Autonomie von Freddy Derwahl

Interessante Idee, die Entwicklung unserer Autonomie literarisch aufzubereiten.Der Autor zieht gleich alle Register. Ein Ich-Erzähler - die Erzählung beginnt mit „Ich“ - führt durch die Handlung. Bald wird klar, dass dieser Ich-Erzähler der eigentliche Protagonist unserer Autonomie ist. Um ihn herum scharen sich viele Figuren, die alle mit realen Personen übereinstimmen, durchaus gewollt.

Eine Konzession an den Zeitgeist, der toleriert, Menschen öffentlich vorzuführen? Damit wir uns noch stärker mit unserem Held solidarisieren, widerfährt ihm viel Unbill. Dank seines Elefantengedächtnisses hat er keinen der Urheber nebst Parteizuhörigkeit je vergessen, und kann sich jetzt Genugtuung verschaffen. Den Ersten ordnet er den Liberalen zu, einem der Letzten wirft er ferngelenkte politische Prozesse vor. Das Ganze aufhellende Nebenschauplätze werden nicht vernachlässigt: Aus gestandenen Männerfeindschaften können eben-solche Freundschaften werden.

Den Abend der ersten Unbill im Eumavenhaus habe ich etwas anders in Erinnerung. Eingeladen als Redner waren Lorenz Paasch, Lehrer - für mich damals Hobbypolitiker - und Freddy Derwahl, Attaché - für mich Berufspolitiker. Beide waren mir damals persönlich nicht bekannt. Der „Hobby-Politiker“ konnte mich durch eine klare Darstellung der neuen komplexen Struktur Belgiens und einen ebenso klaren und durchdachten Entwurf der Stellung der deutschsprachigen Belgier so beeindrucken, dass seine Ausführungen die Initialzündung zu meinem großen Interesse für Politik wurden. Leider konnte der „Berufspolitiker“ keinen so schlüssigen Gegenentwurf auftun, glitt in einen leicht larmoyanten Ton ab. Der daraus resultierende Frust wurde laut. Der Ich-Erzähler macht daraus lieber ein Ausbuhen durch den damals zukünftigen Gerichtspräsidenten. Danach konnte ich erleben, mit welcher Energie und Kompetenz Lorenz Paasch entscheidende Beiträge zu unserer Autonomie geleistet hat. Da ich ihn auch persönlich kennenlernte, weiß ich, dass Politik nicht unbedingt den Charakter verdirbt.

Kommentare

  • Freddy Derwahl und die Autonomie
    Die beiden literarischen Aufarbeitungen von Freddy Derwahl über den Beginn und die Entwicklung unserer Autonomie vom 12. Und 13. Oktober im GE wurden von Egi Piette aus Sankt Vith ebenso literarisch treffend kommentiert. Seinen Leserkommentar kann man genüsslich über sich ergehen lassen, ihn bewundernd bewerten und dem Schreiber dafür danken. Davon abgesehen, dass es schon verwunderlich ist, dem Schriftsteller Derwahl zwei volle Seiten zur Verfügung zu stellen, damit er seine Auslassungen und Sichtweisen von sich geben kann. Ähnlich wie Egi Piette habe ich allerdings manches anders erlebt, war aber zu der Zeit, als es zur Gründung und Einsetzung des Rates der deutschen Kulturgemeinschaft kam, beruflich im weit entfernten Ausland unterwegs, nämlich in Westfalen und im Rheinland, und das ohne Internet und Handy. Ich trieb mich also nicht in Eupener Kneipen oder Brüsseler Fluren herum, und durfte auch keinem großen Politiker die Hand schütteln. Deshalb haben die vielen Anekdoten und Geschichten für mich zunächst einmal einen sehr hohen Unterhaltungswert. Aber nur wenig davon lässt sich auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, man erkennt also nicht genau was ist Wirklichkeit und was ist Anekdote. Als Roman ist die Erzählung von Freddy Derwahl also durchaus wertvoll und ausbaufähig. Ich kann aber nicht verhehlen, dass es mir wie ein „white-washing“ vorkommt. Für mich gehört nämlich der Autor als Akteur und damaliger Berichterstatter zu jenem Personenkreis, der für eine zum Teil noch bis heute anhaltende Abgrenzung auf der gesellschaftspolitischen Bühne unserer Gemeinschaft verantwortlich ist. Liest man allerdings den literarischen Beitrag in Gänze, so können wir froh sein, dass wir Freddy Derwahl damals hatten, denn was wäre wohl sonst aus unserer Autonomie geworden?

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