Regionalwährung mit den Randgemeinden

<p>Bemühungen, eine Regionalwährung einzuführen, gibt es überall auf der Welt. Viele Versuche sind aber bereits gescheitert. Das Archivbild zeigt Scheine der Regionalwährung Lunar in Lüneburg (Niedersachsen).</p>
Bemühungen, eine Regionalwährung einzuführen, gibt es überall auf der Welt. Viele Versuche sind aber bereits gescheitert. Das Archivbild zeigt Scheine der Regionalwährung Lunar in Lüneburg (Niedersachsen). | Foto: Philipp Schulze/dpa

Im April seien einige Akteure der Zivilgesellschaft auf die Regierung und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) zugegangen, um zu erörtern, ob in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ein System der Regionalwährung umsetzbar wäre, um im „Post-Corona-Kontext“ regionale Wertschöpfungsketten zu unterstützen und in der Region zu festigen, erklärte Ministerpräsident Oliver Paasch nach einer schriftlichen Frage des PDG-Abgeordneten José Grommes (ProDG). „Die Regierung hat sich bereit erklärt, Initiativen zu fördern, die die regionale Kreislaufwirtschaft ankurbeln und damit die negativen Folgen der Krise für den Standort Ostbelgien abfedern“, meinte Oliver Paasch.

Eine erste Arbeitsgruppe, bestehend aus Initiatoren der organisierten Zivilgesellschaft, die bereits im April auf die Regierung zugegangen waren-, der WFG, dem Fachbereich Standortentwicklung des Ministeriums und der Regierung habe sich im späten Frühjahr zusammengefunden, um an der Projektentwicklung zu arbeiten. „In einem ersten Schritt wurden die Erwartungen, bestehende Überlegungen und Erfahrungen in einer Bedarfsanalyse gebündelt“, meinte der Regierungschef.

In der ersten Julihälfte seien ebenfalls Einzelgespräche mit den neun deutschsprachigen Gemeinden geführt worden, meinte Oliver Paasch auf Grommes-Nachfrage. „In dem Austausch wurde dazu angeregt, einen nachhaltigen Ansatz zu verfolgen und Möglichkeiten zu erörtern, ein solches System ostbelgienweit zu operationalisieren. Im September wurden dann ebenfalls Einzelgespräche mit den Vertretern des Handels und des Mittelstandes geführt“, meinte Oliver Paasch.

Mittelfristig soll eine Projektgruppe eingerichtet werden, die die konkrete Ausarbeitung des Projektes angeht. Dazu sei am 7. Oktober ein Informationsabend veranstaltet worden, bei dem verschiedene Fragen beantwortet worden seien, unter anderem was Lokal-, Bürger- oder Regionalwährungen eigentlich sind und welche Unterschiede es in den verschiedenen Systemen gebe. „Hierzu wurde auf die Expertise der VoG Financité zurückgegriffen. Zudem sollte auf die Fragen und Anregungen eingegangen werden, die in den Vorab-Konsultationen von den Gemeinden sowie von Wirtschafts- und Zivilgesellschaftsvertretern aufgeworfen wurden“, erklärte Oliver Paasch. Die Projektgruppe soll jetzt die konkreten Ziele und Anforderungen sowie eine Umsetzungsstrategie bis März 2021 ausarbeiten, fügte er hinzu. Mitglieder sind Vertreter der Zivilgesellschaft, des Handels, des nicht-kommerziellen Sektors und des Ministeriums sowie der Regierung. Die Gemeinden beteiligten sich zurzeit nicht in dieser Projektgruppe, würden allerdings fortlaufend über die Entwicklungen informiert, so der Ministerpräsident. Eine Zusammenarbeit mit den frankofonen Randgemeinden ergebe aus Sicht der Regierung und einiger Gemeinden Sinn, da oft ein gemeinsamer „Lebensraum“ geteilt werde. Beim Infoabend am 7. Oktober seien verschiedene Möglichkeiten genannt worden: Zur Senkung der Komplexität könnte man mit einem Ausgangsgebiet starten, welches den neun deutschsprachigen Gemeinden entspricht. Hier sollte jedoch von Beginn an die Offenheit gegenüber interessierten Akteuren aus den frankofonen Nachbargemeinden vorgesehen werden.

„Interessierte Partner jenseits der Sprachgrenze von Beginn an eingeladen, die Währung mit zu nutzen“

„So wären interessierte Partner jenseits der Sprachgrenze von Beginn an eingeladen, die Währung mit zu nutzen. Diese und weitere Pisten werden von der Projektgruppe diskutiert, die sich mit der Ausarbeitung des Projektes beschäftigen wird“, erklärte der Ministerpräsident.

Die Regierung lege großen Wert auf einen Dialog mit den frankofonen Nachbargemeinden. Ein Austausch mit diesen habe Anfang des Jahres begonnen, sei aber nach Ausbruch der Coronakrise unterbrochen worden. „Der Dialog wird 2021 fortgesetzt. Beim Austausch mit den frankofonen Gemeinden kommen sämtliche Themen, welche die Standortentwicklung betreffen, zur Sprache.“ Die Projektgruppe werde sich außerdem mit den bestehenden und geplanten Ansätzen in den Nachbargemeinden beschäftigen, um aus den Erfahrungen dieser mit Regionalwährungen zu lernen und potenzielle Synergiemöglichkeiten auszuarbeiten. In seiner schriftlichen Frage hatte José Grommes ein anderes Projekt einer Regionalwährung erwähnt, das Mitte September von der Gemeinde Bleyberg und der lokalen Entwicklungsagentur ADL (Agence de développement local Plombières, Welkenraedt, Lontzen) präsentiert worden war. Hier werde man künftig den „Val’heureux“ als lokales Zahlungsmittel einsetzen.

Das Ziel einer Regionalwährung, auch Lokalwährung, Regionalgeld oder zum Beispiel im Inland auch Bürgergeld genannt, ist, die regionale Wirtschaft zu fördern und zu stabilisieren. Durch den kleinen Raum, in dem das Geld verwendet werde, bleibe die Kaufkraft für damit getätigte Geschäfte in der Region, argumentieren Befürworter einer solchen Regionalwährung. Kritiker wie Renaud Rahier, der überberufliche FGTB-Sekretär für Verviers und Ostbelgien, sehen in einer Regionalwährung dagegen die Gefahr, dass gesetzlich verankerte Lohnzahlungen oder Sozialzulagen durch „lokalpatriotische Wertgutscheine“ sozusagen als „Ersatzwährung“ von den Arbeitgebern genutzt werden könnten, wie Rahier gegenüber dem GrenzEcho erklärt hatte.

In der Wallonischen Region sind mittlerweile 13 Regionalwährungen im Umlauf. Das bekannteste Beispiel in der Region ist wohl der „Sous-rire”, mit dem man zwischen Weismes und Vielsalm bezahlen kann. In der Vergangenheit hatte die Vivant-Fraktion im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft (PDG) Pläne zur Einführung eines Regionalgeldes in Ostbelgien vorangetrieben, seinerzeit noch unter dem Stichwort „Venntaler“. Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Regionalwährung nur komplementär zur bestehenden Währung, also zum Euro, zu verstehen sei. Die Vivant-Fraktion betonte zuletzt, die Pläne seien immer schon als Ergänzung gedacht gewesen. (sc)

Kommentare

  • Wieso dürfen Firmen wie Airbus und Boeing nicht subventioniert werden?

  • Welche Generation zahlt dann den Unterschied?

  • Um nicht nur über Corona zu schreiben, hier eine Bemerkung zum Thema Regionalwährung::

    Die Politiker und Journalisten in der DG ("Ostbelgien" stricto sensu) sollten damit aufhören, von den angrenzenden wallonischen Gemeinden als "Randgemeinden" zu sprechen.

    Dieser herablassende Ausdruck hört sich an, als seien Eupen und St. Vith die Mittelpunkte, um die sich diese Ortschaften gruppieren würden.

    "Randlage" erinnert an frühere Zeiten, als in Deutschland von "Zonenrandgebieten" gesprochen wurde, die fernab der wirtschaftlichen Ballungsregionen an der Grenze zur DDR mit dem Rücken zur Wand lagen und durch allerlei Förderungsmittel über Wasser gehalten werden mussten.

    "Communes périphériques" bezeichnet die Gemeinden rund um die Region Brüssel mit ihrem ewigen Sprachenstreit.

    Nein, in der Wallonie, ob in Malmedy und Weismes, Baelen oder Welkenraedt, sieht sich niemand als "périphérique" zur DG und würde es sich sehr verbitten, derart vereinnahmt zu werden.

    Dass Herr Paasch nun seine Pläne zu einem Regionalgeld auf diese Gemeinden ausdehnen will, könnte dort inzwischen vergessene Ressentiments wieder schüren.

    Zudem gibt es dort schon zwei lokale private Initiativen, den Sous-rire in Ma und We, sowie den Val'heureux im Vervierser und Lütticher Raum. Letzterer wird inzwischen von der Stadt "unterstützt" durch ein "partenariat".

    https://valheureux.be/le-projet
    https://valheureux.be/le-projet

    Was auffällt: Keines dieser Projekte veröffentlicht konkrete Zahlen, die Rückschlüsse auf Ergebnisse bei den vollmundigen Akündigungen schließen lassen könnten.

    In diesem Zusammenhang erwähnenswert: In Aachen und Umgebung gab es vor einigen Jahren mal den "Pauer", in der Presse groß angekündigt als "das" Regionalgeld der Euregio, das "dem Euro Konkurrenz machen würde". Inzwischen sang- und klanglos eingestellt, wie so viele derartige Initiativen.

    Weder dem Val'heureux noch dem Sous-rire bin ich übrgens hier in der Wallonie irgendwo begegnet. Kein Wunder, wenn man sich die Liste des "schwergewichtigen" Annahmestellen anschaut.

    Es verwundert, dass Herr Dr. Meyer sich noch nicht zu Wort gemeldet hat, um triumphierend festzustellen, dass eines seiner Lieblingsprojekte, neben der Abschaffung der Zinsen, die ja nun Realität geworden ist, der Verwirklichung näher rückt.

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