Weihnachten 2020: O du traurige...

<p>Da freut sich der Händler: Ab Dienstag dürfen nicht-essenzielle Geschäfte unter strikten Auflagen wieder öffnen.</p>
Da freut sich der Händler: Ab Dienstag dürfen nicht-essenzielle Geschäfte unter strikten Auflagen wieder öffnen. | Foto: Photo News

Gut fünf Stunden tagte der Konzertierungsausschuss am Freitagnachmittag, um die Gesundheitssituation im Lande neu zu beurteilen. Während über die Wiedereröffnung des Einzelhandels ab dem 1. Dezember relativ schnell Einigkeit herrschte, gestaltete sich die Kompromissfindung in der Frage einer Lockerung der Beschränkungen für das Weihnachtsfest als eher schwierig. Letztendlich wird den Belgiern auch keine echte Entspannung der strengen Regeln zugestanden. Vor allem die von vielen erhoffte Ausdehnung der sogenannten „Kuschelkontakte“ (enge Kontakte) zu Weihnachten (und Neujahr) bleibt aus. „Ich weiß, dass viele es gerne anders gehabt hätten, und ich verstehe, dass sie enttäuscht sind“, sagte Premierminister Alexander De Croo (Open VLD) bei der Pressekonferenz nach der Sitzung des Konzertierungsausschusses. „Aber das Letzte, was wir tun müssen, ist, an vier Tagen alles aufs Spiel zu setzen, was wir in vier Wochen aufgebaut haben. Sorgen wir dafür, dass Weihnachten das Ende eines katastrophalen Jahres wird, und stellen wir sicher, dass es nicht der Beginn eines neuen katastrophalen Jahres wird.“

„Es sind sehr strenge Regeln, vor allem für die Weihnachtszeit“, räumt Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) ein. „Es stimmt mich persönlich traurig.“ Er hätte es gerne gesehen – und hatte dies am Freitag auch seinen Ministerkollegen (vergeblich) vorgeschlagen –, vier Personen aus dem ersten und zweiten Verwandtschaftsgrad zu erlauben, sich am 24. und 25. Dezember zu treffen. Aber er weiß genauso gut, dass die Belegungsquote in den belgischen Krankenhäusern nach wie vor sehr hoch und höher als in Deutschland ist und dass die Reserve, um einen explosionsartigen Anstieg der Infektionszahlen nach Weihnachten aufzufangen, – im Gegensatz zu Deutschland – sehr gering ist. „Belgien ist noch zu nah am Limit“, sagt er dem GrenzEcho.

„Die Lage ist besser als vor vier Wochen; es ist uns gelungen, eine sehr scharfe Aufwärtskurve umzukehren und eine besonders dramatische Situation um Haaresbreite zu vermeiden. Das ist das Verdienst unseres Teams von elf Millionen Belgiern. Aber jetzt müssen wir durchhalten“. skizzierte De Croo die Lage. „Die Situation ist nach wie vor äußerst gefährlich. Wir befinden uns immer noch auf der höchsten Alarmstufe 4. Es gibt immer noch zu viele Infektionen, die meisten Krankenhäuser sind nach wie vor tief in den roten Zahlen.“ Deshalb habe der Konzertierungsausschuss beschlossen, „sehr vorsichtig zu bleiben und die Sicherheit von uns allen an die erste Stelle zu setzen“, führte der liberale Regierungschef weiter aus. „Mit den schwierigen Wintermonaten vor unserer Haustür, Weihnachten und Neujahr inklusive, müssen wir besonders vorsichtig sein. Wir bleiben öfter drinnen, und das ist viel gefährlicher als die Sommermonate.“

Es geht den Regierungen im Lande also nicht nur um die Zeit bis Ende des Jahres, sondern um die Wintermonate, die bestmöglich überstanden werden müssen. „Unser Ziel muss es sein, die Zahlen weiter zu senken. Wenn die Zahlen niedrig genug sind, können wir einen neuen Kurs einschlagen. Aber nicht heute.“ Der Premierminister brachte seine Angst vor einer dritten Infektionswelle klar zum Ausdruck.

„Eine dritte Corona-Welle wird noch höher sein als die zweite und noch schwieriger zu bewältigen sein. Wir müssen alles tun, um eine dritte Welle zu vermeiden.“

Die Beschlüsse

im Einzelnen

Weihnachten und Neujahr:

An Heiligabend (24. Dezember) oder am Weihnachtstag (25. Dezember) können Alleinlebende zwei „Kuschelkontakte“ gleichzeitig einladen. So können sie zu dritt feiern. Das gilt nicht für Silvester und Neujahr. Für Familien gelten an Weihnachten und Neujahr die bestehenden Regeln: Sie dürfen in ihrer Wohnung nur einen „Kuschelkontakt“ einladen; im Freien gilt weiterhin die Vier-Personen-Regel.

Ob die nächtliche Ausgangssperre von 22 bis 6 Uhr in Ostbelgien auch an Weihnachten in Kraft bleibt, ist noch nicht entschieden.

Der Verkauf und das Abfeuern von Feuerwerkskörpern ist verboten.

Geschäfte:

Ab 1. Dezember können auch nicht-essenzielle Geschäfte, die seit dem 2. November geschlossen sind, unter strengen Voraussetzungen wieder öffnen. Die Auflagen:

- Ein Kunde muss alleine einkaufen, es sei denn er benötigt Hilfe.

- Der Kunde darf sich maximal eine halbe Stunde lang im Geschäft aufhalten.

- Pro 10 Quadratmeter Geschäftsraum ist nur ein Kunde zugelassen. Geschäfte mit einer Fläche von weniger als 20 Quadratmetern können zwei Kunden gleichzeitig einladen, wenn sie die Abstandsregeln einhalten. Große Geschäfte von mehr als 400 Quadratmetern müssen eine Zugangskontrolle organisieren.

- Die Geschäfte müssen die Warteschlange vor der Tür verwalten.

- Ein allzu geschäftiges Treiben außerhalb der Geschäfte, in den Einkaufsstraßen und -zentren, muss vermieden werden. Deshalb wird die Menschenmenge in den Einkaufsstraßen kontrolliert werden. Dafür sind die Gemeinden und Städte zuständig. Unter anderem ist die Rede von Einbahnverkehr und Einsatz von Stewards

- Grundregeln wie Hände waschen, Abstand halten und Tragen eines Mundschutzes müssen strikt eingehalten werden.

- Verkaufsoffene Sonntage sind erlaubt. Ob sie organisiert werden, entscheiden die Bürgermeister.

Ausgangssperre:

Die nächtlich geltende Ausgangssperre von 22 bis 6 Uhr in Ostbelgien bleibt in Kraft. Da diese Regelung am 13. Dezember ausläuft, muss bis dahin entschieden werden, ob sie erneuert oder mit neuen Uhrzeiten angepasst wird. Das wird die DG-Regierung mit den Bürgermeistern absprechen. Ministerpräsident Paasch plädiert für andere Uhrzeiten (ab 24 Uhr?) an Heiligabend und am ersten Weihnachtstag.

Soziale Kontakte:

Die bestehenden Regeln bleiben, außer für Alleinlebende zu Weihnachten. Jedes Familienmitglied kann einen engen Kontakt haben, den so genannten „Kuschelkontakt“.

Familien dürfen jeweils nur einen Kuschelkontakt in ihre Wohnung einladen. Weitere Besuche sind nicht erlaubt. Im Freien darf man sich mit maximal vier Personen treffen.

Gastgewerbe:

Das Gastgewerbe bleibt bis zum 15. Januar geschlossen. Anfang Januar wird der Konzertierungsausschuss die Situation neu bewerten, und wenn die Corona-Zahlen es zulassen (siehe „Schwellenwerte“), werden die Restaurants und Cafés ab Mitte Januar wieder öffnen dürfen. „Die Chancen stehen gut“, meint Oliver Paasch.

Reisen:

Von nicht unbedingt notwendigen Reisen, einschließlich Skireisen, wird nach wie vor stark abgeraten. Es wird Grenzkontrollen geben, bei denen überprüft wird, ob das Rückreiseformular (Passagier-Lokalisierungsformular) von denjenigen ausgefüllt wurde, die sich länger als 48 Stunden im Ausland aufgehalten haben und länger als 48 Stunden in unserem Land verbleiben. Auch die Einhaltung der obligatorischen Quarantäne für Rückkehrer aus einer roten Zone wird strenger kontrolliert werden. Dies gelte nicht für Grenzgänger, betont Paasch.

Kontaktberufe:

Nicht-medizinische Kontaktberufe, wie Friseure, Masseure und Kosmetikerinnen bleiben geschlossen. Sie könnten, wenn die Corona-Zahlen es erlauben, auch schon vor dem 15. Januar wieder ihrem Beruf nachgehen.

Freizeit:

Museen und Schwimmbäder dürfen ab 1. Dezember wieder öffnen. Spaßbäder bleiben geschlossen.

Schwellenwerte:

Vom ursprünglich angedachten Corona-Barometer mit vier Alarmstufen (auf der Grundlage von Schwellenwerten in den Krankenhäusern) wird abgesehen. Künftig soll es nur noch zwei Phasen geben. Entweder geht es darum, aus dem Corona-Sturm zu kommen, oder zu verhindern, dass wir wieder in einen Sturm geraten. Es wurde eine Schwelle festgelegt, die sich aus zwei Werten zusammensetzt: 1. Maximal 75 neue Krankenhauseinweisungen pro Tag; 2. Maximal 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner im 14-Tage-Zeitraum. „Wenn dieses Ziel erreicht ist, befinden wir uns in einem sicheren Abstand zum Sturm und können Maßnahmen lockern“, erläuterte Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (SP.A). Die Experten gehen davon aus, dass diese Richtwerte Mitte Januar erreicht werden dürften.

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