Denkfehler

Sehr geehrter Herr Schröder, aus Anlass ihres Kommentars mit dem bezeichnenden Titel „Den Dialog suchen statt Brandbomben zu werfen“ muss ich mich zu ihren Äußerungen einbringen. In Ihrem gutgemeinten Plädoyer zu Toleranz gegenüber den Andersdenkenden übersehen Sie Grundsätzliches: Dialog findet nicht nur statt, wenn die Bereitschaft dazu besteht, sondern vor allem, wenn die Dialogpartner über Basisbegrifflichkeiten überein sind.

Wenn Termini anders definiert werden, wenn z.B. „Freiheit“ für den einen etwas ganz anderes bedeutet als für den anderen, dann ist Scheitern dem Dialog schon inhärent. Deswegen ist es so schwierig mit Fanatikern, Populisten und Extremisten zu reden. Und deswegen verdienen Diplomaten in schwierigen Konfliktherden dieser Erde auch den größten Respekt.

Und hier ist der Denkfehler in ihrem Kommentar passiert. Wir haben in der EU Toleranz und Menschenrechte schon definiert! Unmissverständlich. Wir müssen sie nicht noch verhandeln, wir müssen darüber mit keinem unserer europäischen Partner in Dialog treten. Durch die Definition des Begriffs haben wir in der EU gemeinsam und eindeutig Stellung dazu bezogen.

Deswegen müssen wir mit Orban nicht darüber diskutieren, dass Menschenrechte auch Homosexuellenrechte sind. Aber genau das empfehlen Sie in Ihrem Kommentar. Was wir machen können, ist unmissverständlich Stellung beziehen, mahnen, erinnern, Haltung einnehmen und uns mit den LGBTI in Ungarn und darüber hinaus da wo es sein muss solidarisieren und das machen wir.

Ein buntes Stadion, ein buntes Armband bei der Europameisterschaft sind somit kein Zeichen der Respektlosigkeit an einen Andersdenkenden, Herr Schröder.

Es ist nichts weniger als das Symbol einer selbstbewussten, europäischen Identität, eine Flagge. Das sind wir und dafür stehen wir!

Kommentare

  • Bravo, Frau Weyckmans. Ich unterschreibe zu 100%. Und ergänze: Homophobie, noch dazu institutionalisierte, ist kein Andersdenken und auch keine Meinung, die man sich anhören muss. Es ist schlichtweg menschenverachtend und hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.

  • Sehr geehrte Frau Weykmans,

    Sie schreiben, „wir hätten in der EU Toleranz und Menschenrechte schon definiert! Unmissverständlich. Wir müssen sie nicht noch verhandeln, wir müssen darüber mit keinem unserer europäischen Partner in Dialog treten. “

    Das ist doch eine sehr gewagte Behauptung, insbesondere in dieser Zeit. Bezüglich der Rechte der sexuell anders orientierten Menschen sehe ich wie Sie keinen Diskussionsbedarf. Aber was ist mit der ABWÄGUNG z.B. zwischen dem Recht auf Gesundheit, dem Recht auf Bildung und dem Recht auf Würde? Sehen Sie da auch keinen Diskussionsbedarf? Was wäre denn, wenn es einem Orban einfallen würde, alle Schulen in Ungarn in radikal geschlossene Internate umzuwandeln, in denen alle Schüler ohne jeglichen körperlichen Kontakt mit der Außenwelt ausharren müssten, bis die Delta-Variante zu 100% ausgerottet ist?
    Ähnliches Ungemach droht bereits in der CO2-Diskussion. Wir laufen Gefahr, dass die Politik dieses Problem auf den Ausstoß von Verbrennern reduziert und dort mit dem großen Hammer agiert (siehe Verbrenner-Verbot in Brüssel ab 2030), um dem Volk ein „wir kümmern uns“ vorzugaukeln, dabei aber andere CO2-Themen völlig übersieht, wie z.B. die Zerstörung der Meeresflora durch die industrielle Schleppnetz-Fischerei. Es erinnert ein wenig an Corona. Die Politik fokussiert sich auf EINE Krankheit, „bekämpft“ diese mit „allen Mitteln“ bisweilen unter Aushebelung der „Toleranz und Menschenrechte“, und kann so wiederum dem Volk den „sich kümmernden Staat“ vorgaukeln. Dabei werden nicht selten seriöse wissenschaftliche Einwände schlicht und ergreifend „überhört“, siehe z.B. https://www.focus.de/auto/elektroauto/elektro-gate-nach-diesel-gate-fors....

    Also, Frau Weykmans, es ist bei Weitem nicht so, dass die EU "Toleranz und Menschenrechte unmissverständlich definiert" hätte.

  • Ja, bravo Frau Weykmanns!

    Ein Chefredakteur, der mit seinen Kommentaren gerne polarisiert, ist zudem in einer schlechten Position, die Spaltung der Gesellschaft zu beklagen.

    PS. Zu hoffen, dass das GE in der Lage sei, Leserkommentare zeitnah und nicht erst nach 2 oder 3 Tagen zu veröffentlichen, habe ich mittlerweile aufgegeben. Respekt vor der Beteiligung der Leser an der Meinungsbildung sieht anders aus.

  • Zitat Weykmanns: "Dialog findet nicht nur statt, wenn die Bereitschaft dazu besteht, sondern vor allem, wenn die Dialogpartner über Basisbegrifflichkeiten überein sind. "

    1. Viele Politiker haben in vielerlei Dingen (Energiewende, Religionen, Sexualität, Migration, Integration, Finanzen...) soviel Grundkenntnis und realistischen Sachverstand, dass es besser wäre, sie würden gar nichts machen und zu Hause bleiben.
    2. Der meiste Dialog in der Politik wird aus ARROGANZ verhindert, weil die Polit-Elite eines am meisten fürchtet: den Machtverlust.
    3. Und wegen diesen 2 ersten Gründen gibt es sowas wie Opposition. Querdenker und Populisten sind auch Opposition. Ich mag die auch nicht unbedingt allesamt, aber warum denn kein Dialog mit denen? Die EU-kompatiblen Polit-Vertreter setzen sich ja auch mit Islam-Vertretern und Greenpeace-Akteuren an einen Tisch, und die sind alles andere als demokratisch gesinnt, oder? Wer schmeisst denn hier die gesellschaftlichen Brandbomben?

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