Kanadische Ministerin gibt Ceta verloren - Michel machtlos

Ein Premierminister in Erklärungsnot: „Der Ernst der Lage ist mir bewusst“, sagte Charles Michel. | afp



Offenbar könne die EU noch nicht einmal mit einem Land wie Kanada ein internationales Abkommen schließen, sagte Freeland am Freitag. Die EU-Kommission erklärte allerdings, dies sei noch nicht das Ende. Sie hatte zuletzt alles getan, dem Pakt den Weg zu bahnen, der eigentlich schon nächsten Donnerstag hätte unterschrieben werden sollen.

Doch leistete die Wallonische Region erbitterten Widerstand. Freeland verhandelte direkt mit der Regionalregierung in Namur, brach die Gespräche aber am Freitag entnervt ab. „Es scheint offensichtlich, für mich und für Kanada, dass die EU derzeit nicht in der Lage ist, ein internationales Abkommen abzuschließen, selbst mit einem Land, das so europäische Werte hat wie Kanada, und selbst mit einem Land, das so freundlich ist und so viel Geduld hat wie Kanada“, sagte sie. Der flämische Rundfunk (VRT) verbreitete ein Video mit Freelands emotionaler Aussage. Kanada und auch sie persönlich seien enttäuscht, sagte sie. Denn ihr Land habe so hart gearbeitet, mit der EU-Kommission und mit Staaten wie Deutschland, Frankreich, Österreich, Bulgarien und Rumänien. Am Freitag habe sie versucht, die Bedenken der Wallonie zu entkräften. Nun kehre sie heim zu ihren drei Kindern.

Das Veto der Wallonie blockiert das Abkommen, weil die Föderalregierung ohne Zustimmung der Teilstaaten nicht unterzeichnen darf. Flandern hatte zugestimmt, die Wallonie und die Französische Gemeinschaft dagegen Nein gesagt. Die DG und die Region Brüssel haben noch nicht entschieden. Die Brüsseler Regionalregierung meldete zuletzt Bedenken an. Ob die Absage von Chrystia Freeland endgültig ist, war zunächst nicht ganz klar. Die EU-Kommission geht nicht von einem endgültigen Scheitern der Verhandlungen aus. Man halte den Verhandlungsstopp mit der Regionalregierung nicht für das Ende des Weges zur Unterzeichnung des Abkommens zwischen der EU und Kanada, hieß es. Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette (PS) hatte zuvor noch von „Fortschritten“ bei den Verhandlungen gesprochen, als er die Parlamentarier über die Gespräche informierte.

PS-Präsident Elio Di Rupo: „Wir müssen zu unseren Werten stehen.“

„Man kann schon feststellen, dass eine Öffnung stattgefunden hat. Das Nein ist nicht mehr so kategorisch“, meinte die Regionalabgeordnete Jenny Baltus-Möres (PFF-MR) im Laufe des Tages. PS-Präsident Elio Di Rupo bedauerte die Ankündigung der Kanadier, machte aber auch klar, „dass wir zu unseren Werten stehen müssen“.

Regierungschef Magnette fügte hinzu, dass es eine Frage der Zeit gewesen sei. „Ich verstehe, dass das für Kanada etwas lange dauerte, nach sieben Jahren Verhandlungen. Aber wir sind erst seit zwei Wochen von dieser Akte richtig betroffen. Ich kann das wallonische Parlament unmöglich heute oder morgen um eine Entscheidung bitten.“

Die EU hatte Ceta über Jahre hinweg mit Kanada ausgehandelt und zuletzt noch mit Zusatzerklärungen ergänzt. Während des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag hatten sich die Kommission und mehrere Mitgliedstaaten als Vermittler eingebracht. Die EU-Spitzen fürchten im Falle eines Scheiterns von Ceta einen weltweiten Vertrauensverlust in die EU als Verhandlungspartner. EU-Ratspräsident Donald Tusk meinte noch Freitagmittag: „Ich mache mir weiter Sorgen.“

Premierminister Charles Michel (MR) hatte sich machtlos gezeigt. Ihm bleibe nicht anderes übrig, als die Positionierung des wallonischen Parlaments zu respektieren. Auch wenn dies dazu führe, dass die aktuelle Situation „äußerst delikat“ sei. „Der Ernst der Lage ist mir bewusst“, ergänzte Michel. (sc/belga/dpa)