Wie auf Elba der Traum vom Jachtsegeln wahr wird

Mit atemberaubender Schräglage stampft die Segeljacht durch die Wellen auf den Hafen von Portoferraio zu. Am Heck steht eine Frau in blauen Shorts und weißer Bluse seelenruhig hinter einem großen Steuerrad. Ihre langen blonden Haare flattern in der steifen Brise, die die Segel des Bootes aufbläht. Souverän steuert sie das Boot auf die Hauptstadt der Insel Elba zu.

Erst kurz vor der Hafeneinfahrt kommt Bewegung in die Crew. Segel werden gerefft, Fender an der Reling befestigt. Leise wummernd gleitet die Jacht jetzt mit Motorkraft am achteckigen Torre del Martello vorbei, unterhalb der Festung in das Jahrhunderte alte Hafenbecken und schließlich rückwärts in eine Lücke zwischen zwei anderen Booten. Kaum ist das Schiff mit Leinen an der Hafenmole gesichert, klirren an Bord auch schon die Gläser.

<p>Der Jetset fällt seit Jahrzehnten auf Capri ein oder an der Costa Smeralda auf Sardinien, nicht aber rund um Portoferraio.</p>
Der Jetset fällt seit Jahrzehnten auf Capri ein oder an der Costa Smeralda auf Sardinien, nicht aber rund um Portoferraio.
„Anlegeschluck“ heißt das unter Seglern. Die Crew vom Nachbarboot prostet der braun gebrannten Skipperin freundlich zu. Sie ist sichtlich erleichtert, dass eine erfahrene Seglerin neben ihnen angelegt und ihr Zweimaster dabei keinen Kratzer abbekommen hat.

Neugierig schauen die im Straßencafé gegenüber sitzenden Urlauber dem „spettacolo“ auf den Booten zu. Ihre Gedanken lassen sich förmlich auf der Stirn ablesen: „Jachtsegeln müsste man können!“ Während sich die einen, vom Weißwein beseelt, zumindest in ihren Tagträumen an Bord einer der imposanten Jachten wähnen, scheinen andere schon konkrete Pläne im Kopf zu haben. „Wie lange das wohl dauert, bis man so eine Jacht segeln kann?“, fragt ein Mann an einem der Tische seine Begleiterin. Diese antwortet: „Segeln lernen dauert sicher ewig, und außerdem sind Boote wahnsinnig teuer!“

Ein weit verbreitetes Vorurteil, meint Jochen Rieker. Der Chefredakteur des Segelmagazins „Yacht“ räumt zwar ein, dass manche Schiffe ein Vermögen kosten, Charterboote aber nicht mehr als ein Hotelzimmer mit Meerblick. „Diejenigen, die ein eigenes Boot unterhalten, kaufen überwiegend gebrauchte - für den Gegenwert eines Motorrads oder eines Wohnmobils.“ Tatsächlich bieten große Charterunternehmen ihre Jachten schon zu Ferienwohnungspreisen an. „Eine Jacht für bis zu sechs Personen kostet im April ab 588 Euro pro Woche“, gibt Sunsail-Sprecherin Katja Meinken-Wiedemann an.

<p>Ausbilder wie Andreas Lehn (M.) achten mit Argusaugen darauf, dass den Segelschülern unterwegs keine Fehler unterlaufen.</p>
Ausbilder wie Andreas Lehn (M.) achten mit Argusaugen darauf, dass den Segelschülern unterwegs keine Fehler unterlaufen.
Yacht“-Chefredakteur Rieker glaubt ohnehin nicht daran, dass sich Interessierte von den vermeintlich hohen Kosten abschrecken lassen. „Was das Segeln elitär erscheinen lässt, ist meines Erachtens eher, dass es nicht jeder kann.“ Die Kenntnisse und Fähigkeiten sind allerdings leichter zu erlernen, als viele denken. Sein halbes Leben muss man dafür nicht auf kleinen Jollen verbracht haben. Natürlich sei eine gewisse Vorerfahrung und ein Gespür für Wind, Wellen und die Reaktion eines Bootes hilfreich, meint Rieker.

Viele Bootsbesitzer nehmen auf ihren Törns Mitsegler gegen eine überschaubare Gebühr mit, um zumindest einen Teil der Instandhaltungs- und Liegekosten für ihre Boote abzudecken. Für Rieker ist das Mitsegeln bei solchen Skippern oder professionellen Anbietern von Mitsegeltörns wie zum Beispiel Schnuppersegeln.de der ideale Einstieg. Siebenstündige Tagestörns auf der Ostsee kosten dort nur 100 Euro, einen sechstägigen Törn gibt es ab 350 Euro.

„Wenn es beim Mitsegeln 'Klick' macht, dann ist eine fundierte Segelausbildung der nächste Schritt“, erklärt Rieker. Die lässt sich bei Segel-Clubs oder -Schulen absolvieren - auch in Urlaubsregionen wie Elba, wo zahlreiche Segelschulen beheimatet sind. Zu den größten zählt das Segelzentrum Elba des deutschen Paares Helga und Gereon Verweyen in Bagnaia. In der Hochsaison ist die von zwei weit ins Meer hineinragenden Landzungen eingefasste Bucht übersät mit bunten Segeln. Die kleineren Boote bleiben in der Nähe der Bucht von Portoferrario, dessen Namen „Eisenhafen“ auf die Verschiffung von Eisenerzen hindeutet. Schon die Etrusker bauten auf der rund zehn Kilometer vor der toskanischen Küste liegenden Insel Eisenerze ab. Die letzte Mine wurde 1981 in Rio Marina geschlossen.

<p>Der Hafen von San Vincenzo liegt am toskanischen Festland.</p>
Der Hafen von San Vincenzo liegt am toskanischen Festland. | Fotos: Bernhard Krieger/dpa
An der Ostküste der von Wäldern und Bergen überzogenen Insel liegt Rio Marina. Rund um den Monte Capanne, den mit 1019 Metern höchsten Berg der Insel, tummeln sich Wanderer und Mountainbiker in den dichten Kastanienwäldern. Der Blick schweift von dort nach Korsika im Westen, zum toskanischen Festland mit den legendären Ornellaia- und Sassicaia-Weinbergen rund um Bolgheri im Osten und bis zur Insel Giglio im Südosten. Dort versenkte der neapolitanische Kapitän Francesco Schettino 2012 das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia.

Ein Schiff zu nah an Felsen heran zu manövrieren, gilt als Anfängerfehler. Im Segelzentrum Elba achten Ausbilder wie Andreas Lehn mit Argusaugen darauf, dass keinem Schüler ein solcher Fehler passiert. Der ausgewanderte Deutsche lebt seit vielen Jahren auf der drittgrößten Insel Italiens. Lehn mag die Bodenständigkeit der Elbaner. Der internationale Jetset fällt seit Jahrzehnten auf Capri ein oder an der Costa Smeralda im Nordosten Sardiniens, nicht aber rund um Portoferraio.

Der letzte Weltstar auf Elba war Napoleon. Nach seiner erzwungenen Abdankung zog der einstige Kaiser Frankreichs 1814 ins Exil auf die Insel. Obwohl Napoleon sein neues Minireich sofort mit Straßenbauten und zahlreichen Reformen auf Vordermann brachte, war dem großen Feldherrn das Eiland mit seinen gerade mal 10 000 Untertanen bald zu langweilig. Nicht mal ein Jahr später floh er zurück nach Frankreich. Hinterlassen hat der Korse zwei Sitze, die inzwischen Museen beherbergen: die Villa Mulini neben der Festung von Portoferraio und seinen bescheidenen Landsitz Villa San Martino. (dpa)

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