisch geflickte Achillessehne verhinderte, dass der verletzte EM-Star so ausflippte, wie es Millionen tobende Tifosi in den Wohnzimmern und auf den Straßen Italiens im ekstatischen Siegesrausch taten.

Die Fans hatten genau wie ihre unbezwingbaren Helden im Londoner Wembley-Stadion zuerst 120 Minuten gelitten, dann im Elfmeter-Thriller gezittert und nach Jorginhos Schuss ins Glück ausgiebig gefeiert. „Es war“, schrieb La Repubblica, „als wären wir wie Geisterfahrer unterwegs, auf der Straße zur Dämmerung. Dabei war es die Autobahn ins Endspiel.“

„Es fehlt nur noch ein Schritt, bis wir unseren Traum erreichen.“

Der Einzug ins Finale durch ein schwer erkämpftes 4:2 im Elfmeterschießen (1:1 n.V.) gegen starke Spanier lässt Italien mehr denn je vom zweiten EM-Titel nach 1968 träumen. „Die italienischen Löwen bezwingen die spanischen Stiere“, schrieb die Zeitung Tuttosport – und Löwen-Dompteur Roberto Mancini verteilte nach dem „bislang härtesten Spiel“ Zuckerbrot und Peitsche. „Mein Dank gilt den Spielern, sie haben vom ersten Tag daran geglaubt, dass wir etwas Unglaubliches schaffen können“, sagte der Nationaltrainer, ehe er mit etwas strengerer Miene ergänzte: „Wir haben noch nichts erreicht.“ Sein Torhüter und Elfmeter-Killer Gianluigi Donnarumma hat die Botschaft verstanden: „Es fehlt nur noch ein Schritt, bis wir unseren Traum erreichen.“

Im Finale am Sonntag (21 Uhr) gegen den Sieger des zweiten Halbfinals zwischen England und Dänemark will die seit 33 Spielen ungeschlagene Squadra Azzurra endgültig eine Sehnsucht stillen. „Wir müssen den gleichen Willen, die gleichen Opfer bringen, um das zurückzuholen, was Italien 50 Jahre lang gefehlt hat“, sagte Verteidiger Leonardo Bonucci. Seine Teamkollegen tanzten derweil wie wild auf dem Rasen. Sie streiften sich Spinazzola-Trikots über, sangen für ihren verletzten Teamkollegen und lösten bei ihm vor dem TV ein „einmaliges Gefühl“ aus. Der Zusammenhalt sei „unser größter Trumpf“, meinte 1:0-Torschütze Federico Chiesa, dessen Vater Enrico auch schon bei einer EM (1996) und ebenfalls in Wembley getroffen hatte.

Doch ganz beendet ist das „azurblaue Märchen“ (Gazzetta dello Sport) noch nicht. Noch fehlt das große Happy End. Für den finalen Akt müssten sich seine Spieler nun erholen, meinte Mancini, denn: „Spanien hat uns vor große Probleme gestellt. Wir wussten, dass wir alles reinhauen und leiden müssen, das haben wir getan.“ Vielleicht war in dieser magischen Dienstagnacht aber auch „Gott ein Italiener“ (Corriere della Sera). In jedem Fall zeigten Jorginho und Co., dass sie auch auf typisch italienische Art gewinnen können, nachdem sie bis dahin mit erfrischendem Angriffsfußball durchs Turnier gestürmt waren. Das macht sie für den kommenden Gegner nur noch unangenehmer. „Das Finale gehört uns“, schrieb der Corriere dello Sport in freudiger Erwartung auf eine finale „Notte Magica“. (sid/tf)

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