Naomi Osaka feiert in Melbourne ihren zweiten Grand-Slam-Triumph

Auch diesmal ging bei der Siegerehrung nicht alles glatt, dafür sorgte Naomi Osaka allerdings höchstselbst. Zunächst stockte ihre Rede, weil der riesengroße Daphne Akhurst Memorial Cup in ihrem Arm etwas schwer wurde. Dann vergaß die Japanerin, was sie noch alles sagen wollte. Letztlich meisterte Osaka aber auch diese Prüfung, so wie sie derzeit alle Aufgaben besteht, die ihr auf der Tennis-Tour gestellt werden: authentisch und furchtlos.

139 Tage nach ihrem ersten Grand-Slam-Titel in New York, der von einem denkwürdigen Ausraster ihres Vorbilds Serena Williams (USA) überschattet worden war, wiederholte Osaka bei den Australian Open ihren Triumph. Im Finale gegen die tapfere Tschechin Petra Kvitova war sie über 2:27 Stunden lange die bessere Spielerin, wackelte jedoch kurz vor dem Ziel bedenklich, ehe sie sich mit 7:6 (7:2), 5:7, 6:4 durchsetzte.

„Ich war sehr enttäuscht und traurig, aber ich habe mir versucht zu sagen, dass ich nichts dafür konnte“, sagte Osaka zu den Minuten, als sie drei Matchbälle vergab und im zweiten Satz eine 5:3-Führung verspielte. Die Zweifel saßen dennoch tief, umso erstaunlicher war die nächste Wende: Im entscheidenden Durchgang fand Osaka zurück zu der Lockerheit, die sie ausmacht, der fünfte Matchball saß.

Belohnt wird sie auch mit dem Sprung an die Weltspitze, dort löst die 21-Jährige am Montag die Rumänin Simona Halep ab.

Nach Osakas zweitem Grand-Slam-Triumph dürfte feststehen, dass im Frauentennis eine neue Ära angebrochen ist. In den vergangenen Jahren hatte es bei acht Grand Slams acht verschiedene Siegerinnen gegeben. Vor Osaka hatte zuletzt Serena Williams 2015 bei den French Open und in Wimbledon zwei Majors in Folge gewonnen.

Gegen die 23-malige Grand-Slam-Siegerin holte Osaka bei den US Open im September 2018 überraschend ihren ersten großen Titel. Williams hatte sich während und nach dem Match in absurde Sexismus-Vorwürfe gegen den Schiedsrichter Carlos Ramos verstiegen. Die Pfiffe bei der Siegerehrung hatten Osaka den Moment verdorben, diesmal stand sie sich beinahe selbst im Weg. Aber nur beinahe. Lob für ihren Triumph erhielt Osaka von Japans Ministerpräsident Shinzo Abe. Der 64-Jährige sagte, er sei „stolz auf die Geburt einer neuen Königin des Tennis“. Zudem attestierte er Osaka einen „beeindruckenden Sieg in einem sehr engen Match“.

Großen Anteil an ihrem Erfolg, das bestätigte Osaka nach dem Match, hat ihr deutscher Trainer Sascha Bajin. Den früheren Hittingpartner der Weltklassespielerinnen Serena Williams, Wiktoria Asarenka und Caroline Wozniacki habe sie ausgewählt, weil er so positiv an die Arbeit herangehe. „Ich dagegen ziehe mich manchmal runter“, sagte Osaka.

Kvitova (28), bis dahin im Turnierverlauf ohne Satzverlust, musste einsehen, dass ihr Einsatz an diesem Tag gegen den neuen Superstar der Tennistour nicht ausreichte. „Das tut weh“, gab sie zu, „ich hatte meine Chancen.“ Ihren größten Sieg, sagte Kvitova, habe sie jedoch ohnehin bereits vor zwei Jahren gefeiert. Nachdem ihr ein Einbrecher mit einem Messer die Hand aufgeschlitzt hatte, „wusste ich nicht einmal, ob ich überhaupt wieder einen Schläger halten kann“, sagte sie: „Ich kann. Ich bin auf jeden Fall wieder zurück.“ (sid)