Anleger gehen wegen Iran-Konflikt auf Nummer sicher

<p>Händler auf dem Parkett der New Yorker Börse. Der eskalierende Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat den Aktien einen Dämpfer verpasst.</p>
Händler auf dem Parkett der New Yorker Börse. Der eskalierende Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat den Aktien einen Dämpfer verpasst. | Foto: ZUMA Wire/dpa

Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran sowie die gefährliche Eskalation im Nahen Osten sorgen an den Finanz- und Rohstoffmärkten für Unruhe. Die USA hatten bei einem Luftangriff im Irak den hochrangigen iranischen Kommandeur Ghassem Soleimani getötet - Iran droht mit Vergeltung. An den Finanzmärkten setzte daraufhin eine Flucht ein in als sicher empfundene Anlagehäfen, während Investoren einen Bogen um als riskanter eingestufte Papiere machten:

BÖRSEN: Der Bel20 verlor am Freitag 0,52  % an Wert und blieb unter der Marke von 4.000 Punkten. Der deutsche Dax büßte 1,25 Prozent ein. Nach einem verheißungsvollen Jahresauftakt wurde auch den US-Aktien am Freitag ein Dämpfer verpasst. Der Dow Jones Industrial fiel um 0,81 Prozent auf 28 634,88 Punkte, womit er in der zu Ende gegangenen Woche ein hauchdünnes Minus verbuchte. Der marktbreite S&P 500 sank am Freitag um 0,71 Prozent auf 3234,85 Zähler. Der technologielastige Nasdaq 100 verlor 0,88 Prozent auf 8793,90 Punkte.

ÖLPREIS: Aus Furcht vor Lieferausfällen decken sich Anleger mit Rohöl ein. Zeitweise stieg der Preis für ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI bis auf 64 US-Dollar. Er lag damit über dem Niveau vom September, als ein Angriff auf die Ölindustrie in Saudi-Arabien ebenfalls einen starken Preissprung am Ölmarkt ausgelöst hatte. Zuletzt gab der US-Ölpreis allerdings einen Teil der anfänglichen Gewinne wieder ab und notierte bei 62,66 Dollar. Das waren aber immer noch 1,46 Dollar mehr als am Donnerstag. Kräftig nach oben ging es auch mit dem Preis für Rohöl aus der Nordsee, der für deutsche Verbraucher wichtig ist. Hier stieg die Notierung für ein Fass zuletzt um 1,92 Dollar auf 68,16 Dollar. Vorerst hat die Verteuerung keine Auswirkungen auf die Preise an den Zapfsäulen.

LUFTVERKEHR/BÖRSE: Heftig unter Druck gerieten die Anteilscheine von Fluggesellschaften, was auch mit dem anspringenden Ölpreis begründet wurde. Papiere der Lufthansa büßten knapp 6,5 Prozent ein und waren damit abgeschlagen das Schlusslicht im Dax. In Paris rutschten die Aktien von Air France-KLM ähnlich stark ab. Aktien von United Airlines, Delta Air Lines und American Airlines sackten im frühen Freitagshandel in New York zwischen 2,7 und 4,6 Prozent ab.

ÖLWERTE/BÖRSE: Ölwerte waren dagegen Profiteure. Eni und Total setzten sich in Europa mit Aufschlägen im Tagesverlauf an die EuroStoxx-Spitze. In den USA stemmten sich ExxonMobil und Chevron im Dow mit fast unveränderten Kursen gegen den Abwärtsdruck.

GOLD: Die Eskalation treibt Anleger in das Edelmetall, mit dem Goldpreis ging es kräftig nach oben. Die Feinunze Gold (31,1 Gramm) wurde am Nachmittag in London bei 1550 Dollar gehandelt. Das waren 21 Dollar mehr als am Vortag. Der Goldpreis erreichte damit den höchsten Stand seit September. Schon in den Vortagen hatte das „Antikrisen-Metall“ von den Spannungen zwischen den USA und Iran profitiert. Goldproduzenten wie Barrick Gold und Newmont Goldcorp verbuchten an der Börse Kursgewinne von bis zu 1,5 Prozent.

ANLEIHEN: Als Alternative zu Aktien waren auch Anleihen als sichere Anlageklassen gefragt. Die Kurse von Staatsanleihen in Europa und Übersee legten mehr oder weniger stark zu. Auch US-Staatsanleihen verzeichneten ein Plus.

„In diesen Zeiten enormer Unsicherheiten wäre ein Nahostkonflikt das Letzte, das die Wirtschaft verkraften kann.“

WÄHRUNGEN: Eine Flucht in als solide empfundene Anlagen zeigte sich auch am Devisenmarkt. Hier waren traditionell sichere Anlagehäfen wie der japanische Yen gefragt. Auch der US-Dollar wird dazu gerechnet und profitierte. Nachdem der Kurs des Euro gegen Freitagmittag deutlich abgerutscht war, stand die Gemeinschaftswährung am Nachmittag nur noch leicht unter Druck. Am späten Nachmittag wurde der Euro bei 1,1164 US-Dollar gehandelt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1147 (Donnerstag: 1,1193) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8971 (0,8934) Euro. Neben dem Euro gerieten andere Währungen unter Druck - etwa der australische und der neuseeländische Dollar, der koreanische Won oder der südafrikanische Rand.

WIRTSCHAFT: Für die Wirtschaft in Westeuropa sind unmittelbare Folgen des Iran-Konflikts derzeit aus Sicht von Ökonomen noch überschaubar. Auf lange Sicht könnte das anders aussehen. In Zeiten der Handelskonflikte und des Brexits könnte eine kriegerische Auseinandersetzung die Weltwirtschaft und vor allem den Welthandel weiter deutlich schwächen, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem die hohe Abhängigkeit von den Exporten macht die Wirtschaft in Ländern wie Deutschland und Belgien sehr verletzlich für einen solchen Konflikt. Auch durch höhere Öl- und Energiepreise würden Konsumenten einen solchen Konflikt direkt zu spüren bekommen, so Fratzscher.

„In diesen Zeiten enormer Unsicherheiten wäre ein Nahostkonflikt das Letzte, das die Wirtschaft verkraften kann“, sagt der DIW-Chef. Aus Sicht des Ökonoms Gabriel Felbermayr verstärken solche Krisen die politische Unsicherheit und sind damit ein weiterer Faktor, der die Weltwirtschaft belastet. Deutschland sei angesichts zunehmender geopolitische Risiken „gut beraten, sich wetterfest zu machen, indem es die Kräfte für wirtschaftliche Dynamik stärkt“, so der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW).

Felbermayr betonte, auf Basis der bisherigen Ereignisse seien zunächst keine unmittelbaren und dauerhaften wirtschaftlichen Auswirkungen zu erwarten. „Sollte ein ausufernder Konflikt den Nahen Osten insgesamt destabilisieren, sähe die Lage anders aus, weil dann auch die Energiequellen dort betroffen sein könnten und ein Großkonflikt die weltwirtschaftliche Dynamik belastet.“

Für Deutschland sind die unmittelbaren wirtschaftlichen Bedrohungen nach Ansicht des IfW-Ökonomen überschaubar. Die Abhängigkeit der deutschen Volkswirtschaft vom Ölpreis sei seit den 1970er Jahren stark gesunken. Wegen der Energiewende spiele Öl zum Beispiel in der Stromversorgung keine Rolle mehr.“ Mehr Sorgen muss man sich nach Darstellung des IfW-Präsidenten um Länder machen, die stark von Ölimporten abhängig seien und zugleich Leistungsbilanzdefizite hätten, etwa Südafrika und Indien. Dort sei ein länger anhaltender Ölpreisanstieg eine erhebliche Belastung. (dpa)

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