Belgien und sein Imageproblem

<p>„Typisch belgisch“ heißt das neue Buch über Belgien, das heute im Grenz-Echo Verlag (GEV) erscheint. Darin gibt es auch einen Ausflug nach Brügge. Foto: belga</p>
„Typisch belgisch“ heißt das neue Buch über Belgien, das heute im Grenz-Echo Verlag (GEV) erscheint. Darin gibt es auch einen Ausflug nach Brügge. Foto: belga

In alphabetischer Reihenfolge werden verschiedenste Themen wie die Agusta-Affäre unter „A“ über Comics unter „C“ bis hin zu Zusammenarbeit unter „Z“ behandelt, die man von vorne nach hinten, aber auch kreuz und quer durchlesen kann. „Es sollten keine drögen Beiträge werden“, sagt Autor Gerd Busse im Gespräch mit dem GrenzEcho über sein neues Buch. „Ich hatte eher die jüngere Generation im Auge. Also die Studierenden, die immer in die Niederlande gehen, weil die gar nicht wissen, wie toll das ist, ein Semester in Löwen zu studieren.“

„Ich hoffe, dass sich meine Begeisterung über Belgien auf die Leserinnen und Leser überträgt.“

Gerd Busse möchte mit dieser Veröffentlichung versuchen, das Bild zurechtzurücken, das in seinen Augen viele im Ausland über Belgien haben. Er selbst ist unter anderem als Übersetzer tätig und sieht gerade in den Niederlanden, dass häufig sehr schlecht über Belgien gedacht wird. Wenn er mit Niederländern über Belgien spricht, hört er unter anderem Aussagen, wie es handele sich um ein „korruptes Land, indem man Beziehungen haben muss, um weiter zu kommen“. Auch wegen des Kinderschänders Marc Dutroux sei der Blick auf Belgien im Ausland sehr negativ. „In Deutschland gibt es kein negatives Bild über Belgien. Es gibt überhaupt kein Bild über Belgien. Mein allgemeiner Eindruck ist, dass man in Deutschland so gut wie nichts über Belgien weiß. Da fährt man irgendwie durch, wenn man nach Frankreich will“, stellt Gerd Busse fest. Das möchte er mit seinem neuen Buch ändern. „Ich hoffe, dass sich meine Begeisterung über Belgien auf die Leserinnen und Leser überträgt. Das man einfach Informationen über ein paar belgische Begebenheiten bekommt und Lust kriegt, zum Beispiel mal nach mal nach Ostbelgien, Gent oder Brüssel eine Reise zu unternehmen.“

<p>Weltberühmt ist Belgien wegen seiner Comic-Kultur.</p>
Weltberühmt ist Belgien wegen seiner Comic-Kultur. | Foto: GEV

Gerd Busse, der selbst aus Norddeutschland stammt, findet den Sprachenstreit in Belgien besonders interessant. Er selbst hat, als er in den 1990er Jahren in Zagreb zur Zeit des Jugoslawienkrieges gelebt hat, mitbekommen, wie ein Land mit verschiedenen Ethnien und Sprachen im Bürgerkrieg auseinanderbrach: „Was mich an Belgien fasziniert, ist die Tatsache, dass es die Belgierinnen und Belgier bisher geschafft haben, ihren Sprachenstreit, der ja auch ein Kulturkampf ist, friedlich auszufechten.“ Gerd Busse: „In Belgien prallen verschiedene Kulturen und Sprachen aufeinander. Man versucht irgendwie mit Hilfe des Instruments des Föderalismus zusammenzubleiben und Brücken zu bilden. Das finde ich ganz interessant, obwohl der Föderalismus eigentlich gar nicht funktioniert.“ Laut Busse führt dieser nämlich dazu, dass sich „die Kulturgemeinschaften separieren. Das sieht man zum Beispiel bei den Parteien. Es gibt zum Beispiel französischsprachige, niederländischsprachige und deutschsprachige Christdemokraten. Das Problem ist aber, dass diese Parteien nur für ihre Klientel werben, aber nicht für das gesamte Belgien.“

Gerd Busse nimmt in diesem Zusammenhang auch das Bildungssystem in die Pflicht. „In Wallonien ist Niederländisch kein Pflichtfach, und deswegen spricht dort kaum jemand wirklich vernünftiges Niederländisch, was dazu führt, dass die Wallonen auch keine niederländischen Medien konsumieren können. Das führt wiederum dazu, dass sie dann auch nur über die andere Region etwas erfahren, was die eigenen Medien, aus ihrer Sicht über die anderen Regionen erzählen und man sich nicht aus erster Hand über sie informieren kann.“ Dadurch driften die Sprachgemeinschaften auseinander, denkt der Autor.

Für seine aktuelle Veröffentlichung las Gerd Busse Fachliteratur, befragte Experten und reiste durchs Land. „Ich wollte mir zum Beispiel Gent ansehen, weil ich einen Beitrag über Gent und den Genter Altar schreiben wollte. Ich bin losgereist, habe die Augen aufgehalten und die Ohren aufgesperrt. Ich habe mit Menschen gesprochen, die da leben oder etwas darüber wissen, um das dann einfließen zu lassen.“

Dabei war er überwältigt von den Belgiern. „Ich bin auf sehr viel Freundlichkeit, Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft gestoßen, egal wo ich war, ob in der Wallonie in Flandern oder in Ostbelgien.“ Jeder habe sich Mühe gegeben, sich verständlich zu machen.“ Ich war zum Beispiel im Fremdenverkehrsbüro, wo jemand sein bestes Niederländisch rauskramte, um mir behilflich zu sein. Die Person hat zwischendurch immer wieder nach Wörtern in ihrem Wörterbuch nachgeschlagen.“

Während er bei manchen Beiträgen, wie über den flämischen Autor Willem Elsschot, bereits ein großes Vorwissen besaß, musste er sich bei Themen wie Brügge völlig neu erarbeiten. „Brügge, wie man es heute kennt, ist eine Art mittelalterliches Disney-World. Es war im 19. Jahrhundert wirtschaftlich und sozial heruntergekommen. Allerdings kamen dort viele Touristen hin aufgrund des Romans ‚Das tote Brügge‘, der dort spielte. Die Stadt hat einen Architekten geholt und alles abreißen lassen, was neuzeitlich war, und alles schön mittelalterlich wieder aufgebaut - mit dem Anspruch, dass es noch mittelalterlicher aussieht, als es jemals im Mittelalter ausgesehen hat.“ Von der Schönheit und historischen Reichhaltigkeit vieler belgischer Städte und Orte ist Gerd Busse sehr begeistert. Er hat Brügge, aber auch Antwerpen ganze Kapitel gewidmet.

Das Buch „Typisch Belgisch“ versuche aber keineswegs, Belgien „zu romantisch“ darzustellen. Auch dunkle Kapitel der belgischen Geschichte, wie der Fall Dutroux oder die zweifelhafte Rolle Belgiens im Kongo, werden in der neuen Publikation aufgegriffen. Um auch im Ausland ein positiveres Bild zu bekommen, sollte Belgien „weniger bescheiden auftreten und sehr viel offensiver seine Vorzüge bewerben – obwohl es dadurch den Status als ‚Geheimtipp‘ für Erlebnisreisende verlieren würde“, denkt Gerd Busse. „Und schade wäre es dann natürlich auch, wenn man die sprichwörtliche Bescheidenheit des Belgiers vermissen müsste“, fügt er hinzu. Vielleicht ist sein Buch über das Land mit seiner „reichen Geschichte, imposanten Städten und wunderschönen Landschaften sowie überaus freundlichen und bescheidenen Menschen“ in diesem Sinn ein Schritt in die richtige Richtung.

Gerd Busse: „Typisch belgisch. Belgien von A bis Z“; im Grenz-Echo Verlag erschienen. ISBN: 978-3-86712-169-9

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