Sorge vor zu viel Emotionen: Brisante Stimmung vor Flutlicht-Derby in Köln

<p>Kölns Ultras zünden Pyrotechnik auf der Südtribüne. Vor dem Rückspiel ist die Stimmung angespannt.</p>
Kölns Ultras zünden Pyrotechnik auf der Südtribüne. Vor dem Rückspiel ist die Stimmung angespannt. | Foto: dpa

Die Protagonisten wollten versöhnliche Töne anstimmen, doch Wut, Frust und Ärger drangen immer wieder durch. Die Situation vor dem vorverlegten Derby zwischen Bayer Leverkusen und dem 1. FC Köln ist bei nahezu allen Beteiligten merklich angespannt. So appellierte Kölns Trainer Steffen Baumgart eigentlich für ein friedliches Derby am Freitag (20.30 Uhr) und wollte zu dem Zwist gar nichts sagen. Doch sein Ärger blitzte mehr als einmal durch. „Die haben sich entschuldigt. Super gemacht, toll, vielen Dank“, sagte er süffisant: „Bei mir hat keiner angerufen. Muss aber auch keiner.“

Jene Entschuldigung für die Umstände der Verlegung hatte am Montag Leverkusens Club-Chef Fernando Carro ausgesprochen. Doch weil sich Sportchef Simon Rolfes gegen den Kölner Vorwurf der mangelnden Integrität verwehrte, wurde die Geschichte vom „Bosse-Zoff“ weitergestrickt. Die war in die Öffentlichkeit gekommen, weil Kölns Sportchef Christian Keller zunächst ausführte, er drücke Bayer in der Europa League „ehrlich und aufrichtig“ die Daumen. Um dann mit den Worten „Jetzt kommt das große Aber“ zur Kritik anzusetzen.

„Wie die Abläufe sind, das will niemand hier wissen, sonst verliert der ein oder andere den Glauben an die Integrität des Wettbewerbs“, hatte Keller schließlich gar gesagt. Und ob er dabei schon an Herbert Reul gedacht hat, ist nicht bekannt. Der NRW-Innenminister, das bestätigte sein Sprecher, habe die Polizei bei der Frage der Verlegung von Sonntag auf Freitag „um wohlwollende Prüfung gebeten“. Das habe er „in ähnlichen Fällen bei anderen Vereinen“ auch schon getan. Doch bei Bayer ist Reul Dauerkarten-Inhaber.

Knifflig ist die Verlegung aus sicherheitstechnischer Sicht, weil es sich nun um ein Abendspiel handelt. Und es eigentlich ein ungeschriebenes Gesetz ist, dass die Fans nach Derbys eigentlich im Hellen abreisen sollen. Das Spiel ist ja auch kein Derby, würde mancher FC-Fan entgegnen. Denn diesen Begriff verweigern viele als Protest und Provokation gegen den Werksclub.

Was die Kölner an der Verlegung, durch die Bayer zwei Tage mehr Erholung und Vorbereitung für das Halbfinal-Hinspiel der Europa League bei der AS Rom am Donnerstag gewann, störte, war das Vorgehen. Laut Spielordnung musste Bayer den Nachbarn tatsächlich nicht in den Prozess einbeziehen. Es nicht oder bestenfalls zu spät zu tun, war jedoch mindestens unsensibel.

Die gesamte Gemengelage ist kompliziert und spricht für ein hitziges Spiel. Was auch Sorgen schürt. „Ich mache mir viele Gedanken darüber, dass es ein friedliches Miteinander wird“, sagte Baumgart: „Jeder ist froh, dass es am Freitag wieder um Sport geht. Und ich hoffe, dass die Rivalitäten auf dem Platz ausgetragen werden und nirgendwo anders.“

Sportlich ist das Ganze diesmal eigentlich weniger brisant. Die Leverkusener wollen den Europacup-Platz absichern, ihr Hauptaugenmerk liegt aber auf dem möglichen Titel in Europa. Und der FC scheint den Klassenerhalt sicher zu haben. Doch nachdem die Claims jahrelang abgesteckt waren – die Werkself war Europa-Stammgast mit dem schönen Fußball, der FC der liebenswert-chaotische Fahrstuhl-Club – wuchs die Rivalität zuletzt wieder.

Zum einen sportlich, weil sich die Kölner mit zwei Europacup-Teilnahmen 2017 und 2022 und dem nun wohl fünften Erstliga-Jahr in Folge wieder annäherten. Aber auch emotional. 2020 verpflichtete Leverkusen den Kölner Florian Wirtz. Beim FC verwies man auf die Absprache, sich gegenseitig keine Jugendspieler abzuwerben. Bei Bayer hieß es, der 16-Jährige sei sofort als Profi vorgesehen und habe in Köln keine Perspektive aufgezeigt bekommen. Drei Jahre später ist Wirtz Nationalspieler mit einem Marktwert von 85 Millionen.

2021 tönte Baumgart vor seinem ersten Derby in Köln: „Wir hätten auch in Leverkusen ein Heimspiel.“ Worauf der damalige Leverkusen-Sportchef und heutige DFB-Sportdirektor Rudi Völler entgegnete, der FC-Coach scheine „immer noch in der Einschleim-Phase bei den eigenen Fans zu sein.“ 2022 schließlich zog sich Wirtz im Derby einen Kreuzbandriss zu, was einige FC-Anhänger mit hämischen Gesängen begleiteten.

Nach dem jüngsten Vorspiel ist die Stimmung nun so richtig angeheizt. Und das ausgerechnet vor einem Flutlichtspiel. (dpa/tf)

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