Statt Frühling Herbst: Jetzt wird Vivaldi aufgeführt

<p>Sie wird Belgien künftig nach außen vertreten: die scheidende Premierministerin Sophie Wilmès.</p>
Sie wird Belgien künftig nach außen vertreten: die scheidende Premierministerin Sophie Wilmès. | Foto: Photo News

Der 30. September ist also ein Tag der Freude: Belgien hat endlich wieder eine handlungsfähige Regierung, die auf eine Mehrheit im Parlament bauen kann, auch wenn auf flämischer Seite die eine oder andere Stimme fehlen wird. Die N-VA, immerhin stärkste Partei des Landes, hat schon eine harte Opposition angekündigt – wie im Übrigen die Parteien am Rande des demokratischen Spektrums.

Es ist auch ein Tag der Freude, weil es zu einem Tag des Jubels nicht reicht. Das Regierungsprogramm weist zwar einige soziale Schwerpunkte wie die Erhöhung der Grundrente zum Ende der drei verbleibenden Regierungsjahre auf. Für eine wirkliche ökologische Erneuerung hätte man aber tiefer in die Schuldenkiste greifen müssen. Das heiße Eisen „Atomausstieg“ hat man wohlweislich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Bei wichtigen ethischen Fragen wie der Abtreibung will man erst vorangehen, wenn man sich intern einig ist – eindeutig eine Konzession an die CD&V. Die Liberalen dürfen sich ans Revers heften, dass die Reformen der Regierung Michel nicht zurückgedreht werden und dass, außer einer etwas blumig umschriebenen Reichensteuer, keine neuen Steuern die aktive Bevölkerung belasten werden. Als klugen Schachzug der Verhandlungsführer darf man die Auslagerung der weiteren Schritte der Staatsreform an zwei Regierungsmitglieder werten. Gleiches gilt für die Möglichkeit, die man sich selber gibt, Themen, die von mehreren Ebenen des Föderalstaates gemeinsam verantwortet werden, asymmetrisch zu handhaben. So kann man z.B. bei der Energiepolitik oder Gesundheitsversorgung in Flandern andere Wege gehen als in der Wallonie oder der DG.

Am Ende bleibt trotzdem die bittere Frage, warum ein solch banales Regierungsprogramm – bei allem Respekt für die Regierungsbildner De Croo und Magnette (PS) – nicht schon im Frühjahr 2019 auf die Schiene hätte gebracht werden können. Die rund fünf Milliarden Euro, die man jetzt zur Umsetzung der Regierungsschwerpunkte in die Hand nimmt, hätte man mit einer handlungsfähigen Regierung zu einem großen Teil einsparen können. Was soll’s? Vivaldi lebt: Auch wenn hier ein Moll und dort ein Lento eine an sich gelungene Komposition trüben.

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