Angriffe auf Radfahrer: ein Infrastrukturproblem

<p>Illustration: belga</p>
Illustration: belga

Ein typisches Beispiel dafür sind Radwege, die nur aus ein paar Linien bestehen, die ganz rechts auf einer Straße gezogen wurden, die sonst unverändert bleibt. Wenn ein Auto auf der Straße fährt, verschwindet der Radweg in der Regel mehr oder weniger vollständig. Der Radfahrer ist frustriert. Mangels geeigneter Infrastruktur versucht der frustrierte Radfahrer, sich einen Weg zwischen den Autos zu bahnen. Nun ist der Autofahrer genervt. Letztendlich steigt die Spannung, wobei sich das Verhalten der Verkehrsteilnehmer weiter verschlechtert. Das Ergebnis: ein beschädigtes soziales Klima und eine ständige Gefahr für die Verkehrsteilnehmer.

Während meines zweimonatigen Aufenthalts in Kopenhagen erlebte ich das gegenteilige Szenario. Die Lösung: deutlich von den Straßen getrennte Fahrradwege, die ein viel besser organisiertes Radfahren ermöglichen. Zum Beispiel hebt der Radfahrer, der langsamer wird, die Hand, um den Hinterherfahrenden sein Manöver anzukündigen. Ähnlich kreuzt der Radfahrer, der ein Ziel am anderen Ende der Straße erreichen muss, die Straße nicht dort, wo es ihm am besten passt. Er muss bis zum ersten Punkt weiterfahren, an dem er wenden kann, um dann in die entgegengesetzte Richtung zu radeln und schließlich - mit einem kleinen Umweg - sein Ziel zu erreichen, ohne andere Autofahrer zu behindern. Dies sind nur einige Beispiele.

Die Idee dahinter ist, dass eine angepasste Infrastruktur die Art und Weise verbessert, wie die Nutzer die Infrastruktur nutzen. Eine an die Bedürfnisse der Nutzer angepasste Infrastruktur schafft einen positiven Kreislauf, während eine unangemessene Infrastruktur einen Teufelskreis schafft. Verlassen wir demnach den derzeitigen Teufelskreis. Zwei Lösungen bieten sich an: erstens die Infrastruktur anpassen und zweitens die Regeln ändern, die für die verschiedenen Nutzer dieser Infrastruktur gelten.

Seit dem Zweiten Weltkrieg bestand das Hauptziel der Stadtplanung darin, den Autoverkehr zu verflüssigen. So werden Radfahrer und andere Nutzer öffentlicher Straßen wie zufällige Phänomene in einem öffentlichen Raum behandelt, der dem Auto gewidmet ist. Dies war eine politische Entscheidung, von der wir heute einen Status quo erben, der nicht mehr haltbar ist, nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus Gründen der Sicherheit und des Wohlbefindens in der Stadt. Daher muss die städtische Infrastruktur neu gedacht werden, indem die sanfte Mobilität in den Mittelpunkt gerückt wird, auch wenn dies manchmal zu einer Benachteiligung der Autos führt. Die bisherigen Bemühungen, die Koexistenz von Autofahrern und Radfahrern auf denselben Straßen zu gewährleisten, erweisen sich kurz- und langfristig als unzureichend und gefährlich.

Eine weitere Konstante: Unsere Straßenverkehrsordnung wurde für den Verkehr von Autos konzipiert. Diese Regeln sind nicht immer auf Radfahrer abgestimmt (Sichtfeld, Reaktionszeiten usw.). Ein Radfahrer ist einem viel höheren Risiko schwerer Unfälle ausgesetzt als ein Autofahrer. Er muss den Rauch aus den Auspuffrohren einatmen und dem belgischen Wetter trotzen. All das sind Gründe, ihn besser zu schützen. Zwar bin ich kein Experte für Straßenverkehrsordnung, doch scheint mir, dass dies Überlegungen sind, die bei einer Neufassung der Straßenverkehrsordnung berücksichtigt werden sollten.

Städte wie Kopenhagen und Initiativen wie copenhagenize.eu gehen mit gutem Beispiel voran und erklären die Vorteile, die mit sanfter Mobilität verbunden sind. Die Website bietet auch Ratschläge für den Wandel der Städte hin zu fahrradfreundlicheren öffentlichen Straßen. Wenn man an der Wurzel des Problems ansetzt, kann man den positiven Kreislauf in Gang setzen, den ich in Kopenhagen erleben durfte, und nicht den Teufelskreis, den ich in Belgien und insbesondere in Brüssel erlebe.

*Tom Hick (1995), Doktorand der Rechtswissenschaften an der KU Löwen, wuchs in der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf und lebte später in Löwen und Brüssel. Nach seinem Masterabschluss an der KU Löwen wurde er als Doktorand und Lehrbeauftragter am Institut für Schuldrecht seiner Alma Mater verpflichtet. Dort forscht er zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Vertragsverhandlungen.


Die Freitagsgruppe ist eine Denkfabrik der König-Baudouin-Stiftung. Sie vereint 25 junge Menschen aus Belgien mit dem Ziel, sich positiv in die gesellschaftspolitische Entwicklung des Landes einzubringen. 2024 feiert die Freitagsgruppe ihr 10-jähriges Jubiläum. Knapp 300 gesellschaftspolitische Empfehlungen haben die Mitglieder seither in 21 Berichten an die Politik gerichtet. Hinzu kamen zahlreiche Meinungsbeiträge in den belgischen Tageszeitungen und die Durchführungen eigener Podiumsdebatten. Das Grenzecho gehört neben „L’Echo“ und „Knack“ zu den Medienpartnern der Freitagsgruppe.

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