Unschuldige Zivilisten

Dieser Begriff wird gebetsmühlenartig in jedes Argument gegen Krieg eingebettet. Ich empfehle jedem Interessierten vorab die Lektüre der Zeugenberichte von der 27-jährigen Israelin Millet, die das Festivalmassaker überlebte (BILD), und von Wolf Biermann, der die Bombardierung von Hamburg 1943 als Sechsjähriger überlebte (SPIEGEL). Beide haben den blanken Horror erlebt und viele Zivilisten sterben gesehen.

Wolf Biermann erinnerte sich daran, dass seine Mutter mitten im Bombeninferno mehr Erleichterung als Entsetzen empfand. Er relativierte sogar den Begriff „unschuldige Zivilisten“, insofern doch das Naziregime aus dem deutschen Volk, genau wie jetzt Hamas aus dem palästinensischen Volk (des Gazastreifens), hervorgegangen sei.

Die Opfer des Massakers haben schlimmstenfalls Netanjahu gewählt, der, soweit ich weiß, zu keiner Zeit die Auslöschung aller Palästinenser propagiert hat. Die Opfer im Gazastreifen haben dagegen ihrerseits die Hamas, die sich sehr wohl, soweit mir bekannt, die Auslöschung Israels auf ihre Fahnen geschrieben hat, über Jahre mehrheitlich unterstützt, oder zumindest sie gewähren lassen.

Jeder, der jetzt von Israel Zurückhaltung fordert, sollte sich die Frage stellen, ob nicht vielleicht der eine oder andere Palästinenser heute im Gazastreifen fühlt, wie Biermann’s Mutter 1943 in Hamburg fühlte, sprich trotz allem Schrecken letztendlich die Hoffnung hegt, dass der Hamas-Spuk endlich ein Ende nimmt?

Kommentare

  • Den Überlegungen von Herrn Schmitz möchte ich Folgendes hinzufügen:
    Nein, Netanjahu will sicherlich nicht die Vernichtung des palästinensischen Volkes betreiben, er ist aber wohl mitverantwortlich für die ungehinderte, ja sogar beschleunigte Ausbreitung der israelischen Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem, wo es inzwischen rund 290 Niederlassungen mit 690 000 Bewohnern gibt, die aus ihren radikalen Ansichten keinen Hehl machen.
    Sie behaupten, dass das „jüdische Volk ein ‚exklusives‘ Recht auf alle Gebiete von Eretz Israel“ habe.
    Ein „Groß-Israel“ also, in dem für die Palästinenser kein Platz mehr wäre.
    Vertreter von solchen radikalen Ansichten sitzen jetzt in der Regierung: Finanzminister Bezalel Smotrich und der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, leben beide selbst in Siedlungen.

    Wie unter diesen Umständen die oft propagierte Zwei-Staaten-Lösung verwirklicht werden könnte, das wissen weder Jahwe noch Allah.

    A propos Jahwe. Durch sein Versprechen an Abraham, diesem und seinen Nachkommen das Land Kanaan zu schenken, hat er den Grundstein für alle folgenden Konflikte gelegt. Schon die Rückkehrer aus Ägypten stießen auf Einwohner, die den Einwanderern ihr Land nicht so ohne Weiteres überlassen wollten. Die Bibel ist voll von Schilderungen über Kämpfe, blutigen Massakern und Vertreibung.
    Wobei nichts über die Historizität der Ereignisse gesagt ist. Wichtig ist nur, dass die Juden ihr angeblich von Jahwe verbrieftes Recht daraus herleiten, bis heute.

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