Richter zu Verurteilten: „Ihr Verhalten zeugt von außergewöhnlicher Kaltblütigkeit“

<p>Der Vorsitzende des Assisenhofes, Philippe Gorlé, hier neben den Berufsrichterinnen Cathèrine Brocal (links) und Nathalie Corman, verkündete am Mittwoch kurz nach 15 Uhr den Entscheid im ersten Assisenprozess in der DG.</p>
Der Vorsitzende des Assisenhofes, Philippe Gorlé, hier neben den Berufsrichterinnen Cathèrine Brocal (links) und Nathalie Corman, verkündete am Mittwoch kurz nach 15 Uhr den Entscheid im ersten Assisenprozess in der DG. | Fotos: David Hagemann

Vorsätzlich, mit Tötungsabsicht und mit Vorbedacht hatten die ehemalige Partnerin und deren Sohn Joseph Lenaerts in der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 2018 getötet. Die Leiche des 54-Jährigen war am 3. Februar 2018 in seiner Wohnung in der Eupener Bergstraße in einem fortgeschrittenen Zustand der Verwesung aufgefunden worden war. Zwölf Hiebe im Kopf-, Nacken- und Schulterbereich hatten den Kelmiser das Leben gekostet. „Sie hatten keinerlei Hemmungen, ein Menschenleben auszulöschen“, hielt der Vorsitzender Richter Philippe Gorlé in seiner Begründung fest und fügte an: „Auch ihr Verhalten nach der Tat zeugt von außergewöhnlicher Kaltblütigkeit. Sie haben in aller Ruhe Kaffee getrunken und Zigaretten geraucht, während Joseph Lenaerts erschlagen in einer Blutlache neben ihnen lag.“ Ihr Handeln könne nur als feige und heimtückisch bezeichnet werden und sei skrupellos gewesen.

Weder der Hof noch die Jury hatten mildernde Umstände feststellen können.

Die lebenslange Haft im Fall der Angeklagten begründete das Gericht auch mit der schamlosen Ausnutzung ihres Sohnes, der Abwesenheit von Reue, der Rückfallgefahr und der geringen Aussicht auf einen Therapieerfolg. Die Verhängung einer lebenslangen Zuchthausstrafe soll auch dazu dienen, ihr die Tragweite ihres Verhaltens deutlich zu machen. Weder der Hof noch die Jury hatten mildernde Umstände feststellen können.

Im Falles des Sohnes spielte seine tiefe Verankerung im kriminellen Milieu, die Tatsache, dass er von seiner Mutter instrumentalisiert wurde und seine Reue bei der Bemessung des Strafmaßes eine Rolle. Die Gutachter sehen durch eine Langzeittherapie bei ihm neue Handlungsmöglichkeiten. Die Zuchthausstrafe wurde mit 30 Jahren im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelt. Beide müssen die Prozesskosten in Höhe von 27.000 Euro tragen.

Bei einer lebenslangen Strafe kann der Verurteilte nach 15 Jahren eine Entlassung beantragen, die aber nicht gebilligt werden muss, was im ersten Anlauf ohnehin statistisch gesehen eher selten der Fall ist. Bei anderen Verurteilungen kann nach einem Drittel der Strafverbüßung ein Antrag eingereicht werden. Im Fall von Karkuth wäre dies in etwas mehr als siebeneinhalb Jahren der Fall, da er bereits fast zweieinhalb Jahren in Lantin in Untersuchungshaft einsitzt. Da er jedoch angekündigt hat, seine Haftstrafe in Deutschland verbüßen zu wollen, wird für ihn das deutsche Strafvollstreckungsrecht zum Tragen kommen.

Der letzte Tag im ersten Assisenprozess in der DG begann am Mittwoch mit den Plädoyers von Generalstaatsanwaltschaft und Verteidigern. Nachdem das Geschworenenkollegium die beiden Angeklagten am Dienstag in allen Anklagepunkten für schuldig befunden hatte, stand am Mittwoch ausschließlich das Strafmaß zur Debatte. Im Fall von Kathrin Hilpert gab es nur eine Strafe, da der Computerbetrug, der ihr zur Last gelegt wurde, aus denselben Beweggründen erfolgte und daher in Tateinheit zu sehen ist. Die Strafe für den Mord „schluckt“ sozusagen die Strafe für den Computerbetrug, bei dem es um die Aneignung von über 49.000 Euro von den Konten des Mordopfers ging.

„Von der lebenslänglichen Zuchthausstrafe können Sie abweichen, wenn mildernde Umstände zuerkannt werden“, hatte Generalstaatsanwalt Frédéric Renier den Geschworenen erläutert. Das Spektrum der Strafbemessung liege dann zwischen drei und 30 Jahren. Der Generalstaatsanwalt forderte ein strenges Urteil, da die perverse Denkweise bestraft werden müsse, ein Menschenleben Geld unterzuordnen. Das Geld sollte den Neuaufbau der Familie in Ostdeutschland finanzieren. Und auch der außerordentlichen Brutalität gelte es bei der Festlegung des Strafmaßes Rechnung zu tragen. Eine Hinrichtung durch zwölf Axthiebe bezeichnete er als eine unnötige Grausamkeit.

Reue kann als mildernder Umstand gewertet werden. Doch auch das Verhalten in den Tagen danach ließ nach seiner Ansicht keine Reue durchblicken. Dem Arbeitgeber und der Familie wurden von Kathrin Hilpert viele Lügen aufgetischt. Die Frau träumte zwar von einem Neustart, doch es sei nicht die Schaffung einer Familienidylle gewesen, die sie aufbauen wollte. Das neue Leben sollte auf der Begehung neuer Straftaten beruhen, da das Einkommen durch Cannabisanbau erzielt werden sollte. Ihre Enkel wären eigentlich in einer kriminellen Organisation groß geworden.

Da sie noch nie wegen krimineller Machenschaften verurteilt wurde, könnte die Unbescholtenheit angeführt werden. Er erinnerte daran, dass sie 7.000 Euro in den Kauf von Drogen investierte und die Söhne bei den Einbrüchen unterstützte. Ihre soziale Wiedereingliederung bezeichnete er als schwierig, da sie keine berufliche Ausbildung hat, nie lange an einer Arbeitsstelle tätig war und sich nie intensiv um ihre Familie gekümmert habe. Objektiv betrachtet seien die Chancen der Wiedereingliederung in die Gesellschaft sehr gering, so der Generalstaatsanwalt. Daher beantrage er eine lebenslängliche Zuchthausstrafe sowie die Einziehung des illegalen Gewinns.

Die Präsenz einer Mutter habe Christian Karkuth in der Kindheit gefehlt. Das Thema Familie war ihm daher wichtig und wurde deshalb von seiner Mutter manipuliert, um das Verbrechen zu begehen, führte Renier aus. Trotz dieser Sehnsucht habe er seiner Mutter aber nicht bis ins schlimmste Verbrechen folgen müssen. Sein Strafregister weise mehrere Verurteilungen auf, fünf verschiedene Gerichte verurteilten ihn. „Er geht wie seine Mutter bis ans Äußerste, um seine Ziele zu erreichen, und schreckt selbst nicht vor Mord zurück“, so Renier.

Das Thema Alkohol wurde im Rahmen des Prozesses mehrfach aufgeworfen. „Sein Scheißcharakter wird bei Alkoholkonsum noch beschissener“, hatte sein Verteidiger gesagt. Kathrin Hilpert habe seine Sucht ausgenutzt. „Keine Ausbildung, viel Erfahrung, aber nirgendwo hat er es lange ausgehalten. Er ist 32 Jahre und hat gewisse Sprachkenntnisse. Seine Zukunftschancen sind doch besser als die seiner Mutter. Es besteht ein Minimum an Hoffnung“, sagte Renier und beantragte eine Zuchthausstrafe von 25 Jahren.

Karkuths Verteidiger Denis Barth warf Argumente in die Waagschale, damit möglicherweise mildernde Umstände in die Strafbemessung einfließen. Sein Motiv sei nicht Geldgier gewesen, er wollte einfach nur zu seiner Familie gehören, was für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit sei. „Er wurde von seiner Mutter manipuliert und instrumentalisiert. Sie mischte sein Aggressionspotenzial mit Alkohol. Er wurde zu einer Waffe gemacht, die von seiner Mutter abgedrückt wurde“, so Barth.

Von Beginn an habe er mit den Ermittlern kooperiert und geholfen, jeden Stein umzudrehen. „Er ist ein Produkt seiner Kindheit, seiner Jugend, seines Lebens. Er war immer allein“, so sein Verteidiger. Alleine wandte er sich der rechtsextremen Szene zu. Nach 34 Aufenthaltsorten stand der Traum von der Familie. Und auch am Ende wollte die Mutter ihn wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Im Gefängnis sei er nun trocken geworden. Auch habe es in den vergangenen zweieinhalb Jahren in Lantin keinen einzigen disziplinarischen Vorfall gegeben. Die Gutachter hätten zudem Reue und eine Therapierbarkeit bei ihm erkannt, plädierte der Rechtsanwalt aus Kelmis. „Es gibt für sie ein Leben nach dem Urteil, das Sie nun bestimmen. Sie werden sie ihrer angemessenen Strafe zuführen“, richtete sich Hilperts Verteidiger Patrick Thevissen an die zwölf Geschworenen. Er erinnerte an verschiedene Schwerverbrecher wie Karadzic, Dutroux oder Lhermitte. Alle hätten lebenslänglich bekommen. In diesem Register spiele seine Mandantin sicherlich nicht.

Die Staatsanwaltschaft habe nichts Gutes an Kathrin Hilpert gelassen. In der Summe sei sie aber eine Frau ohne schwerwiegende Laster: Sie ist eine schlechte Hausfrau, sie geht nicht gut mit Geld um, sie war keine gute Mutter, sie lügt. „Man ist, was man ist, weil man vielleicht nicht viel mitgegeben bekommen hat“, stellt Thevissen fest. Sie hatte keine gute Kindheit und eine Bezugslosigkeit in den Beziehungen, die sie dann selbst reproduzierte. Sie könne sich nicht einfügen und Beziehungen aufbauen. „Ich habe auf der ganzen Linie versagt“, zitierte er ihre Zwischenbilanz nach 50 Jahren. Dennoch hätten die Befragungen auch positive Charaktereigenschaften zutage geführt.

Verteidiger Thevissen: „Sie sind Richter, nicht Rächer.“

„Dürfen wir ihr die Lügen übelnehmen?“ Die Ermittler hätten dies, weil sie ihnen dadurch die Arbeit erschwerte. Im Strafrecht sei Lügen aber ein Recht. Daher dürfen Ermittler und Richter es Frau Hilpert nicht übelnehmen und mit Zorn darauf reagieren, nur Familie Lenaerts dürfe dies. Sie sei nicht das Monster, das man darstellt, sonst sei sie längst vorbestraft gewesen. „Lebenslänglich ist das langsame Dahinsterben in Haft. Ein zeitlich begrenztes Strafmaß wäre ein Zeichen der Hoffnung, dass die Rückkehr in die Gesellschaft möglich ist. Sie sind Richter, nicht Rächer“, appellierte er an das Richterkollegium und an die Geschworenen. Vergeblich. Beide Verteidiger sprachen anschließend von strengen Urteilen für ihre Mandanten.

Um 15.52 Uhr schloss der Vorsitzende die Sitzung. Diese wird am 4. November wieder aufgenommen werden, wenn die Zivilansprüche der Familie zur Debatte stehen.

STIMMEN ZUM AUSGANG DES PROZESSES


Jo Lenaerts, Schwester des Mordopfers und Sprecherin der Familie: „Wir sind alle sehr erleichtert. Wir haben alle gehofft, dass die Justiz ihrer Arbeit nachgeht und das hat sie gründlich gemacht. Mit dem Urteil sind wir zufrieden so, wie es ist. Wir werden zweieinhalb Jahre nach der schrecklichen Tat versuchen, zur Ruhe zu kommen und endlich zu trauern. Schwer im Rahmen des Prozesses war für uns der erste Tag, als Kathrin Hilpert ihr Geständnis widerrief und sie meinen Bruder erneut beschuldigte, sie sexuell missbraucht zu haben. Von diesem Vorwurf hat sie dann ja zwei Tage später endgültig Abstand genommen. Das war wichtig für uns. Und auch das heutige Plädoyer ihres Anwalts war für uns schwer zu verkraften. Im Prozess selbst haben wir nichts Neues erfahren, da wir durch die vierfache Akteneinsicht sehr gut vorbereitet waren.“


Patrick Thevissen, Anwalt von Kathrin Hilpert: „Für uns ist es natürlich ein sehr strenges Urteil, da keinerlei mildernde Umstände, die wir geltend gemacht haben, berücksichtigt wurden. Das zeugt sicherlich auch von der Schwere der Tat, aber auch von der Schwere der Beurteilung. Meine Mandantin hat bereits angedeutet, das Urteil akzeptieren zu wollen. Für sie ist ein Kassationsrekurs kein Thema. Sie hatte mit einer schweren Strafe gerechnet, sodass der heutige Entscheid nicht unbedingt eine Überraschung ist.“


Denis Barth, Anwalt von Christian Karkuth: „Mein Mandant ist enttäuscht. Vor allem der Umstand, dass das Urteil über dem Antrag der Staatsanwaltschaft lag, war von ihm nicht erwartet worden. Warum dem so war, entzieht sich unserer Kenntnis. Das wissen nur die Richter und die Geschworenen. Mein Mandant hat bereits angekündigt, seine Haftstrafe in Deutschland verbüßen zu wollen. Er ist froh, dass das Gericht zumindest noch einen Unterschied zwischen ihm und seiner Mutter beim Strafmaß gemacht hat.“

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