"Gefahr sind nur Gesellschaften, die fremde Kulturen nicht integrieren"


Herr Schmitz, steht Ihre Predigt für die Ostermesse schon, und welche Rolle werden die Anschläge von Brüssel darin spielen?

Nein, sie steht noch nicht. Aber mit Sicherheit werde ich dabei auf den Terror eingehen. Das habe ich bereits bei der Feier am Gründonnerstag getan, wo ich gesagt habe, dass man in diesen Tagen merkt, zu was der Mensch fähig ist: zum abscheulichen Terror, aber auch zur äußersten Hingabe seiner selbst – wenn wir an das letzte Abendmahl und die Fußwaschung denken.

Welche Botschaft wollen Sie in Ihrer Predigt, gerade vor dem Hintergrund der Terroranschläge, vermitteln?

Es wird eine Botschaft des Friedens und des Respekts vor dem Leben. Es geht mir vor allem darum, dass wir nicht in Angst und Hass verfallen. Das ist die größte Gefahr, die ich sehe: dass man jetzt pauschalisiert, alle in einen Sack schmeißt. Darauf möchte ich hinweisen.

Wird das viel zitierte Zusammenleben der Kulturen und Religionen, wie Sie selber es in Eupen fördern, durch den Terror von Brüssel in den kommenden Wochen und Monaten schwieriger?

Es ist sicher neues Misstrauen gesät worden. Aber es führt in meinen Augen kein Weg an dieser Begegnung der Kulturen und verschiedenen Religionen vorbei. Das Schlimmste, was man machen kann, ist, sich selber einzuigeln und andere außen vor zu lassen.

Blickt man als katholischer Geistlicher anders auf diese Terroranschläge und auf das, was Sie in den Menschen auslösen?

Man ist im ersten Moment genauso betroffen wie alle anderen auch und denkt an die Menschen, die einen Angehörigen oder Freund verloren haben. Aber ich denke schon, dass ich eine gewisse Distanz zu den Dingen gewinne, indem ich versuche, solche Ereignisse tiefgründig zu analysieren. Ich bin der Meinung, dass es Hass beim Menschen immer gegeben hat. Wir müssen uns verabschieden von der Vorstellung eines perfekten Menschen und einer perfekten Gesellschaft. Im christlichen Sinne würde man sagen: Der Mensch ist erlösungsbedürftig.

Wie haben Sie die Stimmung unter den Gläubigen, beispielsweise am Gründonnerstag, erlebt?

Die Christen sind sehr berührt und leben vielleicht gerade deshalb zu Ostern die Botschaft des Evangeliums noch tiefsinniger und intensiver.

Was antworten Sie den Leuten, die sagen: „Der Islam als Religion ist eine Gefahr für unser Wertesystem“?

Ich denke nicht, dass der Islam eine Gefahr ist. Gefährlich ist vielmehr eine Gesellschaft, die fremde Kulturen nicht integrieren kann und die Menschen in die Arbeitslosigkeit treibt. Wenn Menschen einbezogen und aufgenommen werden, ist keine Religion eine Gefahr für unsere Gesellschaft und unsere Werte.

Werte, von denen in diesen Tagen viel die Rede ist, aber die oft gar nicht groß thematisiert werden. Werden sich die Menschen vielleicht gerade in diesen von Terror geprägten Zeiten dieser Werte stärker bewusst?

Ich hoffe zumindest, dass sich die Menschen wieder auf das Wesentliche besinnen. Aber dazu hätte es nicht dieser Anschläge bedurft, das möchte ich in aller Klarheit sagen. Dieser Terror dient keinem – außer denen, die uns Angst machen und Hass säen wollen.

Werden Sie in den kommenden Monaten noch stärker den Schulterschluss zur islamischen Glaubensgemeinschaft in Eupen suchen?

Ich habe am Karfreitag an der Gedenkstunde der Gemeinschaft Acese teilgenommen. Und ich werde weiterhin den Dialog suchen und meine Mitmenschen dazu animieren, Gleiches zu tun. Das soll aber nicht bedeuten, dass man nicht kritisch sein muss. Wir dürften nicht blauäugig an die Sache rangehen.

Was meinen Sie damit?

Friede, Freude, Eierkuchen brauchen wir nicht. Man muss sich auf Augenhöhe begegnen und dabei Nachdruck darauf legen auf den absoluten Respekt vor dem anderen und der Achtung vor dem Leben.

Tut der Islam das denn weniger?

Nein, das tut der Islam genauso wie das Christentum. Beim Terror wird die Religion als Vehikel missbraucht. Wenn die Attentäter von Brüssel wirklich gläubig gewesen wären, hätten sie das nicht tun können.

Das komplette Interview mit Helmut Schmitz lesen Sie am Samstag im GrenzEcho.