Eltern-Tipps für den „Fortnite“-Hype

<p>„Fortnite“ ist das Lieblingsspiel vieler jüngerer Zocker - manche Eltern haben da Bauchschmerzen.</p>
„Fortnite“ ist das Lieblingsspiel vieler jüngerer Zocker - manche Eltern haben da Bauchschmerzen. | Foto: Andrea Warnecke/dpa

Aber alle spielen das!“ Was für Kinder und Jugendliche ein scheinbar todsicheres Argument ist, lässt viele Eltern nur die Augen rollen. Soll ich das neueste Ballerspiel wirklich nur deshalb erlauben, weil die ganze Klasse jeden Nachmittag davorhängt? Nein, oder? Experten sagen: Doch, kann schon sein. Immer wieder gibt es Videospiele, die nicht nur erfolgreich sind, sondern die zu einem Massenphänomen werden: die virtuelle Klötzchenbuddelei von „Minecraft“, die Monsterjagd von „Pokémon Go“ und allen voran „Fortnite“, je nach Messtechnik vielleicht das erfolgreichste Spiel überhaupt. Das Problem dabei: „Fortnite“ hat zwar bunte Comic-Grafik und fröhlich tanzende Spielfiguren. Es ist aber auch ein Shooter. Wer gewinnen will, muss der letzte Überlebende von 100 Spielern sein - und das wird man nur, indem man die Konkurrenz erschießt.

Wie brutal ist „Fortnite“? „Es ist bei "Fortnite" schon so, dass es da diesen Wettbewerbsgedanken gibt, ein sehr kampfbetontes Setting“, sagt Diplom-Sozialpädagoge Daniel Heinz. „Auch wenn die Brutalität im Vergleich zu anderen Shootern doch deutlich reduziert ist.“ Das bedeutet konkret: Es wird zwar geschossen, Blut fließt allerdings nicht, und die Spielfiguren sterben auch nicht. „Die Vereinbarung der Spielverabredung ist für 12-Jährige von Beginn an durchschaubar, es gibt keine schockierenden Elemente“, heißt es in der Begründung. Im Gegenteil: Das Spiel sei so humorvoll, dass auch 12-Jährige das Geschehen leicht einordnen können.

Eltern brauchen eine eigene Meinung: Selbst Experten sind sich also nie ganz einig, wenn es um die Einschätzung populärer Spiele geht. Mama und Papa kommen deshalb nicht darum herum, sich die Spiele selbst anzuschauen, sagt auch Heinz: „Eltern brauchen in solchen Diskussionen eine klare Haltung, die sie dann auch authentisch vertreten können. Das bedeutet aber auch, sich ein umfassendes Bild zu machen.“ „Wenn ich bei einem Spiel ein blödes Bauchgefühl habe, sollte ich das auch ausdrücken - dann kann man darüber reden“, sagt die Familienbloggerin Patricia Cammarata, die unter www.dasnuf.de unter anderem über Spiele und Medien in der Erziehung schreibt. „Gerade bei Jugendlichen ist es aber wichtig, dass man dabei möglichst konkret bleibt, ansonsten werden diese Argumente nicht akzeptiert. Und dafür muss ich mich mit dem Spiel einfach auseinandersetzen.“ Mittel und Wege gibt es dabei viele. Wer ein Spiel kennenlernen will, muss nicht unbedingt selbst zu Controller oder Smartphone greifen. Zum einen gibt es Webseiten, die Texte zu aktuellen Spielen veröffentlichen. Hinzu kommen Live-Streams oder Mitschnitte von Spielen, sogenannte Lets-Plays, verfügbar auf Plattformen wie Youtube und Twitch. Und natürlich können Eltern ihrem Kind beim Spielen auch über die Schulter schauen.

„Da investiert man eine Stunde, und dann hat man einen ganz ordentlichen Eindruck“, sagt Cammarata - und plädiert dringend dafür, sich diese Zeit auch zu nehmen: „Das ist für mich immer etwas unverständlich, wenn Eltern das nicht machen - wer einen neuen Toaster kauft, investiert ja teilweise auch fünf Stunden in die Recherche.“

Gruppendruck als Argument: Derartig geschult, können Eltern dann in die Diskussion mit dem Nachwuchs gehen. Doch was, wenn das Kind allen Bedenken ein „Das spielen alle!“ entgegenhält? „Wenn so ein Hype aufkommt, kann es schon passieren, dass sich Jugendliche ausgeschlossen fühlen, wenn alle auf dem Schulhof darüber reden“, sagt Daniel Heinz - und rät deshalb, das Gruppendruck-Argument zumindest nicht komplett beiseite zu wischen. „Das Argument, dass "alle" in der Klasse etwas spielen oder nutzen, kann durchaus zählen“, sagt auch Cammarata. Allerdings rät sie gerade bei etwas Jüngeren auch, erst einmal bei anderen Eltern nachzuhorchen, ob das wirklich stimmt. Vielleicht gibt es zwischen Schulhof-Angeberei und der Realität ja doch ein paar Lücken. Manchmal ist die Behauptung „alle“ aber auch kaum oder gar nicht übertrieben. „Bei solchen Spielen ist es schon so, dass sich Hype und Verbreitung gegenseitig befeuern“, sagt Heinz. „Bei "Fortnite" ist das ja irgendwann bis in die Grundschule runtergeschwappt, selbst Drittklässler haben das gespielt.“

Verbote helfen kaum: Spätestens hier können Eltern natürlich Bedenken haben - allen Gruppendruck-Argumenten zum Trotz. Und jetzt? „Ich glaube nicht an Verbote“, sagt Cammarata. Denn damit können Eltern schließlich nur kontrollieren, was die Kinder in den eigenen vier Wänden machen. „Aber wenn der Sog groß genug ist, machen sie es dann halt anderswo - und ob das dann wirklich sinnvoll ist, weiß ich nicht.“ Stattdessen empfehlen die Experten Kompromisse und Mittelwege. „An "Fortnite" kann man auch unabhängig vom Spiel teilnehmen, indem man zum Beispiel Sachen auf Youtube anguckt“, sagt Cammarata. „Bei Achtjährigen, die das vielleicht wirklich noch nicht spielen müssen, sagt man dann: "Komm, wir gucken ein paar Sachen zusammen an." Damit ist denen oft schon geholfen.“ Und die etwas Älteren dürfen vielleicht probeweise spielen, obwohl die Eltern Bauchschmerzen haben, rät die Bloggerin - nach dem Motto „Wir probieren das jetzt mal aus, und wenn du dich veränderst oder deine Pflichten vernachlässigst, möchte ich da nochmal drüber sprechen.“ Unbegrenztes Geballer muss dann ja noch immer nicht sein, sagt Heinz, Gruppendruck hin oder her. „Nur weil der Freund drei Stunden pro Tag "Fortnite" spielt, muss das eigene Kind das ja noch lange nicht tun.“ (dpa)

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