Freundschaftspakt schafft keinen Frieden zwischen Merkel und Macron

<p>Ein Jahr ist es her: Emmanuel Macron und Angela Merkel nach der Unterzeichnung des Vertrags während der Zeremonie des neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrags im Krönungssaal des Rathauses in Aachen.</p>
Ein Jahr ist es her: Emmanuel Macron und Angela Merkel nach der Unterzeichnung des Vertrags während der Zeremonie des neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrags im Krönungssaal des Rathauses in Aachen. | Foto: Oliver Berg/dpa

Es war ein deutliches Signal gegen Nationalisten und Populisten - und für eine enge Zusammenarbeit in Europa. Deutschland und Frankreich müssten „den Weg weisen“, resümierte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron vor einem Jahr in Aachen. Genau 56 Jahre nach Unterzeichnung des Élyséevertrages besiegelten er und Kanzlerin Angela Merkel im Krönungssaal des Rathauses einen neuen Freundschaftspakt. Seit dem betont harmonischen Festakt vom 22. Januar 2019 brachten die beiden EU-Kernländer mehrere Projekte voran.

Die Aufmerksamkeit für die beiderseitigen Beziehungen wuchs. So soll die Bahnverbindung zwischen Freiburg und dem elsässischen Colmar mit dem Wiederaufbau einer kriegszerstörten Rheinbrücke wieder in Schwung kommen. Der Jugendaustausch wird verstärkt. Ein Bürgerfonds, der beispielsweise Städtepartnerschaften fördert, wurde von beiden Seiten zusammen mit über zwei Millionen Euro gefüllt. Die Abgeordneten beider Länder blieben nicht untätig. Sie gründeten ein gemeinsames „Mini-Parlament“, das Anfang Februar wieder zusammenkommen will. Dieses Mal in der Grenzstadt Straßburg, die im Laufe der Geschichte der früheren „Erbfeinde“ lange ein Zankapfel gewesen war und heute deren Aussöhnung symbolisiert. Die Projekt-Arbeit wird in den Hauptstädten mit einer merkwürdig gereizten Stimmung konterkariert.

Denn auf der Spitzenebene knirscht es im deutsch-französischen Verhältnis. „Die Atmosphäre zwischen beiden Regierungen in Paris und Berlin ist so schlecht wie selten zuvor“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete und Frankreich-Kennerin Franziska Brantner der Deutschen Presse-Agentur in Paris. Woran liegt das? Die Gründe für die schlechte Stimmung sind mannigfaltig. Da ist ein junger und ehrgeiziger französischer Präsident, der frisch gewählt auf den EU-Wirtschaftsgiganten Deutschland setzt - und enttäuscht wird. Denn eine umfassende Antwort auf seine Reformideen für Europa bleibt in Berlin aus. Auch deshalb sei bei dem 42-Jährigen die Tonlage gestiegen, bilanziert Brantner mit Blick auf Macrons höchst umstrittene Äußerung zum „Hirntod“ der mächtigen Militärallianz NATO.

Im Umfeld von Macron wurde deutlich gemacht, dass es sich nicht um verbale Ausrutscher handelt. „Manchmal ist es nötig, ein Warnsignal zu geben“, heißt es. Die Pariser Machtzentrale steht offen dazu, sich manchmal lautstark zu Wort zu melden - auch wenn es Partner in Europa irritiert. Die engen Bande zwischen Paris und Berlin werden ungeachtet dieser etwas ruppigen Strategie nicht infrage gestellt. Macron ist eben ohne große Allianzen ins höchste Staatsamt gekommen. Seine Regierung verfügt über eine bequeme Parlamentsmehrheit - und ungeachtet aller innenpolitischen Auseinandersetzungen wie der Dauerproteste gegen die Rentenreform lässt Macron Partner diese Unabhängigkeit und vielleicht auch Überlegenheit spüren. Auf deutscher Seite werden Soloauftritte des mächtigsten Franzosen nur noch bedingt goutiert. Die Blockade von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien im Oktober kam in Berlin und anderen Hauptstädten überhaupt nicht gut an.

Inzwischen signalisiert der 42-Jährige Entgegenkommen - und will nun beim EU-Westbalkan-Gipfel im Mai in der kroatischen Kapitale Zagreb einen Erfolg sehen. Winkt vielleicht sogar eine längere Gutwetter-Phase zwischen beiden EU-Schwergewichten? Noch überwiegt die Vorsicht, keiner will sich auf Prognosen festlegen.

Inzwischen drängt auch Merkel auf der Weltbühne wieder nach vorne. Ihr Libyen-Gipfel in Berlin wurde international als Erfolg gefeiert. Den hat sie auf die deutsche Art errungen: Über lange und zahlreiche Vorbereitungstreffen von Diplomaten der beteiligten Länder hinter verschlossenen Türen - und ohne spektakuläre Aktionen oder Auftritte à la Macron. Der hatte zuletzt zum Beispiel versucht, über die Einladung des iranischen Außenministers Mohammed Dschawad Sarif zum G7-Gipfel in Biarritz zur Deeskalation im Streit über das Atomabkommen beizutragen. Die Entwicklung in den folgenden Monaten ging jedoch in die andere Richtung. Eine unterschiedliche Herangehensweise haben Deutschland und Frankreich auch bei allem, was mit Militär zu tun hat. Auch dabei sollte der neue Freundschaftsvertrag Fortschritte bringen. Es ist aber noch unklar, welchen Effekt eine Vereinbarung haben wird, die den Export gemeinsam produzierter Rüstungsgüter erleichtern soll. Die Franzosen hatten lange darauf gedrängt, weil durch die strengen deutschen Exportrichtlinien auch die Ausfuhr von Geräten blockiert wurde, die nur wenige deutsche Bauteile enthalten. Große, sehr langfristig angelegte Rüstungsvorhaben wie der europäische Kampfjet sind trotzdem so etwas wie die Vorzeigevorhaben der beiden so unterschiedlichen Partner. Es geht um viel Geld, milliardenschwere Investitionen sind nötig. Auch weil beim Kampfjet noch Spanien mit ins Boot geholt wurde, sei die Zusammenarbeit aber auch hier „nicht einfach“, resümierte unlängst Éric Trappier, Chef des mit-federführendenden Herstellers Dassault Aviation. Macron, der seit langem eine „europäische Armee“ fordert, verfolgt das Riesenvorhaben genau und war im Juni bei der Enthüllung eines ersten Modells dabei. (dpa)

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