Sterben in Ostbelgien in Zeiten von Corona

Am 1.3. wurde mein Vater auf der Intensivstation der Klinik St. Josef in St.Vith aufgenommen. Innerhalb einer Woche erholte er sich gut und sollte zur Stabilisierung noch einige Tage auf der Station Innere Medizin bleiben. Durch eine bakterielle Infektion kam es zu Komplikationen, sein Zustand verschlechterte sich. Am 13.3. ein völlig unerwarteter Anruf des Sozialdienstes der Klinik: Was wir im Falle der anvisierten Entlassung meines Vaters zu tun gedächten? Am Abend desselben Tages die Order: Ab sofort keine Möglichkeit mehr, Angehörige im Krankenhaus zu besuchen. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt enorm geschwächt und nicht mehr in der Lage zu stehen, zu gehen, eine Toilette aufzusuchen.

Mein letztes Telefonat mit der verantwortlichen Stationsärztin am 18. März war unmissverständlich: Es gebe keinen Grund, meinen Vater weiter im Krankenhaus zu behalten, sobald er kein Fieber mehr habe. Alles weitere möge ich bitte mit dem Sozialdienst klären! Ende des Telefonates. Der Transfer in ein Pflegeheim nach Spa erfolgte am 23.3. Niemand durfte meinen Vater begleiten. Am 26.3. wurde er zur Notaufnahme in ein Vervierser Krankenhaus gebracht, am selben Abend verstarb er. Die derzeitige Vorgehensweise der Krankenhäuser und Altenpflegeheime bzw. verantwortlichen Behörden ist absolut inhuman und ohne Menschenwürde! Corona hin oder her: Es MUSS etwas geschehen, damit nicht noch mehr Menschen allein gelassen werden mit ihren Tränen und (Todes-)Ängsten. Unsere Haustiere begleiten wir, wenn ihr Leiden unerträglich wird, zum Tierarzt, wo wir sie liebevoll in den Arm nehmen und beruhigen. Menschen, die alt sind und ihr Leben lang für uns da waren, müssen wir im Stich lassen, wenn sie uns am meisten brauchen.

Kommentare

  • Sehr geehrte Frau Hebertz,

    Ich habe Ihren Leserbrief sehr aufmerksam gelesen. Ich frage mich seit Wochen, was mit der Welt, los ist. Es wird höchste Zeit, dass wir diese Krise in Relation zu anderen Katastrophen betrachten. So sollten wir uns z.B. den Winter 2017/2018 in Erinnerung rufen, als alleine in Deutschland laut RKI dem Grippevirus über 25.000 Menschen zum Opfer fielen. So weit ich mich erinnern kann, musste damals niemand per Verordnung einsam sterben, siehe https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/106375/Grippewelle-war-toedlichst....

    Sogar Italien und Spanien verzeichneten im fraglichen Winter einen vergleichbaren bzw. sogar höheren Mortalitätszuwachs als im Verlauf der aktuellen Corona-Krise, siehe http://www.euromomo.eu/outputs/zscore_country_total.html.

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