Erneut Sorge um Unabhängigkeit polnischer Gerichte

Der polnische Präsident Andrzej Duda hatte im Juli Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit der PiS-Gesetze geäußert und sie zum Ärger der Nationalkonservativen per Veto gestoppt. | Sven Hoppe/dpa

Der Streit um die Unabhängigkeit polnischer Gerichte geht in eine neue Runde: Nach vier Monaten Pause kommen die umstrittenen Justizgesetze zurück ins Warschauer Parlament. Statt der radikalen Reformen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS, gegen die zehntausend Polen im Sommer protestierten, debattieren die Abgeordneten nun Vorschläge des Präsidenten Andrzej Duda. Er hatte im Juli Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit der PiS-Gesetze geäußert und sie zum Ärger der Nationalkonservativen per Veto gestoppt.

Der studierte Jurist der Krakauer Jagiellonen-Universität arbeitete eigene Gesetze zum Obersten Gericht und Landesjustizrat aus, einer Kammer, die die Richter an Polens Gerichten wählt und über die Unabhängigkeit der Justiz wacht. Das Gerichtswesen müsse reformiert werden, um effektiver zu arbeiten, räumen selbst hochrangige Juristen ein. Sie kritisieren jedoch: Die Nationalkonservativen wollten dies als Vorwand nutzen, um die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen.

Durch die Vetos des aus eigenen Reihen stammenden Präsidenten wurde die PiS, die in Polen dank einer großzügigen Sozialpolitik großen Rückhalt genießt, überrascht. Um neue Hindernisse bei der Umsetzung der Reformen zu vermeiden, bemühte sich die Partei von Chef Jaroslaw Kaczynski vor neuen Parlamentsarbeiten um Einigkeit mit Duda. Längere Beratungen brachten einen vorläufigen Kompromiss: Die PiS werde Dudas Gesetze nach der ersten Lesung in einem Parlamentsausschuss überarbeiten, wie es laut PiS und Präsidentenkanzlei heißt. Ob sie noch in diesem Jahr verabschiedet werden, ist unklar. Dudas Reformen seien schlechter als die Lösungen, die zuvor das Justizministerium vorgeschlagen hatte, bemängelt Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro.

Die PiS-Gesetze sahen für ihn weitreichende Befugnisse vor. Duda forderte, diese zu beschränken. Der Präsident setzte außerdem durch, dass Mitglieder des Landesjustizrats nicht mit einfacher Parlamentsmehrheit, sprich von der mit absoluter Mehrheit regierenden PiS, gewählt werden können. Die Sorgen um die Unabhängigkeit polnischer Gerichte sind damit aber nicht vom Tisch: „Richter des Landesjustizrates sollten gar nicht erst von Politikern gewählt werden“, kritisiert die polnische Richtervereinigung „Iustitia“ und kreidet Dudas Entwürfen Verfassungswidrigkeit an. Auch an seinem Gesetz zum Obersten Gericht gibt es Kritik. Durch die Herabsetzung des Pensionsalters für Richter von 70 auf 65 Jahre könnte fast die Hälfte der derzeit amtierenden Juristen ausgetauscht werden. Die PiS hatte den Austausch aller Richter angestrebt. Politisch motivierte Kaderwechsel an Gerichten hat es laut Kritikern längst gegeben. Ein umstrittenes PiS-Gesetz hatte Duda nämlich gebilligt. Es ermächtigt Minister Ziobro, seit August Gerichtspräsidenten grundlos auszutauschen.

Zahlreiche Vorsitzende und Stellvertreter von Bezirks- und Berufungsgerichten mussten nach Ministeriumsangaben seitdem ihre Plätze räumen. Schwer traf es die schlesische Justiz: Die Abberufung von zehn Juristen bezeichnet „Iustitia“ als „Säuberungsaktion“ und „Attacke auf die Justiz“. Die ihnen unterstehenden Gerichte hätten nicht effektiv gearbeitet, sagt das Ministerium. Diese Argumentation überzeuge nicht einmal ein Kind, meint „Iustitia“-Vorsitzender Krystian Markiewicz. Die Sorge vor staatlichem Einfluss auf Polens Gerichte treibt auch die EU-Kommission weiter um.

„Wenn die Diskussionso oberflächlich verläuft,ist es egal, was wir in die Entwürfe schreiben.“

Dudas Gesetze würden nicht den EU-Standards entsprechen, sagt Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans nach vorläufiger Prüfung der Reformen. Dudas Berater Krzysztof Szczerski verteidigt seinen Chef: Die Gesetze würden europäische Richtlinien befolgen. „Wenn die Diskussion weiter so oberflächlich verläuft, ist es egal, was wir in die Gesetzesentwürfe schreiben“, meint Szczerski und ist der Ansicht, Polen werde den ihm aufgedrückten negativen Stempel nicht mehr los.

Wegen umstrittener Veränderungen des polnischen Justizsystems hatte die Europäische Kommission bereits 2016 ein allgemeines Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet. Diese Untersuchung führte bislang zu keinem befriedigenden Ergebnis. Zuletzt drohte die EU-Kommission die Einleitung eines weiteren Verfahrens an, durch das Polen sogar bei Abstimmungen im EU-Ministerrat sein Stimmrecht verlieren kann. (dpa)