Antworten zur Europawahl: Wie viel Macht hat das EU-Parlament?

<p>Eine riesiges Transparent mit der Aufschrift „Utilisez votre voix, use your voice, nutze Deine Stimme“ am EU-Parlament in Straßburg.</p>
Eine riesiges Transparent mit der Aufschrift „Utilisez votre voix, use your voice, nutze Deine Stimme“ am EU-Parlament in Straßburg. | Foto: dpa

Noch knapp sieben Wochen bis zur Europawahl - aber worüber wird Anfang Juni eigentlich genau abgestimmt - und worüber nicht? Welchen Einfluss hat das Europaparlament? Ein Überblick:

Wann findet die Europawahl statt? Vom 6. bis 9. Juni können Stimmen abgegeben werden - je nach Land an einem anderen Tag. Den Auftakt machen die Niederländerinnen und Niederländer, die am Donnerstag, 6. Juni, an die Urne gehen können. Es folgen Irland, einen Tag darauf Lettland, Malta und die Slowakei. Im Rest der EU wird wie in Belgien am Sonntag, 9. Juni, gewählt. Mit den unterschiedlichen Daten sollen verschiedene Wahltraditionen in den Ländern beibehalten werden können. In der Bundesrepublik sind die Wahllokale wie auch bei Bundestagswahlen von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Wer wählt? Erstmals dürfen in Belgien bei einer Europawahl auch Minderjährige abstimmen. Das Wahlalter wurde von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt. Belgien ist damit eines der wenigen Länder, in dem sich Minderjährige an der Wahl beteiligen dürfen. Nach Angaben des EU-Parlaments von August ist dies sonst nur in Österreich, Deutschland, Malta und Griechenland möglich. Das Wahlalter in Griechenland liegt bei 17 Jahren. Insgesamt leben in der EU knapp 360 Millionen Wahlberechtigte.

Wer wird gewählt? Gewählt werden 720 Abgeordnete. Von der reinen Anzahl her sind das zwar weniger Politikerinnen und Politiker als bei der vergangenen Wahl, damals zogen 751 Volksvertreterinnen und -vertreter ins Parlament ein. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU verloren aber auch zahlreiche Abgeordnete ihr Mandat. Im Vergleich zur derzeitigen Zahl der Abgeordneten werden 15 Plätze mehr vergeben.

Wie sind die Abgeordneten auf die Länder verteilt? Deutschland ist das Land mit den meisten Wahlberechtigten und stellt als bevölkerungsreichstes Land in der EU auch die meisten Abgeordneten. Während ein deutscher Abgeordneter gemessen an der Gesamtbevölkerung im Schnitt grob 875.000 Menschen vertritt, sind es bei einem Abgeordneten aus Malta nur knapp 100.000. Gäbe es diese Ungleichheit nicht, müsste das Parlament entweder deutlich größer werden oder die Bürgerinnen und Bürger der kleinsten EU-Länder würden lediglich von einem Abgeordneten oder einer Abgeordneten vertreten.

Wie wird gewählt? Das unterscheidet sich von EU-Land zu EU-Land, teils von Partei zu Partei. EU-weit einheitlich ist, dass die Anzahl der Abgeordneten einer Partei proportional zur Anzahl der erhaltenen Stimmen sein muss. Länderübergreifende Listen gibt es nicht.

<p>Bisherige Wahlbeteiligung</p>
Bisherige Wahlbeteiligung

Welche Auswirkungen hat die Wahl? Welche Mehrheiten im Parlament organisiert werden können, hat entscheidenden Einfluss auf neue EU-Gesetze. So musste bei vielen aktuellen Vorhaben wie etwa dem Verbrenner-Aus oder umstrittenen Naturschutz- und Klimagesetzen eine Mehrheit im Parlament zustimmen. Auch bei der Verteilung von Geld, wie der milliardenschweren EU-Agrarförderung, hat das Parlament einen großen Einfluss. Die meisten Gesetze werden aber zusammen mit den EU-Staaten verhandelt und müssen auch im sogenannten Rat eine Mehrheit finden. Dort entscheiden Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen nationalen Regierungen. Auf die Mehrheitsverhältnisse in dieser Institution hat die Europawahl keinen direkten Einfluss.

Die Besetzung der EU-Kommission nach der Wahl kann das Parlament hingegen beeinflussen. Die Behörde hat das alleinige Recht, konkrete EU-Rechtsakte vorzuschlagen, die dann von Parlament und den EU-Staaten ausgehandelt werden. Zwar ist es zunächst Aufgabe der Staats- und Regierungschefs, einen Vorschlag für die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten zu machen, das Parlament kann diesen aber ablehnen. In der Regel wird auch ein Kandidat aus den Reihen der größten Fraktion im Parlament vorgeschlagen.

Der Rat und der designierte Präsident erarbeiten dann eine Liste der restlichen Kommissare, je einer aus jedem EU-Staat. Das Parlament muss auch der Ernennung der restlichen Kommissare zustimmen.

Welche nationalen Besonderheiten gibt es? In den Niederlanden beispielsweise gibt es keine Sperrklausel. Das heißt, sobald eine Partei rund einen Prozentpunkt bekommt, kann sie mit einem Sitz im Parlament rechnen. In den Niederlanden braucht es knapp 3,25 Prozent für einen Sitz. Andere Länder haben hingegen eine Sperrklausel. In Frankreich etwa muss eine Partei mindestens fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinen, in Österreich sind es vier Prozent. Zudem besteht in einigen EU-Ländern formell eine Wahlpflicht. Das ist etwa in Belgien, Luxemburg oder Griechenland der Fall.

<p>Flaggen der EU vor dem Europa-Gebäude in Brüssel.</p>
Flaggen der EU vor dem Europa-Gebäude in Brüssel. | Foto: dpa

Von Armut bis Umwelt: Die Europäische Union in Zahlen

1957 unterzeichnen Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande die Römischen Verträge und gründen damit die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die später zur EU wird. Zahlen und Fakten von heute:

- Mitglieder: Der EU gehören 27 Staaten an. 2013 stieß Kroatien als jüngstes Mitglied hinzu, Großbritannien verließ die Gemeinschaft 2020. Beitrittskandidaten sind Albanien, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, die Türkei und die Ukraine. Die EU hat 24 Amtssprachen. In 20 EU-Ländern wird mit dem Euro gezahlt.

- Einwohner und Fläche: In der EU leben aktuell rund 448,8 Millionen Menschen. Das mit Abstand bevölkerungsreichste Mitgliedsland ist Deutschland mit rund 84,4 Millionen Einwohnern. Von den rund 4 Millionen Quadratkilometern des EU-Gebiets entfallen knapp 634000 auf das größte EU-Land Frankreich. Das kleinste Mitglied Malta umfasst lediglich 313 Quadratkilometer.

- Lebensstandard: Er ist den einzelnen Mitgliedsländern statistisch gesehen sehr unterschiedlich. Die EU berechnet ihr Ranking aus dem Bruttoinlandsprodukt und der Kaufkraft pro Kopf mit Hilfe eines Indexwerts, der EU-weit bei 100 liegt. Den höchsten Lebensstandard hatten demnach Luxemburg (240) und Irland (212). Die niedrigsten Werte entfielen auf Bulgarien (64), Griechenland (67) und Lettland (71).

- Armutsrisiko: 2022 war im Schnitt fast jeder sechste EU-Einwohner (16,5 Prozent) armutsgefährdet. Allerdings unterschied sich das Risiko auch hier sehr nach dem Herkunftsland. Die niedrigste Quote wies 2022 Tschechien mit 10,2 Prozent auf, gefolgt von Ungarn und Slowenien (je 12,1 Prozent). Die höchste Armutsgefährdung gab es in Lettland, Estland und Bulgarien (rund 23 Prozent), aber auch in Italien und Spanien (etwa 20 Prozent) war der Wert hoch. Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60Prozent des Durchschnittseinkommens des jeweiligen Staates verfügt.

- Arbeitslosigkeit und Staatsschulden: Die höchsten Arbeitslosenquoten von Menschen zwischen 20 und 64 Jahren gab es nach der jüngsten EU-Statistik für 2022 in Spanien (12,6 Prozent), Griechenland (12,3) und Italien (8,0). Am seltensten waren Menschen in Tschechien (2,2), Polen (2,8) und den Niederlanden (2,9) arbeitslos. Den höchsten Schuldenstand hatte im Jahr 2022 Griechenland (172,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes), den niedrigsten Bulgarien (22,6).

- Umwelt: Nach den jüngsten Daten für 2020 sind EU-Bürgerinnen und Bürger pro Kopf im Schnitt für 7,5 Tonnen Treibhausgas verantwortlich. Den höchsten Pro-Kopf-Wert mit 17 Tonnen hatte mit Abstand Luxemburg, die niedrigsten Zahlen gab es in Schweden (4,5 Tonnen) und Malta (4,4).

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