Klassenjustiz, bloß „trügerischer Schein“?

Im mit dem ehemaligen Generalprokurator am Kassationshof, André Henkes, geführten GE-Interview vom 02.04.2024 hat dieser den im Raum stehenden Vorwurf, dass in Belgien beizeiten Klassenjustiz zu beobachten sei, mit dem Argument, dass „im Einzelfall der Schein, wie so oft bei komplexen Entscheidungsprozessen trügen würde“, vom Tisch gefegt. Dies wiegt umso schwerer, wenn man berücksichtigt, dass dem Generalprokurator die Aufsichtspflicht über die Amtsführung der Appellations- und Arbeitsgerichtshöfe obliegt.

Ich kann ihm versichern, dass es zumindest einen Einzelfall gibt, in dem, um es mit seinen Worten zu sagen, „bei einiger Redlichkeit im Argumentieren sich“ sehr wohl der „Vorwurf der Klassenjustiz wirklich erhärten ließe“. Denn Manipulation bzw. willkürliche Ablehnung, bzw. Anordnung zur Vernichtung von Beweisen seitens der Richter, oder heimlicher Schriftverkehr zwischen der Gegenpartei und dem eigentlich unabhängigen Gerichtsgutachter, oder Veruntreuung einer hinterlegten Kaution durch selbigen Gutachter, oder folgenlose Klassierung einer Strafanzeige gegen Letzteren, wobei dieser nicht einmal befragt wurde, sind doch schließlich allesamt „Entscheidungsprozesse“, deren „Komplexität“ auch für einen Laien durchaus überschaubar ist, und insofern von „trügerischem Schein“ wohl keine Rede sein kann.

Kommentare

  • "Dies wiegt umso schwerer, wenn man berücksichtigt, dass dem Generalprokurator die Aufsichtspflicht über die Amtsführung der Appellations- und Arbeitsgerichtshöfe obliegt."
    Das ist schlicht falsch. Dem Generalprokurator obliegt es, zu anstehenden Verfahren am Kassationshof eine begründete Stellungnahme ("avis") abzugeben.
    Nicht, in laufende Verfahren an rangniedrigeren Gerichten einzugreifen oder gar die Amtsführung dieser Instanzen zu beaufsichtigen.
    Die Generalstaatsanwaltschaft am Kassationshof führt auch keine strafrechtlichen Ermittlungen durch.

    Quelle: "Parquet près La Cour de Cassation" - Leider nicht auf Deutsch ! Dabei hätte de Herr Heukemes doch während seiner Amtszeit dafür Sorge tragen können, dass solche Informationen über dieses Hohe Gericht auch den deutschsprachigen Bürgern zugänglich sind)

  • @Schleck,

    Ich zitiere das Grenzecho: "Als Disziplinarvorgesetzter der Generalprokuratoren bei den Appellations- und Arbeitsgerichtshöfen oblag ihm [André Henkes] die Aufsichtspflicht über deren Amtsführung."

  • Guten Morgen, Herr Schmitz !
    Ihre Aussage im Leserbrief lautete: "Dies wiegt umso schwerer, wenn man berücksichtigt, dass dem Generalprokurator die Aufsichtspflicht über die Amtsführung der Appellations- und Arbeitsgerichtshöfe obliegt."

    Das GE schrieb, wie Sie hier oben korrekt zitieren: ""Als Disziplinarvorgesetzter der Generalprokuratoren bei den Appellations- und Arbeitsgerichtshöfen oblag ihm [André Henkes] die Aufsichtspflicht über deren Amtsführung."

    Was auch stimmt. Der Generalprokurator am Kassationshof kann allerdings laut Artikel 404 ZPO nur bei Verfehlungen seiner Amtskollegen an den Berufungsgerichten gegen die (nirgends exakt fixierten) Regeln der Deontologie tätig werden, wobei er in eine Prozedur eingebunden ist, die neben kleineren Sanktionen die Anrufung eines Disziplinargerichtes vorsieht.
    Er ist keineswegs der Oberaufseher über die genannten Gerichte und hat auch keine Aufsichts- oder Weisungsbefugnis gegenüber deren Generalprokuratoren etwa in laufenden Verfahren.
    Wer es gerne präziser mag, der sei auf die Artikel 398 ff. der Zivilprozessordnung verwiesen.

  • @Schleck

    Ob André Henkes nun als „Oberaufseher“ betrachtet werden kann oder nicht, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass er den schwerwiegenden Vorwurf der Klassenjustiz mit einem Satz pauschal vom Tisch fegt, und dabei den Eindruck hinterlässt, dass er durchaus in der Lage sei, dies zu beurteilen. Ich hatte dann lediglich auf einen Fall hingewiesen, wo eben besagter Vorwurf sehr wohl gerechtfertigt ist.

    Und weil ich darüber hinaus im erwähnten Fall auch keinerlei Gehör bei den Kassationsanwälten bezüglich des Fehlverhaltens, auch von Berufungsrichtern, fand, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass es ihm zumindest in meinem Falle eben nicht „gelungen ist, den berechtigten Qualitätsanspruch des Rechtssuchenden zu schützen.“

  • Der Herr Schmitz muss wohl die Diskussion in seinem Sinne umbiegen.
    Um keinen falschen Eindruck von den Kompetenzen des Generalprokurators am Kassationshof aufkommen zu lassen, habe ich sein Zitat richtiggestellt.
    Das müsste doch ganz in seinem Sinn sein, ist der doch sonst so akribisch in seinen Kommentaren.
    Ob das entscheidend ist oder nicht, war nicht mein Thema.

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