Das ist doch klar: Wir sind alle Mottesse

Von Hubert vom Venn

Sei es in Aachen – , sei es an der Mosel in Trier. Immer wieder gibt es Peripherie-Menschen, die behaupten: „Nein, wir sind keine Eifeler!“

Kurzum: Selbst in der Eifel sind Eifeler oft immer nur die anderen: hinter dem nächsten Höhenzug, der nächsten Wasserscheide oder dem nächsten Zaunpfahl.

Halt, mein Eupener Freund, wer wird denn jetzt gleich in die Luft gehen, greife lieber …

zum „Bildatlas Eifel“, dann wirst auch Du sehen, dass Eupen ein Städtchen in der Eifel ist.

Zu Erinnerung: Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrtausends brachte ein Glimmstängelproduzent, der in der Werbung immer ein cholerisches Strichmännchen vor Wut an die Decke gehen ließ, einen der ersten Bildatlanten über regionale Gebiete auf den Markt. Die Nummer 18 hieß dann Eifel – und siehe da:

Eupen liegt in der Eifel.

Man bemerkte dazu „… Eupen, das wegen seiner stattlichen, großbürgerlichen und sakralen Barockbauten und der Rokoko-Schnitzkunst sehenswert ist.“

Däh, da hastet!

Von wegen „ Hören Se mal, der Herr, wir Eupener sind doch keine Eifeler, wir sind Maasländer. Die Mottesse leben hinter dem Venn. Wenn Se mir nochmal mit denen kommen, dann springe ich Sie mit der nackte Dings, also ins Gesicht.“

Der Mensch, der mich in Eupen so abferkelte, war höchst beleidigt, weil ich sein Heimatstädtchen „Eine der Perlen der Eifel“ genannt hatte.

Hier ist für Nichteingeweihte Erklärungsbedarf gegeben:

Was, bitteschön, sind Mottesse?

„Mottesse“ ist das Schimpfwort der Eupener für die ostbelgischen Eifeler.

Aber was bedeutet dieses Wort? Für ein Buchprojekt habe ich dazu vor Jahren eine Befragung durchgeführt.

Claudine Schröder aus Schönberg: „Hat etwas mit ‚Mitesser‘ zu tun, was auf Plattdeutsch ‚mot essen‘ heißt!“

Diese Auslegung erklärte mir ein nicht ganz so aufgeregter Eupener: „Hat auch etwas mit Schnorrer zu tun. Die Eifeler besuchten gerne am Sonntag ihre Eupener Verwandtschaft und hofften natürlich, dass es an der Kaffeetafel was zum Mitessen gab – umsonst, versteht sich.“

Doch es gibt noch eine Auslegung, der ich sehr zugetan bin:

Der Journalist Christian Schmitz aus Grüfflingen kennt nämlich eine andere Geschichte: „Der Heilige Matthias (abgewandelte Formen wie Mat, Matt, Mattes. Matjö, Mätti oder eben „Mottess“) wurde immer als Märtyrer mit (s)einer (Enthauptungs-)Axt in der Hand dargestellt.“ Und da der fleißige Eifeler fast immer Werkzeug in der Hand hat, nannte man ihn Mottess.“

Und das ist der springende Punkt.

Der Eifeler ist einfach fleißig, hat immer eine Gerätschaft in der starken Pranke –, selbst wenn es nur ein Hammer ist, mit dem er seinem Nachbarn droht.

Begeben Sie sich zu jeder beliebigen Tageszeit einmal in unsere Region. Fast überall – wenn er nicht gerade im Auto sitzt – werden Sie auf Männer „im Blau-Leinen“ treffen, die mit Sicherheit irgendein Werkzeug in der Hand halten. Und wenn dieses Gerät dann auch noch einen Höllenlärm macht, ist das Glück des Mannes perfekt.

Zu jeder Tageszeit – kommen Sie mir nicht mit staatlich angeordneter Mittagsruhe – werden Sie von einem einsamen Hügel den elfenähnlichen Gesang der Eifel hören: Ketten- und Kreissägen, Presslufthammer, Rasenmäher, Sägewerke, die Axt im Walde und als süßer Begleitton im Hintergrund: Laubsauger.

Besonders an Samstagen trifft sich der Eifel-Chor zum stillen Gemeinschaftsgesang mit den oben angeführten Instrumenten.

Da stört nur der Motorradlärm der einfallenden Städter.

Doch der fleißige Eifeler Mann braucht auch ein Fortbewegungsmittel.

„Wann ist ein Mann ein Mann?“, fragte einst Herbert Grönemeyer.

Den echten Mann erkennt man in den Metropolen vielleicht an seinem schnittigen GT-0815- Sportwagen.

Nicht so in der Eifel!

Was nützt der teuerste Flitzer, wenn er keine Anhängerkupplung hat? Denn ohne Anhänger ist man in ländlichen Gebieten kein richtiger Bursche. Holz muss aus dem Wald geschafft werden, Baumaterial transportiert und marode Waschmaschinen zur Schrottsammelstelle gefahren werden –, der Eifeler kippt nie auf wilden Müllkippen im Wald ab. Ein Mann, seine Anhängerkupplung und sein „Kärrchen“ – das ist wie John Wayne, Pferd und Colt.

Tritt der fleißige Eifeler nicht alleine auf, sondern in Gruppen – zum Beispiel bei der Fahrt zum Abends-sich-was-nebenbei- verdienen (bitte unterlassen Sie das hässliche Wort Schwarzarbeit) – , dann kommt die Rotte meist zusammengepfercht in einem Kleinlaster. Sie erkennen dies an einem steil nach oben zeigenden Besen hinter dem Führerhaus auf der Ladefläche. Vorne sitzen der Fahrer und ein kauender Kollege, während der auf der hinteren Sitzreihe meistens schläft, die Backe gegen die Scheibe drückt und mit leicht geöffnetem Mund wie ein Flummi aussieht, den man gegen Glas geklatscht hat.

Genug des Mannes!

Das „Große Buch der Vornamen“ kennt auch eine weibliche Form des Matthias, was übrigens „Geschenk Gottes“ heißt. Passt ja …

Mattea oder Matthäa – spontan fällt mir dazu keine heimische Frau ein, einigen wir uns also auf Thea.

Diese muss man nicht unbedingt mit einer Kettensäge unter dem Arm darstellen, ein schlichtes Kartoffelmesser tut es hier auch. Was der urbanen Frau ihr Thermomix – ist der Eifelerin ihr Kartoffelmesser. Damit – wieder ein Beispiel aus dem Wilden Westen – hat sie eine Fingerfertigkeit erlangt, die Billy the Kid wie einen drittklassigen Messerwerfer aussehen lässt. Ob Kartoffel, Schraube, Fleischermesserersatz, Herdplattenreinigung oder Unkraut auf der Hauptverkehrsstraße –, immer ist die Eifeler Thea mit ihrem Kartoffelmesser zur Stelle, um das Problem zu lösen.

Ein für alle Male…

Der Sarkophag des Apostels Matthias steht übrigens in Trier.

Jetzt kommen Sie mir nicht, das wäre keine Eifel.

(Foto: Heike Eisenmenger) www.hubert-vom-venn.de