Debatte um die Abtreibung

Heikles Thema! Ich behaupte keineswegs, dass wir uns unserer liberalen Praxis rühmen sollen, aber Werte, die nicht mehr von der Gesellschaft getragen werden, können nicht per Gesetz aufgezwungen werden. Gesetze können nur schützen, was anderswie verwurzelt ist. Überlegung und Aufklärung müssen die Werte festigen.

Die derzeitige Debatte hat einen sehr ambivalenten Hintergrund, wie Oswald Schröder kürzlich in einem Kommentar unterstrich: Vom Supreme Court in Washington, der die liberale Gesetzgebung in den USA kippte, führt ein direkter Draht zu Putins Kreml. Die sehr liberale Praxis vieler westlicher Staaten mag eine Ausuferung freiheitlichen Denkens sein.

Die Gegner dieses Denkens nutzen jetzt das sensible Thema, um das freiheitliche Denken insgesamt zurückzudrängen. Die christliche Position ist hier sehr heikel: Stoßen wir unkritisch in das Horn der Abtreibungsgegner, unterstützen wir notgedrungen die Positionen einer autoritären Rechten. Akzeptieren wir jede Praxis, verstoßen wir gegen einen Grundwert, dass menschliches Leben mit der Befruchtung beginnt und deshalb schützenswert ist.

Es wird auch für Christen heute nicht ohne Kompromiss gehen: Aufklärung und Unterstützung der betroffenen Frauen, Vertrauen in ihre Gewissensentscheidung und sich vor Augen halten: Christsein ist breiter als Gegner der Abtreibung zu sein. Ich verliere nicht meine Identität als Christ, wenn ich in der Frage anders denke, vielleicht eher, wenn ich die Armen ausbeute.

Kommentare

  • Herr Calles, zunächst einmal liegen Sie völlig falsch, denn die Werte - ich denke, Sie meinen die Selbstbestimmung aller, einschließlich Frauen - werden immer noch mehrheitlich von der Gesellschaft getragen.

    Zweitens ist das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, keine "liberale Ausuferung", sondern richtig, rechtens und menschlich - warum haben Männer dieses Recht und Frauen dürften es nicht haben?

    Zuletzt, dass das menschliche Leben mit der Befruchtung beginnt ist kein "Wert", sondern Nonsens, denn eine befruchtete Eizelle ist kein "Leben", mit Gefühlen, Träumen, Begegnungen, Bereicherungen, Rückschlägen, Leid usw., sondern eben nur das: eine befruchtete Eizelle, die außerhalb des Mutterleibs überhaupt nicht lebensfähig ist.

    Dass Religionen meinen, sie müssten ihr retrogrades, mittelalterliches und menschenverachtendes Weltbild allen anderen aufzwingen zu müssen, wenn die Geschichte gezeigt hat, dass sie immer und immer wieder völlig daneben liegen und ihre Märchengeschichten aufgedeckt wurden, ist nicht nur die Spitze der Heuchelei, sondern auch der Anmaßung gegenüber den Menschen und den Frauen insbesondere.
    Religiösen Blödsinn braucht im 21. Jahrhundert niemand mehr.

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