Bela Rethy vor Abschied: „Die letzte Bastion“

<p>Bela Rethy</p>
Bela Rethy | Foto: Rainer Jensen/dpa


Herr Rethy, den Zusammenbruch von Christian Eriksen auf dem Spielfeld bei der EURO im vergangenen Jahr haben Sie als Kommentator live miterlebt. War dies der beklemmendste Moment Ihrer Kommentatoren-Karriere?


„Ja, mit großem Abstand. Es war unheimlich schwierig, das Geschehene in Worte zu fassen. Alle waren geschockt, natürlich ich auch als Reporter, denn auf eine solche Situation kann sich niemand vorbereiten.


Sie haben auch teilweise längere Zeit geschwiegen, haben die Bilder für sich selbst sprechen lassen...


Es war ja sehr schwierig, verlässliche Informationen zu bekommen. Und ich wollte auf keinen Fall über etwas spekulieren. Die Informationen, die wir von Quellen bekommen haben, wurden noch 20-mal verifiziert. Und dann ist manchmal das Schweigen genau das Richtige.


Was der größte Unterschied im Sportjournalismus zu Ihren Anfängen im Vergleich zu heute?


Der unmittelbare Zugang ist verloren gegangen. Heute läuft alles nur noch über Berater und Pressesprecher. Früher hatte man die Gelegenheit, bei einem WM-Turnier zu den Spielern hinzugehen und selbst im persönlichen Gespräch die Informationen zu bekommen. Vielfach ist vom Produkt Fußball die Rede. Ich sehe Fußball als Sportart an, die von sehr vielen Leuten auf der Welt geliebt wird. Ich erinnere mich noch an einen meiner ersten Reportereinsätze, als der VfB Stuttgart 1984 Meister wurde. Der Trainer war Helmut Benthaus, ich habe neben der Trainerbank gestanden und hatte über UKW-Empfang die Ergebnisse von den Parallelspielen Benthaus mitgeteilt. Das war einfach schön. Jetzt wird Fußball als Hochglanzprodukt dargestellt, dabei sind viele Emotionen auf der Strecke geblieben.


Viele namhafte Kollegen haben Sie beim ZDF in den vergangenen Jahrzehnten erlebt, wer hat Sie am meisten beeinflusst?


Da sind in erster Linie Rolf Kramer, Marcel Reif, Eberhard Figgemeier, Dieter Kürten oder Günter-Peter Ploog zu nennen. Ich habe keine Vorbilder, weil man sich als eigene Persönlichkeit entwickeln muss. Ich habe aber immer versucht, mir vieles von diesen Leuten abzuschauen, das Beste mitzunehmen.


Gibt es noch die Freiheit als TV-Kommentator?


Auf jeden Fall, das ist die letzte Bastion, wie ich immer gerne sage. Mir hat nie jemand dazwischengefunkt und mir wird auch im letzten Spiel am Mittwoch niemand dazwischenfunken.


Social Media ist zu einer Belastung auch für Medienschaffende geworden. Empfinden Sie das auch so?


Das ist unzumutbar für die ganze Gesellschaft, nicht nur für Fußball-Reporter. Ich versuche das ehrlich gesagt weitgehend zu ignorieren. Da geht es ja auch um Lebensqualität, die ich nicht aufgeben möchte. Und wir sollten die jungen Leute auch darauf vorbereiten, was sich in den Sozialen Kanälen abspielt.


Was folgt nach dem Abschied am Mittwoch?


Ich werde über Weihnachten Besuch von meiner Familie bekommen, werde die WM sacken lassen. Ich habe mir vorgenommen, ein paar Monate gar nichts zu machen. Ab 1. Januar bin ich dann offiziell Rentner. Es kann aber sein, dass ich mittelfristig das eine oder andere machen werde. (sid/calü)

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