Jodtabletten verstauben in belgischen Apotheken

<p>Die meisten Belgier haben es bislang nicht fü nötig gehalten, sich eine Packung Jodtabletten zu besorgen.</p>
Die meisten Belgier haben es bislang nicht fü nötig gehalten, sich eine Packung Jodtabletten zu besorgen.


Was ist zu tun, sollte sich in Belgien ein Atomunfall ereignen? Die Antwort darauf erteilte die Föderalregierung vor einem Jahr im Rahmen einer umfassenden und groß angelegten Informationskampagne zum neuen nuklearen Noteinsatzplan.

Seitdem kann jeder Bürger kostenlos Jodtabletten in der Apotheke abholen. 4,6 Millionen Dosen wurden zur Verfügung gestellt: insgesamt 40 Millionen Pillen mit einem Anschaffungswert von zwei Millionen Euro. Im März 2018 hatten Gesundheitsministerin Maggie De Block (Open VLD) und der damalige für nukleare Sicherheit zuständige Innenminister Jan Jambon (N-VA) noch Behauptungen zurückgewiesen, man reagiere auf erhöhte Gefahren, die von belgischen Kernkraftanlagen ausgingen. Vielmehr handele es sich um einen lange geplanten Schritt, um den in die Jahre gekommenen Noteinsatzplan zu aktualisieren, beteuerten die Politiker damals.

Doch trotz der langen Vorbereitung und der Sensibilisierungsbemühungen bleiben die Behörden auf ihren Jodtabletten sitzen. Lediglich 600.000 Packungen seien bislang verteilt worden, berichtete die flämische Tageszeitung „Het Nieuwsblad“ (Samstagausgabe). Es ging um 430.982 Packungen, die an Schulen, Krippen und andere Institutionen verteilt wurden, sowie um 215.337 Packungen für Privatpersonen.

„Vor dieser Entwicklung haben wir gewarnt“, meinte der Kammerabgeordnete Kristof Calvo von den flämischen Grünen (Groen), der die Zahlen bei Pieter De Crem (CD&V), der inzwischen in der geschäftsführenden Föderalregierung das Amt des Innenministers ausübt, angefragt hatte. „Das sind nur knapp vier Prozent aller Familien“, fügte Calvo hinzu. „Das ist wirklich wenig, und das zeigt auch, dass der nukleare Notfallplan nicht gut funktioniert“, stellt der Oppositionspolitiker fest. Die Grünen seien Anhänger einer Verteilung von Haus zu Haus gewesen, und zwar in ganz Belgien. Aber seinerzeit habe der damalige Innenminister Jan Jambon davon nichts wissen wollen. „De Crem muss jetzt einen Zahn zulegen oder er muss den Plan komplett ändern. Es dabei zu belassen, ist keine Option“, denkt Kristof Calvo.

Der Noteinsatzplan soll dafür sorgen, dass sich die Folgen des Unfalls in Grenzen halten.

In Belgien gibt es fünf nukleare Anlagen. Die bekanntesten sind die beiden Kernkraftwerke in Doel bei Antwerpen und Tihange bei Huy. Daneben gibt es das Studienzentrum für Kernenergie (SCK-CEN-SZK), Belgonucléaire & Belgoprocess in Mol-Dessel sowie das Landesinstitut für Radioelemente (IRE) in Fleurus. Schließlich befinden sich zwei Kernzentralen an den Grenzen, in Borssele (Niederlande) und in Chooz (Frankreich). Bei einem nuklearen Unfall kann Radioaktivität in der Luft, im Wasser oder in den Boden freigesetzt werden. Der Noteinsatzplan soll dafür sorgen, dass sich die Folgen des Unfalls in Grenzen halten. Die Behörden treffen auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen, um das nukleare Risiko einzuschränken.

Eine entscheidende Anpassung im nuklearen Noteinsatzplan betraf damals die Verteilung von Jodtabletten. Bei einem nuklearen Unfall kann radioaktives Jod freigesetzt werden. Durch die Atemwege oder kontaminierte Nahrung kann es in den Körper gelangen. Die Schilddrüse nimmt dieses Jod auf, was zu einer Bestrahlung „von innen“ führt und das Risiko einer Krebserkrankung stark erhöht. Durch die Einnahme von stabilem bzw. nicht radioaktivem Jod zum rechten Zeitpunkt ist die Schilddrüse bereits mit Jod gesättigt, sodass sie kein radioaktives Jod mehr aufnimmt. Allerdings: Jodtabletten bieten keinen Schutz vor anderen radioaktiven Stoffen. Die verteilten Jodtabletten sind zehn Jahre haltbar – für den Fall, dass der Run auf die Jodtabletten doch noch einsetzen sollte. „Wir sind also vorbereitet für die kommenden Jahre“, wurde ein Sprecher des Krisenzentrums in der Zeitung zitiert. (belga/sc)

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