Am Montagabend feiert die DG 50 Jahre Autonomie

<p>Dieses Bild ist berühmt geworden: Es entstand bei der Einsetzung des RdK am 23. Oktober 1973. Zu sehen sind der erste Ratspräsident Johann Weynand (l.) und Staatssekretär Willy Schyns.</p>
Dieses Bild ist berühmt geworden: Es entstand bei der Einsetzung des RdK am 23. Oktober 1973. Zu sehen sind der erste Ratspräsident Johann Weynand (l.) und Staatssekretär Willy Schyns. | Archivfoto: PDG

Dieser Kulturrat gilt als Vorläufer des heutigen Parlamentes der DG (PDG), auch wenn er seinerzeit nur mit wenigen Kompetenzen ausgestattet war und keine Entscheidungen fällen konnte. In der Aula der Pater-Damian-Sekundarschule, dort, wo am 23. Oktober 1973 auch die konstituierende Sitzung des Rates der deutschen Kulturgemeinschaft (RdK) stattfand, steht am Montagabend, ab 18.30 Uhr, der offizielle Festakt zu 50 Jahren Jahren Autonomie der DG auf dem Programm.

Die Veranstalter haben sich einiges einfallen lassen: Neben der Ansprache von DG-Parlamentspräsident Charles Servaty (SP) und einem „Grußwort“ von Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) später gibt es einen Gastbeitrag: Jens Woelk, Professor für vergleichendes Verfassungsrecht an der Universität Trient, wird dabei über „Die Herausforderungen für Regionalparlamente in der europäischen Integration“ sprechen. Zudem gibt es Grußbotschaften aus Partnerregionen und -einrichtungen sowie von Bürgern aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Eine Talkrunde mit Vertretern der im Parlament vertretenen Fraktionen (also ProDG, CSP, SP, Vivant, Ecolo und PFF) steht ebenfalls auf dem Programm. Moderiert wird das Ganze von BRF-Chefredakteur Stephan Pesch. Im Rahmenprogramm zu sehen bzw. zu hören: Regenbogengruppe Kelmis, Carmina Viva, Eastbelgica Streichquartett und Tanzzentrum Walhorn.

Zum Hintergrund: Durch die 1962-1963 verabschiedete neue Gesetzgebung über den Sprachgebrauch in Verwaltungsangelegenheiten wurde das deutsche Sprachgebiet geschaffen. Damit wurde auch das Territorium der späteren Deutschsprachigen Gemeinschaft abgesteckt. Die Einführung des Territorialprinzips in der Gesetzgebung wird zu einem Eckpfeiler der Föderalisierung des Staates.

Bei der ersten Staatsreform 1968-1971 zeichnen sich die Konturen der politischen Eigenständigkeit ab. Die damals noch sogenannte deutsche Kulturgemeinschaft (in Anlehnung an die Bezeichnungen „französische Kulturgemeinschaft“ und „niederländische Kulturgemeinschaft“) erhält einen Rat, der am 23. Oktober 1973 eingesetzt wird. Bereits am 10. März 1974 werden erste Direktwahlen durchgeführt.

Die zweite große Staatsreform von 1980-1983 bringt die Deutschsprachige Gemeinschaft in ihren Eigenständigkeitsbestrebungen wesentlich voran: Ein neuer Verfassungsartikel bestimmt, dass die Gemeinschaft Dekretbefugnisse in kulturellen und personenbezogenen Angelegenheiten sowie in den zwischengemeinschaftlichen und internationalen Beziehungen erhält. Außerdem kann sie künftig – im Einvernehmen mit der Wallonischen Region – Regionalbefugnisse ausüben. Seit Anwendung der zweiten Staatsreform bestimmt der Rat selbst die Exekutive (Regierung) der DG. Bis zu jenem Zeitpunkt wurde die Exekutive von Mitgliedern der Nationalregierung gebildet.

Mit der dritten Staatreform von 1988-1990 erfolgt die Befugnisübertragung in Sachen Unterrichtswesen. Für die DG bedeutet das nicht nur eine enorme sachliche Herausforderung, sondern auch: Die Finanzzuweisungen seitens des Föderalstaates verdreifachen sich. Seit den 90er Jahren wird die Anerkennung der DG gefestigt. Ihre Befugnisse werden weiterentwickelt und vor allem durch die Übernahme von Regionalzuständigkeiten ausgebaut. Am 23. Oktober 1991 erhält der Verfassungstext in deutscher Sprache denselben offiziellen, rechtsverbindlichen Charakter wie die französische und die niederländische Version.

Die vierte Staatsreform von 1993-1994 ersetzt das belgische parlamentarische System mit zwei gleichwertigen Kammern durch ein differenziertes System, in dem die Abgeordnetenkammer vorrangig die üblichen parlamentarischen Aufgaben (Verabschiedung der Gesetze und des Haushalts, Kontrolle der Föderalregierung) wahrnimmt und der Senat als Denkforum und Begegnungsort der Gliedstaaten Belgiens dienen soll. Seit den Wahlen von 1995 entsendet der Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft ein Mitglied in den Senat. Die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft wird in der Folgezeit weiter ergänzt und ausgebaut.

Durch die fünfte Staatsreform von 2001 erhalten die Gemeinschaften höhere Finanzmittel vom Föderalstaat (die sogenannte Refinanzierung). Wie die anderen Gemeinschaften kann die DG künftig eine eigene Regelung für die Kontrolle der Wahlausgaben, der Regierungsmitteilungen und der komplementären Parteienfinanzierung ausarbeiten. Auch wurde festgelegt, dass die DG-Regierung künftig drei bis fünf Mitglieder umfassen kann und mindestens eine Frau beziehungsweise mindestens einen Mann zählen muss.

Nach einer Änderung der belgischen Verfassung am 9. Juli 2004 werden die bisherigen Regional- und Gemeinschaftsräte offiziell als „Parlamente“ bezeichnet. Seit dem 1. Januar 2005 übt die DG eine weitere wichtige Regionalbefugnis aus: die Aufsicht und die Finanzierung der Gemeinden.

Mit der sechsten Staatsreform, die am 1. Juli 2014 in Kraft tritt, gehen weitere Zuständigkeiten und finanzielle Mittel vom Föderalstaat an die Gemeinschaften und Region über. Die DG verfügt nun wie die anderen Gemeinschaften über die konstitutionelle Autonomie. Damit darf sie über grundsätzliche Regeln zur Organisation des Parlamentes und der Regierung selbst bestimmen.

Seit der sechsten Staatsreform übt die DG eine ganze Reihe neuer Zuständigkeiten aus, vor allem in den Bereichen Soziales (z.B. Kinderzulagen), Gesundheit (z.B. große Teile der Krankenhauspolitik, Langzeitpflege, Prävention) und Justizwesen (Justizhäuser, Strafverfolgungspolitik).

Parallel zur sechsten Staatsreform hat die DG die weitere Übertragung von Zuständigkeiten mit der Wallonischen Region ausgehandelt. Die wichtigsten in der jüngeren Vergangenheit waren Raumordnung, Wohnungswesen und Teile der Energiepolitik. (sc)

Quelle: PDG.be

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