Adenauer und sein Enkel – „Kein Opa, der Eisenbahn spielte“

<p>Konrad Adenauer, Enkel des ehemaligen, gleichnamigen Bundeskanzlers, steht im Adenauerhaus in Rhöndorf am Schreibtisch seines Großvaters im Arbeitszimmer.</p>
Konrad Adenauer, Enkel des ehemaligen, gleichnamigen Bundeskanzlers, steht im Adenauerhaus in Rhöndorf am Schreibtisch seines Großvaters im Arbeitszimmer. | Foto: Oliver Berg/dpa

Konrad Adenauer (75) weiß noch genau, wie es war, wenn er sich als kleiner Junge in kurzer Hose auf einen der Esszimmerstühle in Rhöndorf setzte. „Das ist Pferdehaar, und wenn man da mit nackten Beinen aufstand, klebte man so fest.“ Aber obwohl das immer ein bisschen wehtat, ließ er sich nichts anmerken, denn der Hausherr war nicht nur sein Namensgeber, Patenonkel und Großvater, sondern auch noch der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Platte Nase, hohe Wangenknochen, zerfurchte Stirn - das strenge, verschlossene Gesicht ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Konrad Junior erinnert sich bis heute, wie ihm Konrad Senior damals hier am Tisch gegenübersaß.

Am Montag (24. Februar) vor 50 Jahren wurde Adenauers Wohnhaus im Siebengebirge hoch über dem Rhein der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Heute wird es jedes Jahr von 30.000 Menschen besucht. Ein Rundgang durch das Haus und den berühmten Rosengarten ist ein unvergessliches Erlebnis, denn alles sieht noch genauso aus wie damals. Zwei Dinge, erzählt Geschäftsführerin Corinna Franz, beeindrucken die Leute für gewöhnlich am meisten: die bescheidene Einrichtung des Hauses und die Tatsache, dass „der Alte“ den steilen Weg hinauf auch mit über 90 Jahren noch zu Fuß bewältigte.

Enkel Konrad wurde 1945 geboren und verbrachte seine ersten drei Lebensjahre in dem Haus. Zu seinen frühesten Erinnerungen gehört der Tod seiner Großmutter Gussie, Adenauers zweiter Frau. Sie starb 1948 an den Spätfolgen eines Suizidversuchs, den sie 1944 unternommen hatte - aus Verzweiflung darüber, dass sie der Gestapo unter großem Druck das Versteck ihres Mannes verraten hatte. Es ist heute wenig bekannt, dass der aufrechte Republikaner Adenauer in der Nazizeit nur um ein Haar dem Konzentrationslager entging.

Eine holländische Standuhr schlägt. „Die hat er sehr gemocht“, sagt der Enkel. Auch für das Uhrwerk interessierte sich der Tüftler, der in Rhöndorf unter anderem das beleuchtete Stopfei und den elektrischen Insektentöter erfand. Der CDU-Politiker, der noch in der Bismarckzeit geboren und aufgewachsen war, war im persönlichen Umgang distanziert und förmlich. Sein Enkel und Patensohn hat ihn kaum je anders gesehen als in Anzug und Krawatte. „Wir durften ihn nicht anrufen, das war tabu, nur schreiben, Briefe oder Karten. Dann bekamen wir auch immer eine Antwort und oft noch als Dank einen Kriminalroman etwa von Edgar Wallace oder Agatha Christie, den er gelesen hatte. Oder - weil ich Sammler war - Briefmarken, die er vom Postminister bekommen hatte.“ Für ein gutes Zeugnis gab er zwei oder drei Mark.

„Wenn Sie Fotos sehen mit uns Enkelkindern auf dem Schoß: Das war gestellt, das war nicht die Wirklichkeit. Er war kein Opa, der auf den Knien rutschte und Eisenbahn spielte oder auf dem man huckepack reiten konnte. Das gab's nicht. Man hatte Respekt und sagte ‘Guten Tag Großvater’. Er wollte nicht ‘Opa’ genannt werden.“ Mehr als vier- oder fünfmal im Jahr bekam ihn die Familie auch gar nicht zu Gesicht. Auch im Italienurlaub am Comer See durften sie ihn nicht besuchen: „Da hat er mit Enterbung gedroht, wenn man ihn da belästigen würde. Er wollte nur seine Ruhe haben.“ Erst nach seinem Rücktritt 1963 sei er ein klein wenig lockerer geworden und habe auch schon mal was aus der Politik erzählt. Vorher habe er immer befürchtet, dass es irgendwie durchsickern könnte.

Zu Konrad Adenauers lebhaftesten Erinnerungen gehören die Heiligabende, die er stets in Rhöndorf verbrachte. Zusammen mit den anderen Enkeln durfte er so lange nicht ins Wohnzimmer, bis ein Glöckchen zur Bescherung läutete. Dann öffnete sich die Schiebetür, und eine riesige gebirgige Krippenlandschaft mit über 100 Figuren, darunter Kamelen und Elefanten, wurde sichtbar. Adenauers Haushälterin musste dafür jedes Jahr Massen von Moos aus dem Siebengebirge anschleppen.

Im Schlafzimmer steht das Sterbebett des tiefgläubigen Katholiken. Der Enkel kann sich noch gut an die letzten Tage im April 1967 erinnern, als der 91-Jährige hier beatmet wurde, Ärzte und Schwestern durch das Zimmer wuselten und Reporter vor dem Haus lauerten. „Do jitt et nix zo kriesche“, sollen seine letzten Worte gewesen sein: Kein Grund zum Weinen. In jeder Biografie kann man das nachlesen. Doch Konrad Junior meint dazu: „Ich glaube es nicht. Er hat nie Kölsch gesprochen.“ (dpa)

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