„Alles oder nichts“: Überlebenskünstler Löw brennt auf England-Klassiker

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Fast wäre das Spiel gegen Ungarn das letzte der Ära Löw geworden. | Foto: dpa

Seine Überlebenskünstler schwor er zugleich auf den nächsten Kracher ein. „Jetzt“, sagte Löw bedeutungsschwer, „geht es darum: alles oder nichts!“ Doch grenzenlose Euphorie und katastrophales Scheitern liegen bei dieser Wundertüte von Fußball-Mannschaft extrem nahe beieinander. Löw hatte das weiße Handtuch bei seiner Abschiedsmission im Münchner Regen buchstäblich schon in der Hand. Beim 2:2 gegen tapfere Ungarn war er seinen Posten längere Zeit los, als er ihn noch innehatte. Erst Youngster Jamal Musiala in seinem ersten Turnier-Einsatz und Herzchen-Jubler Leon Goretzka retteten ihn.

„Das war so verflucht knapp“, schrieb Abwehrchef Mats Hummels nach der Rückkehr ins „Campo“ von Herzogenaurach nachts um halb drei erleichtert bei Instagram. Robin Gosens sprach von einer „Achterbahnfahrt der Gefühle“ und Kapitän Manuel Neuer, die Regenbogenbinde am linken Handgelenk, von einem „absoluten Nervenkrimi“. Zwischenzeitlich, gab er zu, seien bei ihm sogar die dunklen Erinnerungen an das WM-Desaster 2018 in Russland hochgekommen.

Löw, der im Dauerregen mit weißer Kapuzenjacke phasenweise wie ein begossener Pudel dagestanden hatte, ächzte: „Das war nichts für schwache Nerven.“ In seinen 15 Amtsjahren sei es „eines der schwierigsten Spiele überhaupt“ gewesen, aber an ein Scheitern habe er „wirklich nicht“ gedacht. Doch seine Elf wandelte bedenklich nah am Abgrund – und das lag auch an ihrem Chef.

Hatte Löws Sturheit das DFB-Team gegen Portugal (4:2) noch zu ungeahnten Höhen beflügelt, führte sein fast blindes Beharren diesmal um ein Haar ins nächste Debakel. Seine Außen vor der Dreierkette blieben stumpf, die von ihm verordneten Halbfeldflanken waren das völlig falsche Mittel. Mindestens ebenso unverständlich war seine Idee, den enttäuschenden Leroy Sané in die Rolle von Joshua Kimmich auf rechts zu zwingen.

Hat er keine Angst vor Englands jungen Wilden? „Nein“, sagte Löw voller Überzeugung und versprach, seine Mannschaft werde am Dienstag (18 Uhr) „anders auftreten“. Dieselben Fehler, weiß der 61-Jährige, darf sich Deutschland im ewig jungen Klassiker nicht erlauben: „Es gibt jetzt kein Pardon mehr.“ (sid/tf)

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