10 Dinge, die Sie über TTIP wissen sollten

Der Bürger muss die Suppe auslöffeln. | 4


1. Was ist das Ziel der TTIP-Verhandlungen?
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP gilt als das bislang größte Handelsprojekt der EU. Ziel ist die gegenseitige Liberalisierung des Handels mit Waren und Dienstleistungen, durch den Abbau von Zöllen und durch die Abschaffung überflüssiger Vorschriften für Prüfungsverfahren und Zertifizierungen. Anvisiert wird zudem der gegenseitige Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen auf allen Verwaltungsebenen. Zu den Zielen gehört auch die Umsetzung von Grundprinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

2. Wer verhandelt mit wem?

Der Rat der Europäischen Union hat der EU-Kommission im Juli 2013 das Mandat für die Verhandlungen erteilt. Zuständig ist die Handelskommissarin Cecilia Malmström. Auf der Seite der USA verhandelt Michael Froman im Auftrag der United States Trade Represantativ (USTR). Das EU-Mandat wurde auf Druck der Öffentlichkeit veröffentlicht. Es lässt der Kommission großen Spielraum, wobei darin zum Beispiel festgelegt ist, dass ein hohes Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzniveau gefördert werden soll.

3. Wie sieht der Zeitplan aus?

Ursprünglich sollten die Verhandlungen schon 2014 in die entscheidende Phase treten. Nun ist von Ende 2015 die Rede. Beobachter gehen aber mittlerweile davon aus, dass sich die Verhandlungen wegen des wachsenden Protests in weiten Teilen der Bevölkerung noch über Jahre hinziehen könnten. Druck macht US-Präsident Barack Obama, der TTIP vor Ende seiner Amtszeit im Jahr 2016 unter Dach und Fach haben will. Das EU-Parlament wird am 10. Juni über eine Resolution abstimmen, die die bisherige Verhandlungspraxis bewertet und weitere Forderungen stellt.

4. Warum sind die Verhandlungen geheim?

Wie bei allen Handelsgesprächen der EU sind die Vertragsunterlagen und die Konsultationen geheim. Der ostbelgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont (CSP) erhält wie andere Parlamentarier nur einen sehr eingeschränkten Zugang zu Zwischenergebnissen und Protokollen (siehe Seite 3). Die Kommission sagt, es sei wie beim Autokauf: Wenn der andere nicht weiß, welchen Preis man zu zahlen bereit ist, könne man am Ende für beide Seiten den besten Preis aushandeln. Während das EU-Mandat inzwischen veröffentlicht wurde, ist von den Amerikanern nichts bekannt. Für mehr Transparenz sollte die Einrichtung eine Beobachtergruppe sorgen. Sie setzt sich aus 14 Vertretern von Industrie- und Zivilgesellschaft zusammen und erhält Einblick in ausgewählte Dokumente.

5. Wer entscheidet am Ende?

Alle internationalen Handelsabkommen bedürfen der Zustimmung des EU-Parlaments. Bei TTIP handelt es sich wahrscheinlich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen, weil nationale Gesetzgebung berührt wird. Deswegen müssen auch die nationalen Parlamente darüber abstimmen – so auch das Parlament der DG. Der frühere EU-Handelskommissar Karel De Gucht hatte allerdings ins Spiel gebracht, die Ratifizierung durch die Staaten nochmals rechtlich prüfen zu wollen. Das könnte also im Verlauf des Prozesses noch eine entscheidende Änderung bedeuten.

6. Was sind nicht-tarifäre Handelshemmnisse?

Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen (NTB) zählen u.a. Gesetze, technische Standards und Gesundheits- und Pflanzenschutzstandards bei der Produktion von Waren. Ein gerne benutztes Beispiel: der Blinker am Auto, der für europäische Straßen orange und für amerikanische Straßen rot leuchtet. Keine Variante ist sicherer – dennoch müssen europäische Autobauer für den US-Markt die Blinker umrüsten. Einer Studie zufolge erhöhen doppelte Produktzulassungen und Testverfahren bei der Einfuhr in die EU im Autosektor die Kosten um 26 Prozent. Bei Kosmetika sind es 35, bei Nahrungsmitteln und Getränken sogar 57 Prozent.

7. Sind europäische Standards in Gefahr?

Die TTIP-Kritiker sagen ganz klar: ja. Trotz aller Beteuerungen seitens der Handelskommissarin Malmström und des US-Unterhändlers Froman rechnen Verbraucherschützer, Gewerkschaften und Umweltschützer mit einem enormen Druck, geltende Standards in allen möglichen Lebensbereichen abzuschwächen. Das bezieht sich etwa auf die Einfuhr gentechnisch veränderter Lebensmittel oder auf den Einsatz von Hormonen in der Fleischproduktion. Die Unterhändler sagen, es gehe eher darum Standards und Zertifizierungsverfahren gegenseitig anzuerkennen, „wenn sie ein gleich hohes Schutzniveau garantieren“. Kritiker sehen sich in ihrer Argumentation durch diverse Zugeständnisse bestätigt, die die EU an die USA bereits im Vorfeld gemacht haben sollen. So etwa bei der Erlaubnis der Einfuhr der Gen-Mais-Sorte MIR 162 oder bei der Behandlung von Rindfleisch mit Milchsäure, um den Gärprozess im Fleisch zu beschleunigen.

8. Worum geht es beim umstrittenen Investorenschutz?

Geplant ist, im Abkommen einen Investitionsschutz zu vereinbaren, der es Unternehmen möglich macht, gegen staatliche Maßnahmen vor privaten Schiedsgerichten zu klagen. Die Politologin Pia Eberhardt von der lobbykritischen Organisation Corporate Europe Observatory sieht darin einen Eingriff in demokratische Gesetzgebungsverfahren. In der Tat nutzen Konzerne solche Schiedsgerichtsverfahren immer häufiger, um gegen unliebsame Auflagen vorzugehen. So klagt z.B. Philip Morris gegen Tabakgesetze in Australien. Und Vattenfall fordert wegen des Atomausstiegs 3,5 Milliarden Euro Schadensersatz von Deutschland. Am Ende könnten Parlamente ein Gesetz später oder stark verändert auf den Weg bringen, weil man hohe Strafen fürchtet, die am Ende vom Steuerzahler bezahlt werden müssen.

9. Was versteht man unter regulatorischer Zusammenarbeit?

Vorgesehen ist die Einsetzung eines sogenannten Regulierungsrates, der aus Mitgliedern beider Vertragspartner besetzt ist. Dieser Rat soll Gesetzesentwürfe daraufhin überprüfen, ob sie TTIP-konform sind. Der Rat kann zwar keine Gesetze der Nationalstaaten verhindern. Aber Kritiker sehen darin eine Instanz, die die Interessen des Handels stärker in den Gesetzgebungsprozess einbringen kann, als alle anderen Interessen, etwa von Verbraucher- oder Umweltschützern.

10. Lobbyarbeit: Wird TTIP ein Abkommen der Konzerne?

Der Einfluss von Lobbyisten auf den Verhandlungsprozess ist groß. Zum Beispiel wurde ein nennenswerter Teil von „euphorischen“ Wirtschaftsprognosen im Vorfeld der Verhandlungen von der Industrie finanziert. Zudem fanden seit 2011 zur Vorbereitung 130 Gesprächsrunden statt, davon 119 mit Industrieverbänden und nur elf mit Verbraucherorganisationen.