Ceta: Von EU-Ultimaten und politischen Schachzügen



Eigentlich hatten die EU-Kommission und die Föderalregierung damit gerechnet, dass sich die Frankofonen im letzten Augenblick doch noch zu einem Ja zu Ceta – dem Freihandelsabkommen der EU mit Kanada – überreden lassen. Aber Pustekuchen: Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette zeigte am Dienstag die lange Nase und kündigte an, die gesetzte Frist bis Freitag verstreichen zu lassen. Jetzt hagelt es natürlich Kritik von allen Seiten gegen die „abgewirtschaftete“ Wallonie, die mit ihrem Starrsinn den Wohlstand ganz Europas aufs Spiel setze.

Befürworter weisen zurecht darauf hin, dass man Wirtschaftsvereinbarungen wie Ceta braucht, solange es keine multilateralen Welthandelsorganisationen gibt. Eine vernünftige Debatte über solche Freihandelsabkommen ist allerdings nicht mehr möglich. Es stimmt zwar, dass einige Gegner nur ideologische Argumente ins Feld führen und sich zu wenig mit sachlichen Argumenten beschäftigen, die sehr wohl für solche Abkommen sprechen.

Dass die Fronten inzwischen allerdings derart verhärtet sind, müssen sich die Befürworter – allen voran die EU-Kommission – ankreiden lassen. Dafür muss man nicht auf Verhandlungen im stillen Kämmerlein oder auf inhaltliche Bedenken verweisen. Nein, dafür reicht schon ein Blick in die jüngere Vergangenheit: Obschon im wallonischen Parlament bereits im Frühjahr Vorbehalte gegen Ceta formuliert worden waren, hat die Kommission erst kürzlich reagiert. Wenige Tage vor der geplanten Unterzeichnung auf EU-Ebene wurde eine Zusatzerklärung aus dem Hut gezaubert. Dabei war bis zuletzt noch nicht einmal geklärt, ob dieses Dokument überhaupt rechtskräftig ist. Statt sich jetzt aber mehr Zeit zu geben und die Tür für weitere Verhandlungen zu öffnen, setzte die EU-Kommission der Wallonie die Pistole auf die Brust und erhöhte den Druck mit einem Ultimatum. Damit stellt die EU-Behörde die grundlegenden Rechte eines Parlamentes infrage.

Will die Kommission etwa auf diese Weise das verloren gegangene Vertrauen der Menschen in Europa zurückgewinnen? Aus dem Brexit-Referendum hat sie offenbar nichts gelernt. Sollte Ministerpräsident Paul Magnette nicht doch noch „umkippen“, kann Ceta nicht wie geplant am 27.Oktober beim EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterzeichnet werden. Das wäre eine totale Blamage für die EU und ihre Handelspolitik.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille: Im frankofonen Landesteil müssen sich die in Wahlumfragen schwächelnden Regierungsparteien PS und CDH kritische Fragen gefallen lassen. Gerade die PS kann es sich nicht leisten, mit einer Ceta-Zustimmung der Arbeiterpartei PTB im linken Lager das Feld zu überlassen. Andererseits könnten die Sozialisten mit einem Nein der verhassten Mitte-rechts-Regierung auf föderaler Ebene eine Lektion verpassen. Geht es den Beteiligten wirklich nur um die Sache oder wird hier ein Freihandelsabkommen für politische Schachzüge missbraucht?

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